Kurden-Konflikt Ankara intensiviert den Dialog
05.11.2010, 13:01 UhrAnkara weicht die einst harte Linie im Umgang mit dem auf einer Gefängnisinsel inhaftierten Anführer der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan, auf.

Die türkische Regierung weicht die harte Linie gegen Abdullah Öcalan auf. Der nimmt das Gesprächsangebot ernst.
(Foto: dpa)
Nach seiner Festnahme 1999 galten Gespräche mit PKK-Chef Öcalan als Hochverrat. Er sei als Kopf der PKK für den Separatismus der Kurden und Tausende von Morden an "unschuldigen Babys, Kindern, Frauen und alten Leuten" verantwortlich, hatten Richter geurteilt. Nun ist von einem Dialog die Rede, der womöglich erstmals Züge von Verhandlungen habe, wie türkische Kommentatoren meinen.
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan präsentiert die seit längerem laufenden Gespräche und Treffen von Staatsvertretern mit Öcalan nun als eine ganz normale Angelegenheit. Dies sei nötig, um den Kurden-Konflikt beizulegen. "Es wurde gestern gemacht, heute, es wird morgen gemacht werden. Genau dafür gibt es den Staat", sagte der islamisch-konservative Politiker.
Erste Ergebnisse
Der Dialog hat auch schon Ergebnisse gebracht. So habe Öcalan in einem Brief aus seinem Gefängnis die Verlängerung der einseitig erklärten Waffenruhe der PKK bis zur türkischen Parlamentswahl im kommenden Sommer angeordnet, berichten türkische Zeitungen. Über einen PKK-Mann in Europa wurde der Brief zum PKK-Hauptquartier in die nordirakischen Kandil-Berge geschickt. Öcalan forderte darin auch einen Rückzug von Kämpfern aus der Türkei in den Nordirak.
Die kurdische Politikerin Aysel Tugluk hat Öcalan am Montag auf der Gefängnisinsel Imrali besucht. Auch ein ranghoher Staatsvertreter soll dazu eingeflogen sein. Die PKK-nahe Agentur Firat zitierte Öcalan danach mit der Aussage, dass sich Diskussionen nun Richtung Verhandlungen entwickelten. "Die Staatsbediensteten, die ich hier treffe, sind aufrichtig und ernst zu nehmen", wird er zitiert.
Hoffnung auf friedliche Lösung
So wächst die schon so oft enttäuschte Hoffnung auf eine friedliche Lösung des Kurdenkonflikts. Dazu passt auch die Reaktion der türkischen Regierung auf den Selbstmordanschlag, den ein PKK-Mitglied am Sonntag auf einen Polizeiposten im Zentrum von Istanbul verübt hat. Der türkische Innenminister Besir Atalay und Regierungschef Erdogan warnten vor einer schnellen Beschuldigung. Erst müssten die Hintergründe und Verbindungen des 24-jährigen Attentäters genau untersucht werden.
Vier Tage nach der Tat bekannten sich die "Freiheitsfalken Kurdistans" (TAK), eine Splittergruppe der PKK, zu der Tat. Diese Untergruppe erklärte zugleich, die von der PKK erklärte Verlängerung einer Waffenruhe nicht anzuerkennen. Es werde weitere Anschläge auf türkische Ziele geben. Nun wird sich zeigen, was die Anweisung Öcalans zur Waffenruhe gilt. Unklar ist allerdings auch, ob Erdogan die Forderung der Kurden nach mehr Rechten erfüllen wird.
Nach einer Odyssee war Öcalan, der zuletzt keinen sicheren Aufenthaltsort mehr finden konnte, am 15. Februar 1999 in Kenia gefangen genommen und in die Türkei gebracht worden. Syrien, von wo aus er jahrelang den Kampf gegen die Türkei organisierte, hatte er im Jahr davor verlassen müssen. Seine Verurteilung zum Tode wurde auf internationalen Druck hin in lebenslange Haft umgewandelt. Seine Anhänger verlangen, er müsse als Teil einer Friedenslösung aus der Haft freikommen.
Quelle: ntv.de, Carsten Hoffmann, dpa