Was passiert, wenn Mubarak geht? Angst und Hoffnung in Israel
11.02.2011, 11:04 UhrIsraels Sicherheit ist in hohem Maße vom Frieden mit Ägypten abhängig. Kein Wunder also, dass die Sorgen um die Zukunft in Israel mit den Händen zu greifen sind – gilt doch der ägyptische Präsident Mubarak als Garant des 1979 geschlossenen Fiedensabkommens.

Das ägyptische Volk geht auf die Barrikaden: Mubarak lehnt einen sofortigen Rücktritt erneut ab.
(Foto: dpa)
"Wenn Husni Mubarak zurücktritt, dann haben wir in Ägypten bald die Moslembruderschaft an der Macht. Dann gibt’s in spätestens fünf Jahren, wenn nicht früher, nicht nur in Ägypten, sondern auch in Jordanien und Syrien, islamistische Regimes an der Macht", sagt mir der Fahrer meines VANs, der mich von Herzliya nach Jerusalem bringt. Der Ex-Chef des gefürchteten israelischen Geheimdienstes Mossad, Efraim Halevy, sieht es anders. Natürlich habe sich die strategische Situation seines Landes verändert, aber es komme darauf an, den Übergang zu einer Demokratie schrittweise zu vollziehen, und dann werde sich auch für Israel kaum etwas ändern. Halevy ist Optimist, mein VAN-Fahrer Jakob das Gegenteil. Jakob war Hubschrauberpilot, als die Israelis 1967 die von der Sowjetunion ausgerüstete ägyptische Luftwaffe am Boden zerstörte.
Mubarak hat dereinst eine Jagdfliegerausbildung in der UdSSR erhalten: das Einzige, das er davon behalten zu haben scheint, ist der Wille, an der Macht zu kleben. Die beste Lösung wäre ein Vizepräsident Omar Suleiman an der Spitze, als Garant des Friedensvertrags, der die Moslembruderschaft in den Übergang zur Demokratie, oder wie immer sie das nennen werden, einbezieht, meint Ronen Bergman, "Spiegel"-Autor und Verfasser eines Buchs über den Mossad, das im nächsten Monat auch in Deutschland erscheint.
Auf der Levi-Eshkol-Allee, der Uferpromenade von Tel Aviv, sitzen zwei ältere Frauen. Sie kommen aus Griechenland respektive der Türkei, sind Jüdinnen. Befragt, wie sie sich fühlen im Lichte der Veränderungen in Ägypten, Tunesien und möglicherweise auch in anderen arabischen Ländern, antworten sie in Latino, der Sprache der 1492 aus Spanien vertriebenen Juden, da kämen vielleicht Menschen an die Macht, die uns nichts Gutes wollen.
Mossad behält sich alle Mittel vor
Ex-Mossad-Chef Halevy sagt mir, was immer von dort kommt, werden wir mit allen Mitteln bekämpfen. Auch mit den sogenannten gezielten Tötungen? Wir behalten uns alle Mittel vor, so die Antwort.
Nachdem kürzlich eine nach Israel und Jordanien führende Erdgasleitung im Norden des Sinai in die Luft gejagt wurde, herrscht zunächst einmal Sorge bei Jakob, meinem VAN-Fahrer und seinen Kollegen, an der Taxi-Haltestelle vor den Luxushotels in Tel Aviv. Aber wir haben gerade im Sinai ein Erdgaslager entdeckt, dessen Vorräte für die nächsten fünfzig bis hundert Jahre reichen. Der Nahe und der Mittlere Osten stehen vor einem Umbruch bislang nie gekannten Ausmaßes. Wenn Ägyptens immer amtierender Potentat Mubarak im Amt bleibt, werden die beiden alten Jüdinnen aus Griechenland und der Türkei vielleicht immer noch an Tel Avivs Uferpromenade sitzen, Jakob, der VAN-Fahrer, wird immer noch auf bessere Spritpreise hoffen, und der einstige Mossad-Chef wird Pläne schmieden.
Doch die Histradut, die Gewerkschaftsdachorganisation Israels, bereitet einen Generalstreik vor. Die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu soll angesichts der gestiegenen Lebenshaltungskoten den landesweit geltenden Mindestlohn um umgerechnet gut zehn Euro zu erhöhen und die Steuern auf Wasser, Benzin und Brot zu senken. Brot! Israel ist mehr der Nahostkonflikt.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de