Politik

SPD-Basis sieht Große Koalition weiterhin skeptisch Albig deutet Kompromiss im Steuerstreit an

Die Union sucht einen Koalitionspartner und sondiert derzeit parallel mit SPD und Grünen.

Die Union sucht einen Koalitionspartner und sondiert derzeit parallel mit SPD und Grünen.

(Foto: dpa)

Weder eine Koalition mit der Union noch Steuererhöhungen seien ein Selbstzweck, schallt es aus der SPD. Die Skepsis an einer Großen Koalition bleibt. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Albig deutet aber einen Kompromiss an - und sagt, zur Not gehe es auch ohne CSU.

Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig hat Kompromissbereitschaft der SPD in den Koalitionssondierungen mit der Union bei der Forderung nach Steuererhöhungen angedeutet. "Steuererhöhungen sind für die SPD kein Selbstzweck", sagte er dem "Focus". Entscheidend sei, ob genug Geld in Zukunftsaufgaben wie Infrastruktur und Bildung investiert werde.

Die CSU warnte er vor Übermut bei möglichen Koalitionsverhandlungen. "Zur Not geht es auch ohne CSU, das stimmt. Dann hätten wir eine schwarz-rote Regierung gegen eine schwarz-grüne Opposition. Das wäre doch mal eine innovative Antwort", so der Ministerpräsident.

Albig sagte weiter, die Bildung einer Großen Koalition hänge sehr vom Gestaltungsspielraum ab. Wenn die SPD ihre wichtigsten Ziele in angemessener Weise durchsetzen könne, werde es auch gelingen, die Partei-Basis von einer Regierungsbeteiligung zu überzeugen. Er warnte seine Partei allerdings vor zu hohen Erwartungen. "Man darf bei der Beurteilung dann auch nicht vergessen, dass wir die Wahl leider verloren haben", sagte der Kieler Regierungschef.

Keine Einigung in Steuerfrage

Albig warb trotz starker Bedenken an der SPD-Basis für eine schwarz-rote Bundesregierung. "Ich denke, dass man in einer Regierung mehr Möglichkeiten hat und politische Ziele besser erreichen kann als in der Opposition." Allerdings werde die SPD nicht um jeden Preis in eine große Koalition gehen.

Auch bei anderen Sozialdemokraten bestehen weiterhin Zweifel an einer Großen Koalition. Nach Einschätzung von Parteichef Sigmar Gabriel ist die Koalitionsfrage so offen wie vor dem ersten Sondierungsgespräch am Freitag. Der SPD gehe es darum, sozialdemokratisches Profil zu zeigen, sagte Gabriel im ZDF.

Gebannt verfolgt die Presse die Statements nach dem ersten Sondierungsgespräch zwischen Union und SPD.

Gebannt verfolgt die Presse die Statements nach dem ersten Sondierungsgespräch zwischen Union und SPD.

(Foto: imago stock&people)

Über die großen Herausforderungen der kommenden Jahre sei man sich bei dem Gespräch einig gewesen, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Sie nannte in diesem Zusammenhang Europa, den demografischen Wandel, faire Löhne und die Finanzierung von Ländern und Kommunen.

Gabriel sagte, dass viele Probleme von beiden Seiten zwar ähnlich eingeschätzt würden - keine Einigkeit bestehe aber bei der Antwort auf die Frage, wie man Schuldenabbau einerseits und mehr Zukunftsinvestitionen andererseits finanzieren könne. Die SPD fordert Steuererhöhungen zur Finanzierung von Mehrausgaben, Unions-Politiker hatten dies strikt abgelehnt. Für die SPD seien Steuererhöhungen in diesem Zusammenhang kein Selbstzweck, betonte Gabriel. Er erwarte von der Union aber eigene Finanzierungsvorschläge.

Am 14. Oktober wollen beide Seiten ihre Gespräche fortsetzen. Am Donnerstag will die Union mit den Grünen ein erstes Sondierungsgespräch führen. Nahles lehnt es allerdings ab, Koalitionsverhandlungen mit der Union zu führen, während gleichzeitig über ein mögliches schwarz-grünes Bündnis gesprochen wird. "Parallele Verhandlungen Union-SPD und Union-Grüne werden wir nicht akzeptieren", sagte sie WDR5. Sie forderte die Union auf, sich möglichst schnell für einen Wunschpartner zur Regierungsbildung zu entscheiden.

