Politik

Schüsse in Kabul, Tote in Pakistan Anti-US-Proteste weiten sich aus

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Die Proteste gegen einen islamfeindlichen US-Film erreichen immer mehr Länder. So kommt es in Kabul zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. In Pakistan sterben mehrere Menschen bei Protesten gegen die USA. Die Hisbollah ruft derweil zu einer Woche der Proteste auf. Libyen kritisiert auch den Einsatz von US-Drohnen.

Erstmals sind auch in Afghanistan und Indonesien, dem Land mit der größten muslimischen Bevölkerung weltweit, die Proteste gegen einen islamfeindlichen US-Film eskaliert. In Kabul schossen Demonstranten laut Polizei auf Beamte und zündeten Autos an, in Jakarta kam es vor der US-Botschaft zu Zusammenstößen. In Pakistan wurden zwei Menschen getötet, während die libanesische Hisbollah-Miliz zu einer Protestwoche aufrief.

Ein Mann protestiert in Kabul gegen die USA und den Film.

Ein Mann protestiert in Kabul gegen die USA und den Film.

(Foto: REUTERS)

Das Video "Die Unschuld der Muslime", von dem bislang nur Auszüge im Internet zu sehen waren, verunglimpft den Propheten Mohammed und hat bereits in anderen islamischen Ländern zu schweren Krawallen und Ausschreitungen gegen westliche Botschaften geführt. Der mutmaßliche Drahtzieher des Films wurde von den US-Behörden befragt. Der 55-jährige Nakoula Basseley Nakoula soll laut US-Medienberichten ein verurteilter Bankbetrüger sein. Wegen seiner kriminellen Vergangenheit sei dem koptischen Christen auch für fünf Jahre der Zugang zum Internet verboten worden.

Zwei Tote in Pakistan

Mehr als tausend Menschen gingen in der afghanischen Hauptstadt Kabul auf die Straße, riefen "Tod für Amerika", setzten Polizeifahrzeuge und Container in Brand und schossen auf Polizisten, wie Polizeichef Mohammed Ajub Salangi sagte. Bis zu 50 Beamte wurden seinen Angaben zufolge verletzt. Ladenbesitzer schlossen ihre Geschäfte und brachten sich vor der wütenden Menge in Sicherheit. Einem weiteren Polizeivertreter zufolge warfen die Protestierenden Steine auf die US-geführte Militärbasis Camp Phoenix.

Im Nachbarland Pakistan wurden erstmals Menschen bei den Protesten gegen den in den USA produzierten Film getötet, in dem der Prophet Mohammed verunglimpft wird. Bei Demonstrationen hunderter Menschen in Warai in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa kam es laut Behörden zu Zusammenstößen, bei denen ein Mensch getötet und zwei Menschen verletzt wurden. Zudem wurden Regierungsgebäude in Brand gesteckt. Örtliche Behörden und Stammesälteste bemühten sich darum, die angespannte Lage zu beruhigen.

In der nordwestlichen Stadt Peshawar protestierten bis zu 3000 Studenten gegen den Film, verbrannten US-Flaggen und riefen antiamerikanische Slogans. Zudem starb ein Mensch, der bei Protesten in Karachi am Sonntag verletzt wurde. In der Stadt versuchten Islamisten den zweiten Tag in Folge, zum US-Konsulat zu marschieren. Die pakistanische Regierung sperrte nach den Protesten den Zugang zu Youtube. Die Sperrung sei von Premier Raja Pervez Ashraf angeordnet worden, hieß es. Youtube habe sich zuvor geweigert, das umstrittene Video von seiner Seite zu nehmen.

Wasserwerfer und Tränengas gegen Demonstranten

"Amerika zur Hölle", war auch bei Protesten in Indonesiens Hauptstadt Jakarta zu hören. Dort warfen Demonstranten Molotow-Cocktails. Die Polizei setzte nach eigenen Angaben Wasserwerfer und Tränengas ein und gab Warnschüsse ab. Ein Beamter wurde verletzt. In der Stadt Medan demonstrierten dutzende Studenten vor der US-Vertretung, warfen Eier auf das Gebäude und versuchten, das Gelände zu stürmen. Polizisten drängten sie aber zurück.

Die Zellen der Kairoer Polizeiwachen sind derweil voll mit Jugendlichen. Aus Sicherheitskreisen in der ägyptischen Hauptstadt verlautete, die 431 festgenommenen mutmaßlichen Randalierer seien fast alle jünger als 20 Jahre. Viele von ihnen seien sogar jünger als 16 Jahre. Sie sollen das Botschaftsgebäude oder Polizisten attackiert haben. Nach Berichten lokaler Medien wurden inzwischen 66 Häftlinge aus Mangel an Beweisen wieder freigelassen. Ein Anwalt sagte dem Nachrichtenportal youm7, etliche Festgenommene seien bei Verhören gefoltert worden. Dies bestätigte auch ein Gerichtsmediziner, der einige der Häftlinge untersucht hatte. Die Visa-Abteilung der US-Botschaft in Kairo blieb eine Woche nach den Krawallen weiter geschlossen.

