Reform gegen Ärztemangel Anreize locken aufs Land
08.04.2011, 10:34 Uhr
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Auch in weniger dicht besiedelten Gebieten sollen Patienten künftig wohnortnah einen Arzt finden. Dafür beschließt die schwarz-gelbe Regierungskoalition ein Maßnahmepaket. Junge Ärzte sollen mit Zuschlägen und besseren Arbeitsbedingungen aufs Land gelockt werden. Für die Auswahl zum Medizinstudium wird der Abiturnote weniger Gewicht beigemessen; stattdessen spielen auch andere Kriterien eine Rolle.

Die junge Allgemeinmedizinerin Ursula Hagedorn hat ihre Praxis im schleswig-holsteinischen Niebüll.
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Die Koalition hat sich auf Eckpunkte zum geplanten Gesetz für eine bessere medizinische Versorgung verständigt. In einer mehr als fünfstündigen nächtlichen Schlussrunde einigten sich Union und FDP bei Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) über die letzten Details, sagte ein Ministeriumssprecher. Zuvor hatte Rösler bereits mit den Ländern Kernpunkte vereinbart.
Wegen Nachwuchsmangels könnten auf dem Land künftig bis zu 20.000 Ärzte fehlen. Deshalb sollen junge Ärzte mit Zuschlägen und besseren Arbeitsbedingungen aufs Land gelockt werden.
Vorgesehen sind finanzielle Anreize für Mediziner, die sich in einer unterversorgten Region niederlassen, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf für die Vertragsärzte sowie eine Erhöhung der Zahl der Medizinstudienplätze. Zudem soll sich die Verteilung der Arztsitze stärker am tatsächlichen Bedarf ausrichten. Die Planungsbezirke müssen dabei nicht mehr wie bisher den Stadt- oder Landkreisen entsprechen. Derzeit stehen in den Städten meist zu viele, in dünn besiedelten Landstrichen aber zu wenig Ärzte zur Verfügung.
Insgesamt bekommen die mehr als 140.000 Ärzte in Deutschland 2011 ein Rekordhonorar von 32,5 Milliarden Euro. Rösler will am Vormittag auf einer Pressekonferenz über die Ergebnisse informieren.
Gesetz gilt ab 1. Januar 2012

Günter Voigt ist seit 30 Jahren Landarzt in dem 1000-Seelen-Dorf St. Margarethen. Jeder fünfte Hausarzt in Schleswig-Holstein ist über 60 Jahre alt.
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Die zweite große Gesundheitsreform dieser Legislaturperiode, zu der Gesundheitsminister Philipp Rösler nun einen Gesetzentwurf erarbeiten muss, soll am 1. Januar 2012 in Kraft treten. Unter anderem sollen Ärzte in unterversorgten Gebieten nicht mehr ab einer bestimmten Anzahl von Patienten ein geringeres Honorar erhalten. Vor allem für Landärzte mit hoher Patientendichte ist diese Staffelung von Nachteil.
Auch die Notdienste sollen für den einzelnen Arzt attraktiver werden. So soll es für die Kassenärztlichen Vereinigungen möglich sein, den Bereitschaftsdienst durch die Kooperation mit Krankenhäusern sicherzustellen. Darüber hinaus sollen Ärzte in ländlichen Gegenden stärker durch die Telemedizin entlastet werden. Auch die Residenzpflicht soll gelockert werden: Ärzte müssen in Zukunft nicht mehr zwangsläufig dort leben, wo sie ihre Praxis haben. Sie können dann etwa in der Stadt wohnen, aber auf dem Land tätig sein.
Abi-Note hat weniger Gewicht
Für die Auswahl zum Medizinstudium soll in Zukunft der Abiturnote weniger Gewicht beigemessen werden. Stattdessen sollen auch andere Kriterien eine Rolle spielen, wie etwa ein freiwilliges soziales Jahr oder eine pflegerische Ausbildung. Vorgesehen ist zudem, dass ein bestimmter Anteil der Studienplätze ohne Wartezeit an Bewerber vergeben wird, die bereit sind, nach der Ausbildung in ländlichen Gebieten zu arbeiten.
Bereits vor zwei Tagen hatten sich Bund und Länder auf neue Planungsgrundlagen zur Verteilung der Arztsitze verständigt. Die Vereinbarung soll in das Gesetz einfließen.
Quelle: ntv.de, rts/dpa