Politik

64. Generaldebatte der UNO Amerika zum Neuanfang bereit

US-Präsident Obama ruft in seiner ersten Rede vor der UN-Vollversammlung die Weltgemeinschaft zu einer neuen Ära der Zusammenarbeit auf. Für einen Eklat sorgt der libysche Revolutionsführer Gaddafi, der dem Sicherheitsrat Terrorismus vorwirft und die UN-Charta zerreißt. Frankreichs Präsident Sarkozy fordert eine Reform des Sicherheitsrats und verlangt dabei auch einen ständigen Sitz für Deutschland.

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Die USA wollen ein neues Kapitel der internationalen Zusammenarbeit aufschlagen.

(Foto: AP)

Die Welt braucht angesichts der vielen globalen Probleme nach den Worten von US-Präsident Barack Obama einen Wandel. Die Welt erwarte auch, dass die USA dabei die Führung übernähmen, betonte Obama in New York vor der UN-Vollversammlung.

Er wisse, dass es weltweit viele Erwartungen an seine Präsidentschaft gebe, sagte Obama bei seinem ersten Auftritt vor der UN. Aber es gehe nicht um ihn, sondern darum, die Herausforderungen anzunehmen. Die USA hätten in der Vergangenheit zuweilen unilateral gehandelt; zudem habe es manche Fehlinformationen über die USA gegeben. Das habe auch Antiamerikanismus ausgelöst.

Die Rede Obamas war mit großer Spannung erwartet worden. Der Präsident hatte nach seinem Amtsantritt zugesagt, das jahrelang gespannte Verhältnis der USA zu der Weltorganisation wieder zu verbessern.

Stärkung der Weltgemeinschaft nötig

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UN-Generalsekretär Ban eröffnet die Generaldebatte mit einem Appell an alle Staaten, die Weltgemeinschaft zu stärken.

(Foto: AP)

Zuvor hatte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon mit einem Appell zur Stärkung der Vereinten Nationen die 64. Generaldebatte der Weltgemeinschaft eröffnet. Aktuelle Herausforderungen wie Hunger, Energiekrise, Rezession und Seuchen machten gemeinsames Handeln nötig, sagte Ban vor hochrangigen Vertretern aus allen 192 Mitgliedsländern in New York. "Wenn es je die Zeit gab, im Geist eines neues Multilateralismus zusammenzuarbeiten, dann ist es jetzt."

Der schwedische Ministerpräsident und amtierende EU-Ratspräsident Frederik Reinfeldt begrüßte den Willen der USA, sich wieder stärker in internationalen Organisationen zu engagieren. "Das öffnet die Tür zu einer neuen, vielversprechenden Ära der internationalen Zusammenarbeit."

Der britische Premier Gordon Brown rief zur Schaffung einer wirklichen Weltgesellschaft auf: "Globale Probleme müssen global gelöst werden." Nur durch gemeinsame Aktionen habe das Schlimmste für die Weltwirtschaft verhindert werden können. Auf dem Weg zum Aufschwung sei mindestens so viel Zusammenhalt nötig.

Erneut Diskussion um Sicherheitsrat

Neuen Schwung bekam die festgefahrene Diskussion um eine Reform des Sicherheitsrats. Sarkozy forderte einen ständigen Sitz für Afrika, aber auch für Südamerika, Indien, Japan und Deutschland. Er schlug vor, zumindest bis Ende des Jahres ein vorläufiges Konzept zu beschließen. "Die Legitimität der Vereinten Nationen hängt von dieser Reform ab", sagte Sarkozy.

Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi warnte dagegen vor einer Erweiterung der Zahl der ständigen Mitglieder. Das verstärke bei anderen Ländern nur das Gefühl, ausgeschlossen zu sein.

Um die Erweiterung des 15-köpfigen Gremiums wird seit Jahren gestritten. Die fünf ständigen Mitglieder USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien haben ein Vetorecht, die restlichen zehn Sitze werden alle zwei Jahre neu vergeben.

Ärger mit Gaddafi

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Gaddafi zerreißt wütend die Charta der Vereinten Nationen.

(Foto: AP)

Beim Auftritt des libyschen Revolutionsführers Muammar al-Gaddafi kam es zum Eklat. Gaddafi warf den Vereinten Nationen vor, ihre eigene Charta zu brechen. In der Präambel sei vorgeschrieben, dass alle Länder unabhängig von ihrer Größe gleichberechtigt seien, sagte Gaddafi. Dennoch seien die meisten Staaten nicht im fünfzehnköpfigen Sicherheitsrat vertreten, die fünf Vetomächte hätten das alleinige Sagen. "Das akzeptieren wir nicht, und das erkennen wir nicht an", sagte er sichtlich erregt, hielt ein Exemplar der Charta hoch und zerriss einige Seiten. "Er sollte nicht Sicherheitsrat heißen, er sollte Terrorrat heißen",  wetterte der Revolutionsführer.                           

Vor der Rede des Libyers brach Unruhe aus; viele Delegierte verließen den Raum. Versammlungsleiter Ali Treki versuchte mehrfach vergeblich, mit lautem Klopfen für Ruhe zu sorgen. Erst nach fast zehn Minuten erhob sich Gaddafi und schritt sichtlich verärgert ans Rednerpult. Ihn empfing schwacher Applaus. Sein unmittelbarer Vorredner, US-Präsident Obama, war mit großem Beifall bedacht worden.

Dennoch war er voll des Lobes für Obama. "Wir wären glücklich, wenn Obama für immer Präsident von Amerika bleiben könnte", sagte Gaddafi, der selbst seit 40 Jahren im Amt ist. "Sie sind der Beginn eines Wandels", lobte Gaddafi, der seine Redezeit von 15 Minuten weit überzog und mehr als anderthalb Stunden lang sprach. Obama hatte 40 Minuten geredet.

