"Kirche im Sozialismus" Albrecht Schönherr gestorben
09.03.2009, 20:33 UhrDer Berliner Altbischof Albrecht Schönherr ist tot. Er starb im Alter von 97 Jahren in Potsdam. Schönherr hat das Wirken der Evangelischen Kirche in der Zeit der Ost-West-Spaltung maßgeblich mitbestimmt. Als langjähriger Vorsitzender des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR hat er sich für mehr Bewegungsfreiheit für die Kirche in Ostdeutschland eingesetzt.
Schönherr habe dabei "die Eigenständigkeit des kirchlichen Zeugnisses in der Zeit der DDR nicht nur mit Deutlichkeit vertreten, sondern auch in seinen kirchlichen Leitungsämtern dem Staat gegenüber abgesichert", betonte der Bischof der Evangelischen Kirche von Berlin-Brandenburg und EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber in seinem Nachruf. "Durch seine Treue zum Evangelium hat er auf seine Weise dazu beigetragen, dass die Wiedervereinigung in Freiheit friedlich gelungen ist."
Schüler von Bonhoeffer
Schönherr hat eine an dramatischen Ereignissen reiche Lebensspanne durchmessen und dabei eine der schwierigsten Epochen in der Geschichte seiner Kirche mit gestaltet. Der Bonhoeffer-Schüler gehörte in der NS-Zeit zur widerständigen Bekennenden Kirche, und während der deutschen Teilung stand er lange an der Spitze des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR.
Immer blieb er am Geschehen in Kirche und Welt äußerst interessiert. Besonders die Veranstaltungen des Domstifts Brandenburg, dem er länger als ein halbes Jahrhundert als Dechant vorstand und dessen Ehrendechant er war, lagen ihm am Herzen. Schönherr, der lange in Berlin lebte, reiste noch im hohen Alter, auch wenn er zuletzt kürzertreten musste. Der schlanke, hoch gewachsene Mann hatte sich Anfang 2006 bei einem Sturz einen Bruch zugezogen, aber davon wieder gut erholt.
Der 1911 im oberschlesischen Katscher geborene Theologe studierte Evangelische Theologie in Tübingen sowie Berlin und besuchte während der NS-Herrschaft das illegale, von Bonhoeffer geleitete Predigerseminar in Finkenwalde. Dort wurde er, wie er betonte, durch Bonhoeffer für sein Leben geprägt. Nach Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft wurde er 1947 Pfarrer am Dom zu Brandenburg.
Zwischen allen Stühlen
1967 übernahm der Geistliche das Amt des Bischofsverwalters für die Ostregion der Kirche von Berlin-Brandenburg, weil dem in West-Berlin lebenden Bischof Kurt Scharf von den DDR-Behörden die Einreise verweigert wurde. Fünf Jahre später wählte ihn die Synode zum Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg. Von 1969 an bis zu seinem Ruhestand 1981 war er zudem Vorsitzender des Kirchenbundes der acht Landeskirchen in der DDR.
Als Kirchenbundsvorsitzender suchte Schönherr ein Arrangement mit dem SED-Staat auf dem "schmalen Grat zwischen Opposition und Opportunismus". Sein Name ist eng mit der Formel "Kirche im Sozialismus" verbunden. "Dieser Begriff ist oft gewollt fehl gedeutet worden. Für uns war es aber immer nur eine Ortsbestimmung", betonte Schönherr stets. "Es konnte nicht sein, dass die Kirche sich mit einer Partei oder einer Ideologie verbindet."
Den Höhepunkt fand sein gleichwohl moderater Kurs 1978 in dem damals sensationellen "Spitzengespräch" Honecker. Der Kirche brachte es einigen Spielraum. Gemeinden konnten Oppositionellen ein Dach bieten, was letztlich zur Wende im Herbst 1989 beitrug. Schönherr selbst saß freilich zwischen allen Stühlen. Dem Staat war er zu aufsässig, der Opposition zu nachgiebig. "Das musste ich aushalten", meinte er einmal. "In der DDR hatten wir eine Reihe von Bischöfen, die von der Bekennenden Kirche geprägt waren. Das hat uns geholfen, in dieser Gesellschaft zu wirken, ohne uns auf faule Kompromisse einzulassen."
Zugleich räumte er ein, dass die Kirche mitunter hätte deutlicher das Wort erheben müssen, beispielsweise zu den Zuständen in den DDR-Gefängnissen. Er selbst hatte, bereits im Ruhestand, 1985 Redefreiheit und Religionsfreiheit in der DDR angemahnt.
Quelle: ntv.de