Die Aufholjagd beginnt Alles neu in der SPD
08.09.2008, 16:57 UhrDer SPD-Vorstand hat Franz Müntefering als neuen Parteichef und Frank-Walter Steinmeier als Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl 2009 nominiert. Er soll sich auf einem Sonderparteitag am 18. Oktober in Berlin als Nachfolger von Kurt Beck zur Wahl stellen. Müntefering kündigte seine erneute Kandidatur für den Bundestag an.
Steinmeier machte nach der Sitzung der Gremien deutlich, dass es derzeit keine Veränderungen im Bundeskabinett und an der Parteispitze geben werde. Beide Politiker riefen die SPD eindringlich zur Geschlossenheit auf. Man werde einen großen Wahlkampf führen. Die Partei beginne jetzt mit der Aufholjagd.
Hin zur Agenda-Politik
Zuvor hatten Vertreter des linken Flügels vor einer Rückkehr zur Agenda-Politik unter Müntefering und Steinmeier gewarnt. Partei-Vize Andrea Nahles forderte ein "Bekenntnis des neuen Führungsduos zu einer politischen Linie, mit der sich die ganze Partei einverstanden erklären kann". Präsidiumsmitglied Ralf Stegner betonte in Anspielung an Ex-Kanzler Gerhard Schröder, die SPD sei keine "Kommandopartei" und sehne sich nicht nach einer "Basta"-Führung zurück. Eine Abkehr von den Beschlüssen des Hamburger Parteitags dürfe es nicht geben, forderte er.
Jetzt wird alles anders
"Ich bin zuversichtlich, dass wir zu neuer Stärke finden", erklärte Nahles bei n-tv. "Ab heute wird alles anders. Ich glaube tatsächlich, dass die SPD objektiv schwierige Situationen hatte mit Entscheidungen, wie die Partei mit der Linkspartei umgehen soll." Das sei aber mit dem Beschluss, eine Zusammenarbeit den Ländern zu überlassen, entschieden. "Jetzt kann es eigentlich nur nach vorne gehen."
Machtbalance kippt
Mit Becks Rücktritt verschiebt sich die innerparteiliche Machtbalance. Beck hatte mit Unterstützung der Parteilinken beim Hamburger Parteitag im vergangenen Jahr eine moderate Abkehr vom Reformkurs der "Agenda 2010" eingeleitet. Zugleich hatte er die Partei gegen erheblichen Widerstand zur Linkspartei geöffnet, indem er den Landesverbänden freie Hand für eine Zusammenarbeit gab. Mit Steinmeier und Müntefering sitzen nun gleich zwei der Galionsfiguren der Reformpolitik aus der Ära Schröders an den Schlüsselstellen, was im linken Flügel für Misstrauen sorgt.
Lachendes und weinendes Auge
Nach dem Abgang Becks wittern die Sozialisten die Chance, sich als die alleinigen Hüter der sozialen Gerechtigkeit profilieren zu können. "Im Sinne der Parteienkonkurrenz wird die Situation für uns einfacher", sagte Linkenchef Oskar Lafontaine. Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch ergänzte: "Mit Franz Müntefering kommt derjenige zurück, der für die Rente mit 67 steht. Frank-Walter Steinmeier ist der Autor der Agenda 2010." Nach Bartschs Ansicht stehen die Zeichen nach dem Führungswechsel bei der SPD "nicht unbedingt auf Rot-Rot". Die derzeitige Entwicklung bei den Sozialdemokraten werde am Schluss "den Neoliberalen in CDU/CSU und FDP" nutzen, lautet seine Prognose.
Freie Hand den Ländern
Ungeachtet des Führungswechsels verfolgt Hessens Landeschefin Andrea Ypsilanti weiter ihr Vorhaben einer geduldeten Minderheitsregierung. Sie sieht keine Auswirkungen auf ihre Sondierungen mit Grünen und Linken. "Wir sind auf gutem Weg", gibt sich die SPD-Landeschefin zuversichtlich. Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) schloss eine Zusammenarbeit mit den Linken bei der Bundestagswahl 2009 aus. "In den Ländern ist es klar, da müssen die Länder verhandeln, ob es inhaltlich geht oder nicht", sagte er n-tv.
Im Bund dürfe die Linke nicht mitregieren, "weil sie den Menschen bewusst völlig unrealistische Versprechungen macht", hatte Steinmeier vor Kurzem klargestellt. Auch Müntefering erteilte einer Zusammenarbeit mit der Partei Die Linke im Bund eine klare Absage: "Definitiv, endgültig nicht", sagte er auf eine entsprechende Frage bei der Pressekonferenz am Montag in Berlin.
Höchst unliebsam ist Steinmeier das Thema Hessen ebenso wie die Tatsache, dass sich die SPD-Präsidentschaftskandidatin Gesine Schwan im Mai von den Linken mitwählen lassen will. Juso-Chefin Franziska Drohsel warnte indes die Bundesspitze davor, Ypsilanti bei ihrem Streben nach der Macht in den Rücken zu fallen. Müntefering hatte sich allerdings schon vor einem Jahr, lange vor der Hessen-Wahl, dafür ausgesprochen, den Landesverbänden auch im Westen freie Hand zu lassen. Das Paradoxe daran: Damals hatte sich Kurt Beck noch gegen ein Zusammengehen mit der Linkspartei in den alten Ländern ausgesprochen.
Quelle: ntv.de