Politik

Erst "Held", jetzt "Schwein" Anwürfe gegen Lehrer Heise

Vom Helden zum Buh-Mann ist häufig kein weiter Weg. Der "Held von Erfurt", der Geschichts- und Kunstlehrer Rainer Heise, hat dies in den vergangenen Tagen erleben müssen.

Es begann offenbar mit einer Bemerkung seiner Schulleiterin Christiane Alt in der "Süddeutschen Zeitung". "Manchmal denke ich, er hätte auch ein leiserer Held sein können", sagte Alt dem Blatt am Donnerstag.

In den vergangenen Tagen sah Heise sich massiven Anfeindungen ausgesetzt. Von Kollegen werde er mittlerweile als "Lügner" und "mieses Schwein" beschimpft, das sich im Blut der Kollegen suhle, sagte er dem Magazin "Focus". Der "Welt am Sonntag" sagte er, der Alltag sei für ihn zur Hölle geworden.

Beim Gang zum Bäcker beschimpfe man ihn als "blutgeile Sau", sagte er. "Focus" zitiert Heise mit den Worten: "Vielleicht hole ich als nächstes eine Knarre und bringe mich um. Das meine ich nicht pathetisch." Ähnlich äußerte sich der Lehrer gegenüber der "Welt am Sonntag": "Wie ich weiterleben soll, weiß ich nicht. Mir wird zu übel mitgespielt."

Zweifel an der Aussage?

Dem Blatt zufolge zweifelt die Polizei an Heises Aussage. Nach eigener Darstellung hatte Heise den Amokläufer Robert Steinhäuser in einen Materialraum der Schule gestoßen und dann abgeschlossen. In diesem Raum nahm sich Steinhäuser später das Leben. Zuvor hatte er 16 Menschen getötet.

Heise hatte berichtet, er habe zu Steinhäuser gesagt: "Drück ab! Wenn du mich jetzt erschießt, dann guck mir in die Augen." Der ehemalige Schüler habe geantwortet: "Für heute reicht es, Herr Heise."

Die Polizei sei "sich nicht sicher, ob Heise die Wahrheit sagt, ob er die entscheidende Szene vielleicht stark übertrieben dargestellt hat" oder ob er den Mörder wirklich von weiteren Bluttaten abgehalten habe, schreibt die "Welt am Sonntag". Zeugen für den Tatverlauf hätten sich bisher nicht gefunden, sagte der Leiter der Erfurter Polizeidirektion, Rainer Grube, dem Blatt.

Die Zeitung wirft einige Fragen auf: Warum habe Heise nicht die Waffe an sich genommen, die Steinhäuser auf einem Wandbrett abgelegt hatte? Nach eigener Aussage forderte Heise den 19-Jährigen statt dessen auf, die Waffe wieder an sich zu nehmen.

Der Lehrer erklärt dies damit, dass er eine Aversion gegen Waffen habe. "Und stellen Sie sich vor, ich hätte sie in die Hand genommen und wäre damit rausgerannt, wo überall Polizisten mit Gewehren im Anschlag verteilt waren." Warum er Steinhäuser aufgefordert habe, die Waffe wieder an sich zu nehmen, könne er nicht erklären. "Fragen Sie mich das noch mal, wenn ich im Jenseits bin und das zweite Gesicht habe."

Unterricht in einer Ersatzschule

Für die mehr als 750 Kinder und Jugendlichen des Gutenberg-Gymnasiums beginnt am Montag der Unterricht an einer Ersatzschule. Obwohl die Spurensicherung abgeschlossen ist, bleibt die Schule, ein fast 100 Jahre altes Jugendstil-Gebäude, bis zur geplanten Sanierung geschlossen.

Für die zwölf ermordeten Lehrer springen Pädagogen aus Thüringen und der Partnerschule aus Mainz ein. Von den 41 Pädagogen, die das Massaker überlebten, seien einige noch nicht in der Lage, wieder vor die Schüler zu treten, teilte das Thüringer Kultusministerium mit.

Die Klassengemeinschaften, die nach dem Amoklauf enger zusammengerückt waren, sollen in ihrer bisherigen Form bestehen bleiben. Psychologen sollen die Gymnasiasten weiter betreuen. Die Schüler der 12. Klasse sollen durch individuelle Regelungen ein vollwertiges Abitur erhalten.

Quelle: ntv.de

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