Mehr Geld für den Staat? Alles nicht so gemeint
02.12.2002, 14:53 UhrNach dem Wirbel um die Aussagen von SPD-Fraktionschef Franz Müntefering zur rot-grünen Steuerpolitik bemüht sich die Bundesregierung um Schadensbegrenzung. Das Bundesfinanzministerium teilte mit, an einer Erhöhung der Mehrwertsteuer werde nicht gearbeitet. Bundeskanzler Gerhard Schröder erteilte weiteren Steuererhöhungen eine Absage. Am Abend kündigte Schröder zudem eine Senkung der Steuersätze an.
Schröder sagte, die Kakophonie, die auch in den eigenen Reihen laut geworden sei, sei der Regierungspolitik "absolut unzuträglich". Dies habe er im Präsidium in einem Hinweis festgestellt, "der an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ".
Der so gerügte Müntefering sagte, seine Äußerungen hätten sich auf die Wiedereinführung der Vermögensteuer bezogen. Auch er sei gegen eine höhere Mehrwertsteuer. Müntefering unterstützte allerdings weiter die Initiative zweier SPD-geführter Länder, die Vermögensteuer neu zu beleben und die Einnahmen ins Bildungssystem zu stecken.
Dem "Tagesspiegel" hatte Müntefering gesagt: "Weniger für den privaten Konsum - und dem Staat Geld geben, damit Bund, Länder und Gemeinden ihre Aufgaben erfüllen können."
Regierungssprecher Bela Anda betonte, damit sei weder ein Aufruf zur Kaufzurückhaltung gemeint noch irgendeine Steuererhöhung. Ein Draufsatteln bei der Mehrwertsteuer sei nicht vorgesehen. Müntefering habe lediglich darauf verweisen wollen, dass der Staat dafür sorgen müsse, genügend Geld zu haben, um handlungsfähig zu sein. Ihm sei es nicht "um die Schwächung des Konsums" gegangen.
Grüne gehen auf Distanz
Davon sind die Grünen offenbar nicht überzeugt. Parteichefin Claudia Roth sagte, Kaufzurückhaltung sei vor Weihnachten "der falsche Begriff". Es müsse darum gehen, "die Binnenkonjunktur anzukurbeln". Sie fügte hinzu: "Wir können Müntefering in der Äußerung des Konsumverzichts nicht unterstützen."
"Alle Sicherungen durchgeknallt "
Als "absolut verantwortungsloses Handeln" kritisierte der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels die Äußerungen Münteferings. "Wir sind fassungslos", sagte Verbandssprecher Hubertus Pellengahr. "Da sind alle Sicherungen durchgeknallt."
Die SPD wolle den "totalen Umverteilungsstaat, in dem den Bürgern alles genommen und dann entschieden wird, wem man was zurückgibt". Ausgerechnet zu Beginn des Weihnachtsgeschäfts Kaufzurückhaltung zu empfehlen, zeuge von völligem ökonomischen Unverständnis.
Scharfe Kritik kam auch von der Opposition. CDU-Chefin Merkel nannte die Äußerung Münteferings eine "perverse Vorstellung dessen, was die Aufgaben des Staates sind. Der Staat hat dem Bürger zu dienen". FDP-Wirtschaftssprecher Rainer Brüderle sagte, wer Bürger und Unternehmen weiter schröpfen wolle, habe den Ernst der Lage nicht begriffen.
Quelle: ntv.de