Politik

Transrapid kommt nicht Alle wundern sich

Der Münchner Transrapid wird nicht gebaut. Das CSU-Prestigeprojekt war erst Ende September 2007 kurz vor dem Rückzug des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber vereinbart worden. Damals hatte Stoiber vom "endgültigen Durchbruch" für den Transrapid gesprochen. Endgültig ist jetzt das Aus.

Wahrscheinlich bedeutet die Entscheidung gegen den Bau der Münchner Strecke sogar das Ende aller Pläne für einen kommerziellen Betrieb der Transrapid-Hochtechnologie in Deutschland. Rund zweieinhalb Milliarden Euro haben Staat und Industrie in die Technologie in den letzten Jahren investiert. Ergebnis: Weltweit wird eine einzige kommerzielle Strecke betrieben, seit 2004 in China. Pläne für Transrapid-Projekte in Deutschland scheiterten regelmäßig an den Kosten, darunter eine Trasse von Berlin nach Hamburg und ein "Metrorapid" im Ruhrgebiet.

3,4 statt 1,85 Milliarden Euro

Die Entscheidung für das Aus wurde nach einem Krisentreffen in Berlin verkündet, an dem neben Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) und dem bayerischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein (CSU) auch Vertreter des Transrapid-Firmenkonsortiums teilnahmen. Tiefensee und Beckstein teilten mit, die Unternehmen hätten kurzfristig den Kostenrahmen von 1,85 Milliarden Euro auf rund 3,4 Milliarden Euro heraufgesetzt. Weder der Bund noch Bayern sehe sich in der Lage, das zu bezahlen.

Stoiber zeigte sich verwundert über die Kostenexplosion. "Nahezu eine Verdoppelung der Kosten in sechs Monaten ist doch sehr ungewöhnlich", heißt es in einer Mitteilung des CSU-Ehrenvorsitzenden. Stoiber fordert darin, die Grundlage der Koalitionsvereinbarung nicht zu verlassen. Die für den Transrapid vorgesehenen Bundesmittel von knapp einer Milliarde Euro müssten auf jeden Fall in Hochtechnologieprojekte investiert werden - und dies wie bisher beabsichtigt vor allem in Bayern.

Beckstein stellte allerdings klar, die Bundesmittel stünden nicht für andere Projekte im Freistaat zur Verfügung. "Dass Geld ist weg." Er wolle die vom Land bereitgestellten 490 Millionen Euro für andere Hochtechnologieprojekte im Land einsetzen.

Konsortium spielt Schwarzer Peter

Erstaunlich die Begründung der beteiligten Konzerne: Siemens-Chef Peter Löscher sagte, die Firmen hätten den zugesagten Kostenrahmen nicht halten können. Es seien nicht die Kosten der Systemhersteller - also Siemens und ThyssenKrupp -, die explodiert seien, sondern die Baukosten.

Der federführende Baukonzern Hochtief erklärte seinerseits, er sei an der früheren Schätzung nicht beteiligt gewesen. Höhere Anforderungen an das Projekt, etwa beim Lärmschutz, hätten die Preise nach oben getrieben. Hinzu kämen stark gestiegene Preise für Roh- und Baustoffe wie Kupfer, Stahl und Zement. Auch Kostensteigerungen in den kommenden Jahren habe man bei der aktuellen Einschätzung, die seit November 2007 mit hohem Aufwand erarbeitet worden sei, bereits einbezogen.

SPD, Grüne, Naturschützer und andere Kritiker hatten früh Zweifel geäußert und das Projekt von Anfang an als überflüssig und zu teuer eingestuft. Auch die SPD-regierte Stadt München lehnt das Vorhaben ab. Der Bund hatte immer klargestellt, dass er nicht mehr als 925 Millionen Euro bereitstellen werde.

Häme für die CSU

Von der Landtags-Opposition in Bayern wurden Beckstein und CSU-Chef Erwin Huber mit Häme überschüttet. "Das Katastrophen-Tandem Beckstein und Huber ist bis auf die Knochen blamiert", sagte Bayerns SPD-Fraktionschef Franz Maget. "Schlimmer kann es eigentlich nicht kommen." Huber, Beckstein und Stoiber trügen die Verantwortung dafür, dass viele Millionen Euro Steuergelder verschleudert worden seien.

Das Aus für das Prestige-Projekt könnte weiter am Lack der CSU kratzen: Die Partei-Spitze, die ohnehin unter Druck steht, bemüht sich derzeit intensiv, bis zur Landtagswahl im September Stimmung für sich zu machen. So hatte die Partei nur zehn Tage nach der Schlappe bei der Kommunalwahl Anfang März ihren ersten Rückzieher vollzogen und das Rauchverbot in Festzelten ausgesetzt. Mit dem jüngsten Vorstoß konnte sich CSU-Chef Huber nicht durchsetzen: Sein Ansinnen, zur alten Pendlerpauschale zurückzukehren, wies die Bundesregierung umgehend zurück. Für Steuersenkungen sei kein Geld da.

Auf der Suche nach Plan B

Die bayerische Landesregierung will nun erst einmal ein weiteres Gutachten in Auftrag geben, um eine verbesserte Verkehrsanbindung des Münchner Flughafens an die Innenstadt zu prüfen. Bislang gebe es "keinen Plan B", sagte Beckstein. Wirtschaftsministerin Emilia Müller (CSU) solle in einigen Wochen oder Monaten eine entsprechende Studie vorlegen. Müller sagte, eine Express-S-Bahn scheide wegen deutlich zu hoher Kosten "für uns aus". Nach dem Scheitern der Transrapid-Trasse stehe man nun "wieder am Anfang".

"Sektkorken knallten zu früh"

Tiefensee und Beckstein zeigten sich schockiert, dass die Industrie ihre Kostenschätzungen vom September 2007 so massiv heraufgesetzt hatte. "Es hat keinerlei ernsthafte Erklärung, die mich zufriedengestellt hat, gegeben", kritisierte Beckstein. Tiefensee sagte: "Im September haben offenbar die Sektkorken zu früh geknallt." Er selbst sei von Anfang an skeptisch gewesen.

Die Magnetbahn sollte ab 2014 zwischen der Münchener Innenstadt und dem Flughafen auf einer Strecke von knapp 40 Kilometern fahren. Sie hätte damit die Fahrzeit zwischen Deutschlands zweitgrößtem Flughafen und Deutschlands zweitgrößtem Hauptbahnhof von 45 auf zehn Minuten verkürzt.

Beckstein befand, dies sei "ein schlechter Tag für den Industriestandort Deutschland" und kritisierte, das deutsche Industriekonsortium habe "jenseits der Realität" liegende Kostenvoranschläge vorgelegt. "Exportweltmeister wird man nicht damit, dass man Technik hat, die die Chinesen weiterentwicklen, und wir dann eine Lizenz von den Chinesen vielleicht bekommen."

Mehdorn "überrascht und enttäuscht"

Die Deutsche Bahn äußerte sich "überrascht und enttäuscht". "Der Standort Deutschland hat damit ein wichtiges Leuchtturmprojekt verloren", sagte Bahn-Chef Hartmut Mehrdorn. Eine klassische S-Bahn in der Isar-Metropole könne keinen gleichwertigen Ersatz in absehbarer Zeit bieten.

Dagegen begrüßte Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD), dass das "Märchen von der Finanzierbarkeit" der Strecke zusammengebrochen sei. Er sprach von einem "guten Tag" für die Münchener Bevölkerung. Der Bund für Umwelt und Naturschutz sieht die Natur und den Klimaschutz als Gewinner der Entscheidung.

Quelle: ntv.de

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