Staatsdemo in Belgrad Angriff auf Botschaften
21.02.2008, 19:59 UhrRund 200.000 Serben haben in Belgrad gegen die Unabhängigkeit Kosovos demonstriert. Am Rande der Kundgebung steckten mehrere tausend Randalierer die US-Botschaft in Brand, demolierten die kroatische Vertretung und beschädigten die Gebäude der Botschaften von Großbritannien und der Türkei. Nach Polizeiangaben wurden etwa 100 Menschen verletzt.
Auch die deutsche diplomatische Vertretung wurde angegriffen. Fensterscheiben gingen zu Bruch, berichteten Augenzeugen. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin bestätigte, dass Sachschaden entstand. Es seien aber keine Demonstranten in das Gebäude eingedrungen.
Die meist jugendlichen Gewalttäter raubten zwei ausländische Bankfilialen aus und plünderten ein Kaufhaus. Ein amerikanisches Hamburgerrestaurant wurde verwüstet. Im gesamten Zentrum brannten Müllcontainer, zahlreiche Kioske wurden kurz und klein geschlagen. Wenigstens zwei Dutzend Autos brannten ebenso wie eine Straßenbahn und fünf Linienbusse. Der öffentliche Nahverkehr wurde eingestellt. In dutzenden Geschäften wurden die Schaufenster eingeschlagen und Waren gestohlen.
Spezialeinheiten der Polizei waren erst mit Verzögerung angerückt. Sie drängten die Randalierer mit massivem Einsatz von Tränengas in die Seitenstraßen ab.
Staatsdemo in Belgrad
Die meisten Teilnehmer an dem friedlichen Protest vor dem serbischen Parlament waren Schüler und Studenten, die ebenso wie viele Beschäftigte extra für diese Demonstration einen freien Tag bekommen hatten. Mit kostenlosen Bussen und Sonderzügen waren die Teilnehmer aus der Provinz nach Belgrad gebracht worden.
"Es gibt keine Macht, keine Drohung und keine Strafe", die Serbien zur Aufgabe seiner ehemaligen Provinz bringen könnte, sagte der serbische Regierungschef Vojislav Kostunica. Er beschuldigte die USA und Europa, sie wollten Serbien zwingen, "seine eigene Erniedrigung zu unterschreiben".
"Triumph der Lügen"
Das Ausland habe "auf dem Territorium Serbiens einen Lügenstaat errichtet", sagte Kostunica. "Ein Lügenstaat ist nichts anderes als der Triumph der Lügen über Recht und Wahrheit" und "in einem Lügenstaat muss alles lügenhaft sein: Das Gesetz, die Grenzen, die Nationalfahne, die Geografie und die Geschichte."
"Ich verspreche Gott, dass wir keine Ruhe geben, bis das Kosovo wieder unter serbischer Kontrolle ist", versprach der Ultranationalist Tomislav Nikolic. "Nicht einmal Hitler konnte uns das Kosovo nehmen und das können die heute auch nicht", sagte der Oppositionsführer, der vom "größten Protest" sprach, "den Serbien je gesehen hat". Staatspräsident Boris Tadic war kurzfristig zu einem Staatsbesuch nach Rumänien gereist, um nicht mit Nikolic auftreten und den extremen Nationalisten damit politisch salonfähig machen zu müssen.
In Mitrovica im Norden des Kosovos demonstrierten am Donnerstag ebenfalls mehrere tausend Serben. Hunderte serbischer Kriegsveteranen blockierten eine Zeit lang den Grenzübergang Merdare zwischen Serbien und dem Kosovo.
Deutschland will Kosovo bewaffnen
Die Bundesregierung dringt im unabhängigen Kosovo auf einen raschen Aufbau von Streitkräften. Verteidigungsminister Franz Josef Jung sagte beim Treffen mit seinen EU-Kollegen im slowenischen Brdo: "Das heißt, dass dann das Kosovo selbst in der Lage ist, für seine Sicherheit zu sorgen." Deutschland werde beim Aufbau der sogenannten Kosovo Security Force gemeinsam mit den NATO-Partnern helfen. "Da sind wir in der Abstimmung." Ernste Sicherheitsprobleme sieht der Minister in der ehemals serbischen Provinz nicht. "Insbesondere durch die Unterstützung der KFOR hat man die Lage im Griff." Jung war zuvor in der Kosovo-Hauptstadt Pristina mit der Führung des Landes zusammengekommen.
Der ehemalige finnische UN-Vermittler Martti Ahtisaari hatte in seinem Plan für ein unabhängiges Kosovo vorgeschlagen, Streitkräfte mit 2500 Soldaten plus 800 Mann Reserve aufzubauen. "Herr Ahtisaari hatte sechs Monate dafür in Betracht gezogen", sagte Jung. "Aber ich glaube, wir brauchen dort noch ein Stück längere Zeit und Atem." Derzeit sei es unabdingbar, dass die 16.000 Mann starke von der NATO geführte KFOR-Truppe in dem Land bleibe. "KFOR hat für Stabilität gesorgt", sagte Jung. "Wir brauchen weiterhin den Einsatz von KFOR. Ich kann jetzt nicht sagen, dass es eine besondere Bedrohungslage gibt."
Quelle: ntv.de