Boykottaufruf gegen Ahmadinedschad

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Ahmadinedschad inmitten der iranischen Delegation während der UN-Vollversammlung.

(Foto: AP)

Gegen eine Rede des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad (gegen 24.00 Uhr MESZ) hatte es bereits im Vorfeld Proteste gegeben. Israel hatte zum Boykott aufgerufen. Staatspräsident Schimon Peres nannte den iranischen Präsidenten "einen der bösartigsten und schlimmsten Menschen der Gegenwart". Ahmadinedschad hatte erst kürzlich erneut den Holocaust geleugnet. Deutschland bereitet eine harte Reaktion auf mögliche antisemitische Äußerungen Ahmadinedschads vor.

Lösung nur gemeinsam

Obama betonte in seiner Rede eindringlich, die Welt könne ihre großen Probleme nur gemeinsam lösen. Mit Blick auf seinen Amtsvorgänger George W. Bush lehnte er weitere Alleingänge der USA ab. Er betonte stattdessen die gemeinsame Verantwortung aller Länder. "Diejenigen, die Amerika stets gescholten haben, weil es allein in der Welt handelte, können jetzt nicht abseitsstehen und abwarten, dass Amerika die Probleme der Welt alleine löst."

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Die erste Rede von US-Präsident Obama vor der UN-Vollversammlung war mit Spannung erwartet worden.

(Foto: REUTERS)

Obama forderte eine "globale Verantwortung für globale Herausforderungen". Bisher sei die Weltgemeinschaft nicht in der Lage gewesen, ihrer Verantwortung voll gerecht zu werden. Die USA hätten auf vielen Feldern die Initiative übernommen und manche Erfolge erzielt. Dennoch sei es noch ein langer Weg. Der US-Präsident betonte, dass es keinen Frieden und Wohlstand in der Welt geben könne, wenn ein Land ein anderes dominiere. Keine Weltordnung könne funktionieren, wenn ein Land die Macht über ein anderes anstrebe.

Keine Weiterverbreitung von Atomwaffen

Als eine der wichtigsten Aufgaben bezeichnete es Obama, die Weiterverbreitung von Atomwaffen zu verhindern. Falls dies nicht gelingen sollte, werde es in verschiedenen Regionen der Welt einen weiteren Rüstungswettlauf geben. Außerdem könnten Atomwaffen in die Hände von Terroristen fallen. Iran und Nordkorea sollten sich den Forderungen der internationalen Gemeinschaft anschließen. Das Terrornetzwerk Al-Kaida müsse weiter verfolgt werden, sagte Obama. Die USA würden es nicht dulden, dass die Terroristen sichere Rückzugsgebiete in Pakistan unterhalten.

Reiche sollen abgeben

Obama forderte die wohlhabenden Länder auf, ihre Märkte stärker zu öffnen. Es müsse ein ausgeglichenes und nachhaltiges Wachstum in der Welt geben. Die USA würden zusammen mit den wichtigsten Volkswirtschaften daran arbeiten, die Nachfrage wieder anzukurbeln. Darauf werde er beim G20-Gipfel in Pittsburgh dringen. Zugleich forderte der US-Präsident eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte.

Demokratie nicht von außen aufzwingen

Weiter sagte Obama unter Beifall, dass er als eine seiner ersten Amtshandlungen ein Ende von Folter angeordnet habe. Auch habe er beschlossen, das weltweit kritisierte US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba zu schließen. Zugleich habe er den Abzug aller US-Kampftruppen aus dem Irak für das kommende Jahr angeordnet.

Amerika werde niemals aufhören, für das Recht der Völker einzutreten, ihr eigenes Schicksal zu bestimmen. Zugleich sagte Obama aber auch: "Demokratie kann keiner Nation von außen aufgezwungen werden." Er räumte ein, dass Amerika in der Vergangenheit mitunter einseitig gehandelt habe. "Ebenso wie kein Land gezwungen sein sollte, die Tyrannei einer anderen Nation zu ertragen, sollte auch kein Bürger die Tyrannei seiner eigenen Regierung ertragen müssen."

"Zwei-Staaten-Lösung" Ziel in Nahost

Im Nahen Osten mahnte Obama weitere Fortschritte an. "Die Zeit ist gekommen, um wieder Verhandlungen zu beginnen" – und zwar ohne jegliche Vorbedingungen. Eindeutig stellte er sich auf die Seite einer "Zwei-Staaten-Lösung", bei der Israel und Palästina friedlich nebeneinander leben. Palästina müsse die Existenz Israel anerkennen. Die fortgesetzte Siedlungspolitik Israels sei nicht legitim.

Mehr tun gegen Klimawandel

Obama forderte energische Schritte gegen den Klimawandel. "Die Gefahr durch den Klimawandel kann nicht geleugnet werden." Auch Amerika werde handeln und im eigenen Land den Ausstoß von Treibhausgasen verringern. Beim UN-Klimagipfel in Kopenhagen im Dezember müssten sich aber alle Länder bewegen.

USA zum Neuanfang bereit

Obama betonte zum Abschluss seiner Rede, Amerika sei zu einem Neuanfang bereit. "Wir sind an einem entscheidenden Augenblick angelangt. Die Vereinigten Staaten stehen bereit, ein neues Kapitel der internationalen Zusammenarbeit zu beginnen - ein Kapitel, das die Rechte und die Verantwortung aller Nationen akzeptiert."

Quelle: ntv.de, hdr/dpa/rts/AFP

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