Eklat um Zuwanderung Alle Augen auf Rau
25.03.2002, 07:21 UhrNach der umstrittenen Abstimmung im Bundesrat zur Zuwanderung blickt nun alles auf Bundespräsident Johannes Rau. Bundeskanzler Gerhard Schröder kritisierte die Aufforderung der Union an Rau, das Gesetz nicht zu unterzeichnen.
Es sei "extrem unwürdig", dass CDU und CSU versuchten, auf die unabhängige Entscheidung des Bundespräsidenten Druck auszuüben, sagte Schröder. CDU-Chefin Angela Merkel wies die Darstellung zurück. Von Seiten der Union werde "keinerlei Druck" ausgeübt, sagte sie in der ARD.
Rau lässt unterdessen den Zeitplan für seine Entscheidung, ob er das Zuwanderungsgesetz unterschreibt und somit rechtskräftig werden lässt, offen. Eine Sprecherin Raus wollte weder bestätigen noch dementieren, dass eine Entscheidung in der Sache möglicherweise erst nach der Bundestagswahl im September getroffen werde.
Der Bundespräsident werde von seinem mehrere Mitarbeiter umfassenden Rechtsreferat beraten, sagte die Sprecherin. Rau selbst sei in den kommenden Tagen nicht mit der Sache befasst. Er verbringe das Osterfest mit seiner Familie auf der Nordseeinsel Spiekeroog.
Schlagabtausch zwischen SPD und Union
Der Ton in der Auseinandersetzung um die Entscheidung im Bundesrat nahm am Montag deutlich an Schärfe zu. SPD-Generalsekretär Franz Müntefering bezeichnete die empörte Reaktion von Unionspolitikern auf die Abstimmung in der Länderkammer als "Trauerspiel" und "Heuchelei". Der Fraktionschef der Sozialdemokraten, Peter Struck, sprach von einem "schlimmen Schmierentheater".
Die CDU-Ministerpräsidenten des Saarlands, Peter Müller, und Hessens, Roland Koch, hatten zuvor unterschiedliche Angaben über das Verhalten der Union im Bundesrat gemacht. Koch, der sich unmittelbar nach der Entscheidung scharfe Wortgefechte mit Bundesratspräsident Klaus Wowereit (SPD) geliefert hatte, wies den Vorwurf, seine Empörung sei inszeniert gewesen, zurück. "Bis zu der Sekunde, in der es passiert ist, habe ich es nicht für möglich gehalten, dass Herr Wowereit wirklich die Verfassung bricht", sagte Koch.
Wowereit hatte das Votum Brandenburgs in der Länderkammer als Zustimmung bewertet, obwohl Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) und Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) unterschiedlich gestimmt hatten.
Der saarländische Regierungschef Müller hingegen räumte ein, dass die Empörung nicht spontan war. "Die Empörung haben wir verabredet", gab Müller offen zu.
Legitimes Theater
Der vermeintliche Eklat in der Länderkammer sei zwar ein Theater gewesen, es habe sich aber um ein legitimes Theater gehandelt, so Müller. CSU-Generalsekretär Thomas Goppel bestätigte in der ARD die Aussage Müllers: "Wir haben am Abend zuvor gewusst, morgen wird die SPD ein großes Theater inszenieren." Und so habe man sich eben vorbereitet.
Bei der früheren Bundestagspräsidentin und Leiterin der Zuwanderungskommission der Bundesregierung, Rita Süssmuth (CDU), stieß das Verfahren im Bundesrat auf Kritik. "Wer das Verfahren im Bundesrat mitverfolgt hat, der kann zumindest soviel sagen, dass keine der Seiten vor überraschenden Situationen mit ihren Entscheidungen gestanden haben und alle auf unterschiedliche Szenarien sehr wohl vorbereitet waren," sagte Süssmuth am Montag im Deutschlandfunk. Politik habe zwar immer Inszenierungszeichen, die Frage sei nur, welche Glaubwürdigkeit man vor den Menschen behalte. Zugleich bedauerte sie, dass sich durch die Diskussion über das Gesetz der Ton gegenüber Ausländern verschärft habe.
Quelle: ntv.de