Mehr als 60 Tote Anschläge in Algier
11.12.2007, 13:57 UhrBei den blutigsten Anschlägen in Algerien seit einem Jahrzehnt sind mehr als 60 Menschen getötet worden, darunter mehrere UN-Mitarbeiter. Ein Selbstmordattentäter raste nach Augenzeugenberichten mit einem Lastwagen in ein UN-Gebäude im Stadtteil Hydra von Algier. Fast zeitgleich explodierte eine Autobombe in der Nähe des Obersten Gerichtshofs, als ein mit Studenten besetzter Bus vorbeifuhr. Die Anschläge wurden international verurteilt.
Das Extremistennetz El Kaida hat sich auf einer Internetseite zu dem fatalen Doppelanschlag in Algerien bekannt. Der nordafrikanische Ableger der Organisation veröffentlichte am Dienstag Bilder der zwei Selbstmordattentäter mit Waffen in der Hand. Die Echtheit des Bekennerschreibens konnte zunächst nicht von unabhängiger Seite bestätigt werden. Zuvor hatte aber bereits der algerische Innenminister die Vermutung geäußert, mit Sicherheit sei die El Kaida in Nordafrika für die Anschläge verantwortlich.
Im Stadtteil Hydra nahm am Morgen ein Selbstmordattentäter eine größere UN-Niederlassung ins Visier. Nach UN-Angaben stürzte ein Gebäude ein, in dem das Entwicklungsprogramm UNDP untergebracht war. Zudem seien Büros des Flüchtlingshilfswerkes UNHCR schwer beschädigt worden. Fünf UN-Mitarbeiter seien vermutlich ums Leben gekommen, über ein Dutzend Mitarbeiter würden noch unter den Trümmern vermisst, sagte Marie Okabe, Sprecherin des UN- Generalsekretärs, am Abend vor Journalisten in New York.
Teile der Gebäude seien vollkommen zerstört, sagte Okabe. Die Situation vor Ort sei sehr chaotisch. Die UN arbeite gemeinsam mit den algerischen Behörden daran, die Opfer aus den Trümmern zu bergen.
Der Weltsicherheitsrat verurteilte in einer Erklärung die Anschläge und drückte den Opfern und ihren Familien das tiefste Beileid aus. "Mit Worten kann mein Schock, meine Empörung und mein Ärger über den Terroranschlag auf die UN-Mission in Algier heute kaum ausgedrückt werden", sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon.
In dem Viertel haben auch mehrere Botschaften und internationale Unternehmen ihren Sitz. Es war der erste Selbstmordanschlag auf eine UN-Einrichtung seit mehr als vier Jahren. Im August 2003 waren in Bagdad mehr als 20 Menschen getötet worden, als ein Selbstmordattentäter seinen Lastwagen in das dortige UN-Hauptquartier steuerte.
Kurz vor der Explosion in Hydra war in Algier im benachbarten Stadtteil Ben Akoun nahe dem Gebäude des Obersten Gerichtshofs und des Verfassungsrats eine Autobombe explodiert. Der Bus brannte aus. Die meisten Opfer waren nach Angaben des Innenministeriums Studenten, die in dem Bus zur Universität fahren wollten.
In der Umgebung der Anschlagsorte brach Panik aus. In Ben Aknoun befinden sich zahlreiche Schulen und Universitäten. Die Wucht der Explosion war in einem Umkreis von mehreren Kilometern zu spüren. Zahlreiche Schulen wurden evakuiert. Auf den Straßen suchten verzweifelte Eltern nach ihren Kindern. Die Mobilfunknetze brachen zusammen. Das algerische Innenministerium bestätigte zunächst nur 22 Tote.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier bezeichnete die Anschläge als "grausame und feige Taten", die sich gegen die Bemühungen Algeriens um innere Aussöhnung und Befriedung richteten. US-Präsident George W. Bush sprach von "sinnloser Gewalt". Der Angriff auf das Büro der Vereinten Nationen sei "durch Feinde der Menschheit" verübt worden, die es auf Unschuldige abgesehen hätten, sagte Bushs Sprecherin. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy, der Algerien kürzlich besucht hatte, sprach von "barbarischen Taten".
Im algerischen Bürgerkrieg in den 90er Jahren waren etwa 150.000 Menschen ums Leben gekommen. Nach Ende des Kriegs verübten islamistische Gruppen mehrfach tödliche Anschläge. Im September entging Präsident Abdelaziz Bouteflika nur knapp einem Anschlag, bei dem 22 Menschen getötet wurden.
Quelle: ntv.de