Laumann umwirbt SPD, Laschet die Grünen

Auch die SPD-Parteibasis stellt hohe Anforderungen an die Verhandlungen in Berlin. Eine Regierungsbeteiligung als Selbstzweck dürfe es ebenso wenig geben wie eine Ablehnung ohne ernsthafte inhaltliche Gespräche, sagte der Bremer SPD-Landeschef Andreas Bovenschulte. Auch eine dpa-Stichprobe bei Unterbezirksverbänden in Rheinland-Pfalz zeigte: Die meisten Mitglieder sind zwar dafür, dass die SPD mit der Union reden sollte. Vor allem aber sollten Sozialdemokraten ihre Inhalte unterbringen. "Die Meinung ist unisono gleich: große Bedenken", sagte die Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Alzey-Worms, Kathrin Anklam-Trapp.

Umworben wird die SPD unter anderem vom CDU-Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag, Karl-Josef Laumann. "Man muss ja auch Gesetze machen können", sagte er der der "Mitteldeutschen Zeitung". Auf wichtigen Feldern wie der Energie- und der Industriepolitik sowie beim Mindestlohn seien die Differenzen zwischen Union und SPD eher überbrückbar, hatte Laumann, der auch Chef des Arbeitnehmerflügels der CDU ist, zuvor in Rundfunkinterviews gesagt. "Ich bin fest davon überzeugt, wenn man das will, wird man auch einen Weg finden."

CDU-Vize Armin Laschet würdigte derweil die Grünen als gleichwertige Gesprächspartner für ein Bündnis. "Die Entfernung der Union zu den Grünen ist nicht größer als die Entfernung zur SPD", sagte er dem "Focus". Das für nächsten Donnerstag angesetzte Sondierungsgespräch mit den Grünen sei nicht pro forma, sondern "sehr ernst gemeint". Schwarz-Grün sei "genauso eine Option wie ein Bündnis mit der SPD", betonte der CDU-Landesvorsitzende von Nordrhein-Westfalen. Das "alte Kampf-Thema Atompolitik, das Union und Grüne fundamental unterschieden" habe, sei "geklärt", sagte Laschet. "Gesellschaftspolitisch hat sich vieles entkrampft, und in der Außen- und Europapolitik gibt es durchaus auch Übereinstimmungen mit den Grünen."

Aus den Reihen der Grünen kamen unterschiedliche Signale. "Im Zweifelsfall sollten wir die Chance ergreifen", sagt der bayerische Landeschef Dieter Janecek dem "Focus". "Die Energiewende in der Regierung umzusetzen ist allemal besser als ohnmächtig zuzuschauen, wie eine große Koalition die Kohle als Energieträger wieder salonfähig macht." Die Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt sagte dagegen: "Ich bin skeptisch, weil ich nicht sehe, dass wir mit CDU und CSU bei für uns zentralen Themen wie Klimaschutz, CO2-Reduzierung und gesellschaftliche Modernisierung zusammen kommen."

Die Linke würde ebenfalls gern mit der SPD regieren. Parteichef Bernd Riexinger hält das kategorische Nein der SPD zu einem rot-rot-grünen Bündnis für einen "schweren Fehler". Seine Partei werde zwar von einer großen Koalition politisch profitieren, sagte er dem SWR. Aber für die Menschen in Deutschland wäre ein solches Bündnis nicht gut. Riexinger erneuerte das Angebot, mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linken im nächsten Bundestag schon vor dem Zustandekommen einer neuen Regierung gemeinsame Projekte aus den Wahlprogrammen von SPD und Grünen zu beschließen. Damit würden beide Parteien auch ihre Verhandlungsposition gegenüber der Union verbessern.

Der frühere Grünen-Spitzenpolitiker Joschka Fischer sieht derweil nach der jüngsten Bundestagswahl zukünftig neue Koalitionsmöglichkeiten. "Wenn diese ganzen Übungen mit diesen Sondierungen jetzt einen Sinn haben, dann ist es, dass die Tabus abgeräumt werden. 2017 wird weder Rot-Rot-Grün noch Schwarz- Grün noch ein Tabuthema sein", sagte Fischer der "Leipziger Volkszeitung". All das werde im Bereich des Machbaren liegen. "Insofern hat sich dann die Republik ein Stück weit wirklich verändert."

Quelle: ntv.de, mli/dpa/rts/AFP

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