Politik

Botschafter flieht in Nacht und Nebel Angriff in Kairo erschüttert Israel

Ein Ägypter entfernt die israelische Flagge.

Ein Ägypter entfernt die israelische Flagge.

(Foto: dpa)

Die angespannten Beziehungen zwischen Ägypten und Israel stehen vor einer neuen Belastungsprobe: In Kairo greifen Demonstranten die israelische Botschaft an. Der Botschafter muss ausgeflogen werden, ein Sonderkommando rettet sechs israelische Wachleute.

Der Sturm auf die Botschaft in Kairo hat für Aufregung in Israel gesorgt. Alle israelischen Diplomaten in Kairo sowie ihre Familienangehörigen sind in der Nacht heimlich evakuiert und nach Israel ausgeflogen worden. Auch der Botschafter hat Ägypten verlassen. "Die Beziehungen zwischen beiden Ländern sind nicht betroffen", ließ der israelische Rundfunk am Morgen verlauten. Die Evakuierung geschah allein zum Schutz der Diplomaten, hieß es, als die geheime Aktion in Israel von der Zensur zur Veröffentlichung freigegeben worden war.

Die aufgebrachte Menge reißt eine Mauer zum Schutz des Gebäudes nieder.

Die aufgebrachte Menge reißt eine Mauer zum Schutz des Gebäudes nieder.

(Foto: REUTERS)

Israels Außenminister Avigdor Lieberman habe die ganze Nacht im Lageraum seines Ministeriums verbracht. Mitten in der Nacht fanden sich auch Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Ehud Barak im Lageraum ein, um die Evakuierung persönlich zu überwachen und um eilige Beschlüsse fassen zu können. Netanjahu telefonierte mit dem amerikanischen Präsidenten Barak Obama, der wiederum mit der ägyptischen Regierung sprach und sie dringend aufforderte, Spezialtruppen zum Botschaftsgebäude zu schicken.

Spezialeinheiten retten Wachleute

Gegen 6 Uhr morgens (Ortszeit) stellte sich heraus, dass sechs israelische Wachmänner noch in der Botschaft im 18. Stock eines Bürohauses festsaßen. Kommandoeinheiten gelangten mit Panzerwagen zur Botschaft und konnten bis zur Botschaftsetage vordringen. Nur noch eine einzige Tür trennte die Demonstranten und die sechs Israelis. Dank Überwachungskameras konnten die israelischen Sicherheitsleute "Blickkontakt" mit dem Lageraum in Jerusalem halten. Einer der Wachleute sagte zu Netanjahau: "Falls es hier zur Katastrophe kommt, bitte ich darum meine Eltern persönlich zu benachrichten und nicht per Telefon." Netanjahu sprach ein Lob aus: "Halte aus. Du bist ein mutiger Junge." Wenige Minuten später entdeckten die ägyptischen Spezialtruppen den verschlossenen Raum, in dem sich die Israelis versteckt hielten. In Zivilkleidung und mit verhüllten Gesichtern gelang es, die Israelis an den Demonstranten vorbei zu den bereitstehenden Panzerwagen zu bringen und zum Flughafen zu fahren, wo schon ein kleines israelisches Flugzeug bereit stand, um die sechs Sicherheitsleute heim zu fliegen. Zuvor hatte Israel eine Boeing 707 nach Kairo geschickt, um die Diplomaten, unter ihnen Botschafter Levanon, und deren Angehörige zu evakuieren.

Wie der israelische Rundfunk berichtete, sei ein Diplomat in Kairo zurückgelassen worden, um mit den Ägyptern direkten Kontakt aufrecht zu erhalten. "Er befindet sich an einem sicheren Ort." Ministerpräsident Netanjahu telefonierte am Morgen mit dem ägyptischen Geheimdienstchef, und bedankte sich für den "mutigen und besonnenen Einsatz" der ägyptischen Spezialtruppen, denen es gelungen war, aus dem von hunderten Demonstranten besetzten Botschaftsgebäude die sechs Wachleute aus Lebensgefahr zu retten.

Einer der Angreifer präsentiert erbeutete Dokumente.

Einer der Angreifer präsentiert erbeutete Dokumente.

(Foto: AP)

Zeitweilig wurde im Laufe der Nacht überlegt, die Botschaft nach Scharm Al Scheich im Süden der Sinaihalbinsel zu verlegen, doch als sich die Ereignisse in Kairo überstürzten, wurde beschlossen, alle Diplomaten nach Israel auszufliegen.

Ex-Botschafter beunruhigt

Der ehemalige israelische Botschafter in Kairo, Zvi Mazel, sagte im Rundfunk, mit dem Sturm auf die israelische Botschaft sei "etwas sehr schlimmes passiert". Der Schutz diplomatischer Vertretungen gehöre zu den wichtigsten Konventionen, die für alle UNO-Mitglieder bindend seien. Neben den Amerikanern seien jetzt auch die Europäer aufgerufen, hierzu eine klare Stellung zu beziehen.

Mazel vermutete, dass der Sturm auf die Botschaft vor allem Ausdruck steigender Unmut unter den säkular ausgerichteten Demonstranten sei. Nichts habe sich wirklich seit dem Sturz von Präsident Mubarak verändert. Wegen interner Machtkämpfe unter den Demonstranten wagten es die an der Macht gebliebenen Militärs unter Feldmarschall Tantawi nicht, dem Aufstand ein Ende zu setzen und die Bevölkerung aufzurufen, mit aller Energie zunächst einmal die schwer angeschlagene Wirtschaft wieder in Gang zu setzen. Durch die mehrfache Sprengung von Erdgasleitungen, unter anderem nach Israel, und durch das Ausbleiben von Touristen habe Ägypten zwei seiner wichtigsten Einnahmequellen verloren.

Die Demonstranten rechtfertigten den Sturm auf das israelische Botschaftsgebäude im Viertel Gizeh mit dem Tod von acht ägyptischen Grenzpolizisten während des Terroranschlags auf der Grenzstraße nahe Eilat am 18. August.

Israel hatte ausdrücklich sein "Bedauern" über den Tod der ägyptischen Grenzpolizisten schon am gleichen Tag ausgesprochen, aber keine "Entschuldigung", weil das in der Diplomatensprache einem Schuldbekenntnis entsprochen hätte. Gleichwohl haben Israel und Ägypten abgesprochen, den ganzen Vorfall gemeinsam zu untersuchen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen