Politik

Peking entlässt auf Kaution Ai Weiwei auf freiem Fuß

Die ersten Fotos von Ai Weiwei nach seiner Freilassung.

Die ersten Fotos von Ai Weiwei nach seiner Freilassung.

(Foto: REUTERS)

Der Anfang April in China an einen unbekannten Ort verschleppte Künstler und Regimekritiker Ai Weiwei ist gegen Kaution freigelassen worden. Ai soll seine "Vergehen zugegeben" haben, so die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua. Möglicherweise steht die Freilassung mit dem Deutschland-Besuch von Regierungschef Wen kommende Woche in Zusammenhang.

Nach gut zweieinhalb Monaten in Haft ist der chinesische Künstler und Regierungskritiker Ai Weiwei gegen Kaution auf freien Fuß gekommen. Die Freilassung sei erfolgt, nachdem Ai ein Geständnis wegen Steuerflucht abgelegt habe und weil er chronisch krank sei, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua.  Ai habe seine "Vergehen zugegeben" und damit eine "gute Haltung" bewiesen. Bundesaußenminister Guido Westerwelle äußerte sich zurückhaltend und nannte die Umstände der Freilassung "bedrückend".

"Weiwei ist wieder zu Hause"

Journalisten belagern Ais Haus in Peking.

Journalisten belagern Ais Haus in Peking.

(Foto: AP)

Ais Schwester bestätigte die Freilassung. "Weiwei ist wieder zu Hause", sagte Gao Ge sowohl der Deutschen Presse-Agentur als auch Reuters in Peking. Er sei in seine Wohnung zurückgekehrt und bei guter Gesundheit. Sie habe mit Ais Frau Lu Qing gesprochen und diese habe gesagt, "sein Gesundheitszustand ist o.k., er ist nur etwas dünner als vorher".

Ai selbst bestätigte mit einer kurzen Textmeldung seine Freilassung. Das sagte sein Freund Liu Xiaoyuan, ein Menschenrechtsanwalt, in Peking. Auch Freunde Ais erklärten, der Künstler sei in sein Studio im Pekinger Bezirk Caochangdi zurückgekommen.

Vier Partner und Mitarbeiter Ais waren dem Vernehmen nach ebenfalls von der Polizei festgehalten worden. Was aus ihnen wurde, war zunächst nicht zu klären.

Peking wirft Ai Steuerhinterziehung vor

Ai will aus Sicherheitsgründen nichts zu Haft und Freilassung sagen.

Ai will aus Sicherheitsgründen nichts zu Haft und Freilassung sagen.

(Foto: AP)

Die Regierung in Peking hatte ohne Angaben von Details mitgeteilt, dass dem international renommierten Künstler "Wirtschaftsverbrechen" vorgeworfen werden. Vor einem Monat warf die Polizei einer Firma von Ai Steuerbetrug vor. Xinhua berichtete damals unter Berufung auf die Polizei, die Firma Fake Cultural Development habe eine "riesige Summe" an Steuern hinterzogen. Jetzt schrieb die Staatsagentur, Ai Weiwei sei zur Steuernachzahlung bereit.

Der unter Diabetes leidende 54-Jährige war am 3. April auf dem Pekinger Flughafen verhaftet  und seitdem an einem unbekannten Ort festgehalten worden. Nur Ehefrau Lu Qing durfte ihn im Mai kurz besuchen.

Die Bundesregierung und die US-Regierung hatten die sofortige Freilassung des Künstlers gefordert, der aus ihrer Sicht wegen seiner Kritik am kommunistischen System festgenommen worden war. Die Familie des Künstlers hatte den gegen ihn erhobenen Vorwurf des Steuerbetrugs zurückgewiesen. Menschenrechtsgruppen wiesen darauf hin, dass chinesische Behörden auch schon in anderen Fällen den Vorwurf von Wirtschaftsverbrechen gegen Bürgerrechtler erhoben haben.

Bedrückende Umstände der Freilassung

Ai Weiwei am 1. März in seinem Atelier in Peking bei einem Interview.

Ai Weiwei am 1. März in seinem Atelier in Peking bei einem Interview.

(Foto: REUTERS)

Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßt die Freilassung Ais. Sie hatte sich gegenüber der chinesischen Führung dafür eingesetzt, dass er freikommt und dass seine Familie Rechtsbeistand erhält. "Die heutige Freilassung gegen Kaution kann aber nur ein erster Schritt sein. Nun müssen die Vorwürfe gegen Ai Weiwei in einer rechtsstaatlichen und transparenten Weise aufgeklärt werden", erklärte Merkel.

Westerwelle äußerte in einer Mitteilung die Hoffnung, "dass sich die Meldungen einer Freilassung Ai Weiweis"bestätigen. "Das wäre eine große Erleichterung für den Künstler und seine Familie", erklärte er. Die Berichte über Ais Freilassung gegen Zahlung einer Kaution blieben jedoch "bedrückend".

Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth kritisierte, Ais Freilassung komme "viel zu spät". Der Fall zeige, "dass große Lücken in der Rechtsstaatlichkeit immer noch die Achillesferse der chinesischen Modernisierung sind".

 Der Präsident der Berliner Akademie der Künste, Klaus Staeck, forderte ein Ende der "unmenschlichen Verfolgungsmaßnahmen" in China. Ai War im Mai zum Mitglied der internationalen Künstlersozietät gewählt worden. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch äußerte die Befürchtung, die chinesischen Behörden hätten von Ai die Zusage erzwungen, sich nicht mehr zu Menschenrechtsfragen zu äußern.

Künstler in Berlin wollen Ais Texte lesen

Ai Weiwei 2007 auf der "documenta" in Kassel.

Ai Weiwei 2007 auf der "documenta" in Kassel.

(Foto: REUTERS)

Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller und andere deutsche Autoren hatten angekündigt, dass sie den Besuch von Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao in Berlin nutzen wollen, um gegen die Verhaftung von  Ai Weiwei zu protestieren. Das Literaturhaus Berlin und der Galiani Verlag laden daher am kommenden Montag zu einer Lesung von Ai Weiweis in China verbotenen und gelöschten Blogtexten ein. Wen Jiabao kommt an diesem Tag mit mehreren Ministern zu den ersten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen nach Berlin. Außerdem findet 2012 das chinesische Kulturjahr in Deutschland statt.

Die Blogtexte, die vorab auf Deutsch gelesen werden, erscheinen Ende Juli im Berliner Galiani Verlag unter dem Titel "Macht euch keine Illusionen über mich".

Die Festnahme von Ai war international scharf kritisiert worden. Mehr als 100.000 Menschen unterzeichneten eine Petition für seine Freilassung, die von dem New Yorker Guggenheim-Museum initiert worden war.

Quelle: ntv.de, AFP/dpa

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