Klage ist schon angekündigt Annette Schavan verliert Doktortitel
06.02.2013, 03:12 Uhr
Kann es eine Bildungsministerin ohne Hochschulabschluss geben?
(Foto: picture alliance / dpa)
Während die Bundesbildungsministerin in Südafrika unterwegs ist, fällt in Düsseldorf die Entscheidung, die ihre Karriere beenden könnte: Annette Schavan darf ihren Doktortitel in Zukunft nicht mehr tragen. Die Ministerin kündigt eine Klage an: Das ganze Verfahren sei rechtswidig und fehlerhaft, teilen ihre Anwälte mit.
Die Bundesbildungsministerin Annette Schavan verliert ihren Doktortitel. Der zuständige Fakultätsrat der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf stimmte in einem Plagiatsverfahren für die Aberkennung. Schavan hatte 1980 mit einer Arbeit unter dem Titel "Person und Gewissen" promoviert.
Die Promotionsleistung sei für ungültig erklärt worden, sagte der Ratsvorsitzende Prof. Bruno Bleckmann. Für den Entzug des Doktorgrades hätten zwölf Mitglieder des Rats der Philosophischen Fakultät gestimmt. Außerdem gab es zwei Nein-Stimmen und eine Enthaltung. Der Rat sieht es als erwiesen an, dass Schavan "systematisch und vorsätzlich" gedankliche Leistungen vorgegeben habe, die sie nicht selbst erbracht habe.
Bleckmann sagte, der Rat lehne es ab, an die Arbeit aus dem Jahr 1980 andere Maßstäbe anzulegen als heutzutage. Schavan habe in ihrer schriftlichen Stellungnahme zu der umstrittenen Dissertation auf "Besonderheiten" der Promotionskultur der 80er Jahre hingewiesen. Klar sei, dass die Zitierstandards der Erziehungswissenschaft zum Entstehungszeitpunkt der Arbeit die gleichen gewesen seien wie in der übrigen philosophischen Fakultät. In einschlägigen Leitfäden sei deutlich gemacht, dass nicht gekennzeichnete wörtliche Übernahmen fremder Texte als Textplagiate zu werten seien und Sanktionen nach sich ziehen müssten.
Kanzlei spricht von "fehlerhaftem Verfahren"
Die Anwälte von Schavan kündigten an, Klage vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf einzureichen. Bis das Gericht entschieden hat, darf die Ministerin ihren Titel weiter tragen. Die Entscheidung sei in einem fehlerhaften Verfahren zustande gekommen und auch materiell rechtswidrig, hieß es in einer Erklärung der Rechtsanwaltskanzlei Redeker Sellner Dahs, die Schavan vertritt. Die CDU-Politikerin werde sich an das Gericht wenden, weil die gesetzlich vorgeschriebene Vertraulichkeit des Verwaltungsverfahrens durch mehrfache Information der Öffentlichkeit verletzt worden sei. Ermittlungen zur Feststellung einer Täuschung der Gutachter im damaligen Promotionsverfahren habe es nicht gegeben. Zudem seien Beweisanträge übergangen worden.
Auf der Internetplattform "Schavanplag" waren seit April 2012 Stellen aus dem Werk gesammelt worden, in denen die spätere Ministerin unkorrekt zitiert oder Gedanken anderer Wissenschaftler ohne Kenntlichmachung übernommen hatte. Die Tragweite der Zitierfehler war unter Wissenschaftlern umstritten.
Die CDU-Politikerin räumte ein, dass sie in ihrer Arbeit Fehler gemacht hatte, wehrte sich aber vehement gegen den Vorwurf, bewusst getäuscht zu haben. Sollte sie vor Gericht unterliegen, hat sie keinen Hochschulabschluss mehr: Ein Diplom oder einen Magister hat sie nie erhalten. So lange eine Klage anhängig ist, dürfte sie ihren Titel weiter führen.
CDU sieht "politisch motivierte Kampagne"
Schavan gilt als enge Vertraute von Kanzlerin Angela Merkel. Vor wenigen Tagen war sie als Direktkandidatin ihres Wahlkreises in Ulm für die Bundestagswahl 2013 wiedergewählt worden. Ihr Kreisverband steht auch jetzt hinter Schavan. Die Entscheidung mache endlich den Weg frei für eine rechtliche Prüfung, sagte der Vorsitzende Paul Glökler. "Jetzt kann sie dagegen angehen." Er sei überzeugt, dass seine Parteifreundin ihren Titel am Ende zurückbekomme.
SPD, Grüne und Linke forderten den Rücktritt Schavans. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte der "Welt": "Frau Schavan ist als Wissenschaftsministerin nicht mehr glaubwürdig. Sie muss daraus ihre Konsequenzen ziehen." Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte dem "Tagesspiegel", sie gehe davon aus, dass Schavan "sich und der Wissenschaft die Verlängerung dieser Affäre erspart und ihren Rücktritt erklärt". Die bildungspolitische Sprecherin der Linken, Petra Sitte, hält einen Rücktritt der CDU-Ministerin ebenfalls für unausweichlich. "Wer für Bildung und Forschung zuständig ist, wird immer eine Vorbildrolle einnehmen", sagte sie der "Süddeutschen Zeitung".
Unionsfraktionsvize Michael Kretschmer bezeichnete das Vorgehen der Universität dagegen als "Farce". "Es war von Anfang an ein unfaires Verfahren", sagte er in Berlin. Immer wieder sei mit gezielten Indiskretionen Rufschädigung betrieben worden. Die Standards guter wissenschaftlicher Praxis seien nicht eingehalten worden. Kretschmer kritisierte: "Das Prozedere ist keine wissenschaftliche Überprüfung, sondern eine politisch motivierte Kampagne gegen eine sehr erfolgreiche Bundesforschungsministerin."
Im Jahr 2011 trat Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zurück, nachdem er wegen einer Plagiatsaffäre um seine Dissertation den Doktortitel abgegeben hatte. Auch den FDP-Politikern Silvana Koch-Mehrin und Jorgo Chatzimarkakis wurden wegen Abschreibens ihre Doktortitel aberkannt, beide blieben aber zumindest in einigen ihrer Ämter aktiv.
Quelle: ntv.de, che/dpa/AFP/rts