Auch aus der philippinischen Hauptstadt Manila sowie aus dem Jemen wurden Proteste tausender Muslime gegen die USA und zum Teil auch gegen Israel gemeldet. Die USA kündigten an, wegen angekündigter Massenproteste am Dienstag in Thailands Hauptstadt Bangkok ihre Botschaft zu schließen. Für den Libanon traf die US-Regierung ähnliche Maßnahmen.

Hisbollah-Chef will Woche des Protests

In Malaysia blockierte das Portal Youtube die Verbreitung des Films, nachdem die dortige Regierung eine offizielle Beschwerde eingereicht hatte. Der Informationsminister des Landes ließ verlauten, dass er wegen des Schmähfilms indirekt Aktionen gegen Youtube und Google gutheiße. "Der Besitzer von Youtube verdient es nicht, vor dem Zorn der Muslime oder dem langen Arm des Gesetzes bewahrt zu werden", sagte er. Auch in Indonesien, Libyen, Indien und Ägypten ist der Amateurfilm "Die Unschuld der Muslime" nicht mehr in voller Länge zu sehen. Auch Russland will den Schmähfilm gerichtlich verbieten lassen. Der Streifen solle als extremistisch eingestuft werden, sagte eine Sprecherin der Generalstaatsanwaltschaft in Moskau laut der Agentur Interfax. Internetprovider seien angehalten, die Verbreitung des Videos zu verhindern, weil es religiöse Gefühle beleidige und ethnischen Hass schüre, sagte die Sprecherin.

Hisbollah-Chef Nasrallah ruft zu weiteren Protesten auf.

Hisbollah-Chef Nasrallah ruft zu weiteren Protesten auf.

(Foto: dpa)

Der Chef der schiitischen Hisbollah-Miliz im Libanon, Hassan Nasrallah, rief zu einer Woche des Protests auf. "Die ganze Welt muss die Wut in euren Gesichtern, euren Fäusten und euren Schreien sehen", sagte er am Sonntagabend in einer Fernsehansprache. Den Film bezeichnete er als "den schlimmsten jemals gestarteten Angriff auf den Islam". Daraufhin protestierten im Libanon Hunderttausende Hisbollah-Anhänger gegen das Video. Während der Kundgebung in den südlichen Vororten von Beirut riefen sie: "Die Vereinigten Staaten sind der große Satan" und "Israel ist der Feind des Islam".

Unangekündigt mischte sich auch Nasrallah unter die Demonstranten. Seit dem Krieg zwischen Israel und der Hisbollah 2006 zeigt sich der Hisbollah-Chef aus Angst vor einem Attentat kaum noch in der Öffentlichkeit. Zum letzten Mal trat er Ende 2011 öffentlich auf. Nasrallah sagte, das Video müsse aus dem Internet entfernt werden und dürfe nirgendwo in voller Länge gezeigt werden.

Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Philipp Mißfelder, kritisierte, die Hisbollah gieße "bewusst Öl ins Feuer". Der islamfeindliche Film sei ihr lediglich ein "willkommener Vorwand" für Gewalt, sagte der CDU-Politiker dem Internetportal des "Handelsblatts". "Wir müssen solche Organisationen mit harten Sanktionen belegen, beispielsweise durch eine Listung der Hisbollah als terroristische Vereinigung auf EU-Ebene", forderte Mißfelder.

Der frühere britische Premierminister Tony Blair bezeichnete den Film zwar als "möglicherweise falsch und beleidigend", darauf mit gewalttätigen Protesten zu antworten, sei aber falsch und "unangemessen". Dies zeige, dass es einen Kampf zwischen modernen und rückwärtsgewandten Kräften in der arabischen Welt gebe, sagte er der BBC.

Proteste gegen US-Drohnen

In Libyen regte sich unterdessen auch Widerstand gegen den Einsatz von Drohnen, mit deren Hilfe die USA die Mörder des Botschaftsanschlages von Bengasi verfolgen wollen. Ein Kommandeur der libyschen Luftwaffe, der namentlich nicht genannt werden wollte, sagte der Zeitung "Quryna", über Libyen kreisten derzeit 20 US-Drohnen. Die meisten der unbewaffneten Aufklärungsflugzeuge beobachteten die Stadt Bengasi. Er gehe davon aus, dass die US-Armee auch "Informanten" in Libyen selbst habe. Dies sei eine "Verletzung der Souveränität" Libyens.

Der US-Botschafter Chris Stevens und drei weitere Amerikaner waren am Dienstag vergangener Woche im US-Konsulat in Bengasi getötet worden. Die Übergangsregierung und das Parlament hatten den Angriff, der von militanten Islamisten geplant worden sein soll, scharf verurteilt und eine Verfolgung der Täter angekündigt.

Die libysche Regierung entließ bereits zwei für die Sicherheit in der Region Bengasi verantwortliche ranghohe Beamte. Demnach wurde die Entlassung des für Ostlibyen zuständigen stellvertretenden Innenministers Wanis al-Scharef verfügt. Auch der Chef der nationalen Sicherheitsbehörde in Bengasi, General Hussein Bu Hmida, wurde laut einem weiteren Regierungsbeschluss seines Postens enthoben.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts

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