Dutzende Tote in Nordindien Anschlag auf "Friedenszug"
19.02.2007, 06:50 UhrFlammenhölle im "Friedenszug": Bei einem Terroranschlag mit Brandbomben auf einen Schnellzug von Indien nach Pakistan sind mindestens 67 Menschen getötet worden. Viele verbrannten bis zur Unkenntlichkeit. Die indische Nachrichtenagentur PTI meldete unter Berufung auf die Polizei, 60 Passagiere seien bei der Explosion von zwei Brandbomben in dem auch "Friedenszug" genannten Express verletzt worden. Mehrere von ihnen schweben noch immer in Lebensgefahr.
Der Anschlag war nach Ansicht der indischen Regierung gegen den indisch-pakistanischen Friedensprozess gerichtet. Die meisten Opfer waren Pakistaner. Der Anschlag ereignete sich einen Tag vor einem Besuch des pakistanischen Außenministers Khurshid Mahmud Kasuri in Indien.
Die Hintergründe des Anschlags auf den Zug von Neu Delhi ins pakistanische Lahore blieben bisher unklar. Der indische Bahnminister Lalu Prasad Yadav sagte nach Angaben von PTI, ein Verdächtiger sei festgenommen worden. Yadav machte Gegner des Friedensprozesses zwischen den Atommächten Indien und Pakistan für den Anschlag rund 100 Kilometer nördlich der indischen Hauptstadt verantwortlich. Er sprach von einem "Terrorakt" wie im Juli vergangenen Jahres in Bombay. In der westindischen Finanzmetropole hatten mutmaßliche muslimische Extremisten, die den Friedensprozess ablehnen, 186 Menschen bei einer Bombenserie in Vorortzügen getötet.
Beileidsbotschaft von Singh
Der indische Premierminister Manmohan Singh nannte den Anschlag in einem Telefonat mit seinem pakistanischen Amtskollegen Shaukat Aziz einen "abscheulichen Terrorakt". Er drückte Aziz sein Beileid für die pakistanischen Opfer aus. Der pakistanische Außenminister Kasuri betonte, er werde wie geplant am Dienstag nach Neu Delhi reisen. Bei dem Gespräch mit seinem indischen Amtskollegen Pranab Mukherjee werde es auch um eine gemeinsame Anti-Terror-Initiative gehen. Indiens Innenminister Shivraj Patil sagte, bei dem Anschlag sei eine "neue Art" von Sprengstoff verwendet worden. Im Zusammenhang mit der Tat gebe es Hinweise, über die er aber wegen laufender Ermittlungen nicht reden könne.
Auch tote Kinder
Der Anschlag ist der erste, der sowohl Inder als auch Pakistaner zum Ziel hatte. Die Leichen vieler Opfer waren bis zur Unkenntlichkeit verkohlt und konnten zunächst nicht identifiziert werden. Zwei Wagen des Samjhauta-Expresszuges brannten völlig aus. Unter den Toten sind auch Kinder. Eine pakistanische Mutter sagte dem Nachrichtensender NDTV, sie habe fünf Kinder in dem Inferno verloren. Nach dem Anschlag entschärften Sicherheitskräfte drei weitere Sprengsätze. Angaben der pakistanischen Regierung zufolge waren unter den 757 Menschen im Zug 553 Pakistaner. Offen blieb, wie die Brandbomben in den Zug gelangen konnten, für den eigentlich strenge Sicherheitsvorkehrungen gelten.
Sicherheitsvorkehrungen verstärkt
Der pakistanische Präsident Pervez Musharraf sagte, solche Anschläge stärkten nur die Entschlossenheit, Frieden zwischen Indien und Pakistan zu schaffen. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft rief die beiden Länder auf, sich weiterer Gewalt entgegenzustellen und den Weg des Dialogs weiter zu verfolgen. Die USA sprachen von einem "mutwilligen Terrorakt". Nach dem Anschlag wurden die Sicherheitsvorkehrungen inNeu Delhi und Bombay verschärft.
Der Samjhauta-Express von Neu Delhi nach Lahore ist eine von nur zwei Bahnlinien, die die um Versöhnung bemühten südasiatischen Staaten verbinden. Wörtlich übersetzt heißt Samjhauta Verständigung, die Bahn ist aber auch als "Friedenszug" bekannt. Die Linie wurde 2004 im Rahmen der indisch-pakistanischen Friedensgespräche wiederbelebt, die vor drei Jahren begannen.
Seit ihrer Unabhängigkeit von britischer Kolonialherrschaft 1947 haben Indien und Pakistan drei Kriege gegeneinander geführt, zwei davon um die geteilte Region Kaschmir. Im indischen Teil Kaschmirs kämpfen muslimische Extremisten um die Unabhängigkeit oder den Anschluss der Region an Pakistan. Indien wirft Pakistan vor, die Extremisten zu unterstützen.
Quelle: ntv.de