"Keinen Cent den Gläubigern!" Anarchisten: Nichts zurückzahlen
08.08.2012, 17:45 Uhr
Auch die Sitzordnung beim Anarchistentreffen scheint eher grob strukturiert.
(Foto: AP)
Die Finanzkrise beschert dem Anarchismus neue Popularität. Bei einem Welttreffen in der Schweiz fordern einige seiner führenden Vertreter nun radikale, aber gewaltfreie Maßnahmen. Dazu gehören ziviler Ungehorsam und Massenstreiks.
Wenn kein Land mehr seine Schulden bezahlt, wäre es nach Ansicht führender Anarchisten bald vorbei mit der Schuldenkrise. "Keinen Cent den Gläubigern!", forderte Aristid Pedraza, einer der Vordenker der Anarchistischen Internationalen Föderation (AIF) zum Auftakt des "Welttreffens des Anarchismus" in der Schweiz. Weder Bundeskanzlerin Angela Merkel, noch ihre Amtskollegen in Spanien, Mariono Rajoy, und Frankreich, François Hollande, hätten brauchbare Antworten auf die Schuldenkrise.
Dauerhaft könnten derartige Krisen des Kapitalismus nur durch "libertären Kommunismus ohne Klassenschranken" überwunden werden, fügte AIF-Mitstreiter Fred Gautheron hinzu. Dafür müssten sich die "unterdrückten Arbeiter solidarisch zusammenschließen und gewaltfrei kämpfen". Als Möglichkeiten nannte er Massenstreiks und zivilen Ungehorsam.
Deutsche sind stark vertreten
Zu dem internationalen fünftägigen Treffen werden nach Angaben der AIF bis zum Sonntag insgesamt rund 3000 Teilnehmer und Besucher aus zahlreichen Ländern erwartet, unter ihnen Aktivisten der Stark vertreten sind auch deutsche Gruppen, unter ihnen Anarchisten, die immer wieder in Berlin und anderen Großstädten Proteste organisieren. Sie verlangten "sicherheitshalber" von Reportern, nicht fotografiert zu werden und nannten in Gesprächen keine Nachnamen.
Anlass für die Zusammenkunft in der Schweiz ist ein Jubiläum: Vor 140 Jahren trafen sich in einem Gasthof in Saint-Imier anarchistische Gegner der Internationale von Karl Marx und Friedrich Engels. Sie riefen bei ihrem "Weltkongress" 1872 die Antiautoritäre Internationale aus. In der Arbeiterbewegung blieben Anarchisten stets eine Minderheit. Weithin wird aber anerkannt, dass sie lange vor dem Stalin-Kult und den Gulags in der Sowjetunion vor den Gefahren eines autoritären Sozialismus gewarnt hatten.
Nur die Liebe zählt
In Saint-Imier wolle man über "diverse Wege des Widerstands" debattieren und Erfahrungen austauschen, erklärte Mitorganisator Michel Némitz. Gewalt werde dabei von der AIF grundsätzlich abgelehnt, betonte Pedraza. Die Organisation hat gemäß ihrer antiautoritären Grundsätze keine Vorsitzenden oder Führungshierarchien. "Nicht Gewalt", sagte Pedraza, "sondern die Liebe ist der wichtigste revolutionäre Faktor."
Das Interesse an anarchistischem Gedankengut habe auch infolge der europäischen Schuldenkrise wieder deutlich zugenommen. Einerseits seien "marxistische Illusion angesichts der kommunistischen Diktaturen dahingeschmolzen", andererseits "taumelt der Kapitalismus von Krise zu Krise" und biete keine Lösung für gesellschaftliche Probleme.
Quelle: ntv.de, dpa