Politik

Bundeswahlleiter will durchgreifen Ärger über Twitter

Bundeswahlleiter Egeler kündigt ein energisches Vorgehen gegen Vorabveröffentlichungen von Prognosezahlen im Internet bei der Bundestagswahl an. Die Landeswahlleiterin in Sachsen prüft derweil Schritte gegen den CDU-Politiker, über dessen Namen Wahlprognosen in Umlauf gebracht worden waren.

"Egal, ob über Twitter oder über andere Informationswege, die Rechtslage ist eindeutig: Vor Schließung der Wahllokale dürfen keine Ergebnisse von Wählerbefragungen nach der Stimmenabgabe veröffentlicht werden", sagte Bundeswahlleiter Roderich Egeler in Wiesbaden. Er reagierte damit auf die Vorabveröffentlichung von Zahlen zu den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und dem Saarland am Sonntag auf der Kurznachrichten-Plattform Twitter. Die Zahlen stammen möglicherweise aus Nachwahlbefragungen (Exit polls), auf deren Basis die 18 Uhr-Prognosen erstellt werden.

Bundestagspräsident Norbert Lammert warnte vor einer rechtswidrigen Beeinflussung der Bundestagswahl. Dies könnte tatsächlich Einfluss auf das Wahlergebnis haben, sagte der CDU-Politiker der in Berlin.

Die Twitter-Seite von Rudolph ist inzwischen deaktiviert.

Die Twitter-Seite von Rudolph ist inzwischen deaktiviert.

Die Landeswahlleiterin in Sachsen prüft unterdessen rechtliche Schritte gegen den CDU-Politiker, über dessen Twitter-Zugang am Sonntag vor Schließung der Wahllokale Wahlprognosen in Umlauf gebracht worden waren. "Wir werden ihn schriftlich auffordern, sich zu äußern", sagte eine Mitarbeiterin der Landeswahlleiterin. "Es ist von den Nachforschungen abhängig, ob dieser Vorfall geahndet wird und eventuell noch andere Behörden hinzuzuziehen sind."

CDU-Politiker im Verdacht

Noch sei völlig unklar, woher die Zahlen stammten und wer sie über den Zugang des CDU-Vorsitzenden im Stadtverband Radebeul, Patrick Rudolph, gegen 16.30 Uhr im Internet-Kurznachrichtendienst  Twitter veröffentlicht habe. Rudolph selbst will es jedenfalls nicht gewesen sein. Er sagte, er wisse nicht, wer die Nachricht geschrieben habe. Er sei es nicht gewesen und habe sein Twitter-Konto deshalb jetzt gelöscht.

Ob die Veröffentlichung der Ergebnisse zu einer Anfechtung der Wahl in Sachsen, Thüringen und dem Saarland führen kann, wollte das  Büro der Landeswahlleiterin Sachsen nicht beurteilen. "Es wäre verkehrt, hier Orakel spielen zu wollen", sagte die Mitarbeiterin. Falls eine Wahlprüfungsbeschwerde gestellt werde, müsse letztendlich eine Wahlprüfungskommission des sächsischen Landtags  darüber entscheiden, ob diese zulässig und begründet sei. "Das ist aber alles noch völlig offen", betonte die Mitarbeiterin.

Thüringens Wahlleiter Günter Krombholz maß den getwitterten Wahlprognosen keine Bedeutung zu. Die Zahlen wären auf keinen Fall wahlentscheidend geworden. Das mögliche Ordnungsgeld von 50.000 Euro müsste der Absender allerdings zahlen, wenn er tatsächlich Prognosezahlen der Institute verbreitet hätte.

Sender bestreiten Weitergabe

Mit Blick auf die aktuellen Fälle stehe der Bundeswahlleiter in engem Kontakt mit den zuständigen Landeswahlleiterinnen und Landeswahlleitern, hieß es in Wiesbaden weiter. In jedem Einzelfall sei zu prüfen, ob die vorab veröffentlichten Zahlen tatsächlich auf Ergebnissen der Nachwahlbefragungen basieren. WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn, verantwortlich für die Wahlberichterstattung der ARD, hatte dies für die ARD bestritten: "Die Behauptung, Daten unserer Wahlforscher seien heute vorab ins Netz gegangen, ist falsch." Auch ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender sagte: "Die Forschungsgruppe Wahlen hat keinen Dritten die Daten aus den Wahltagsumfragen mitgeteilt."

Egeler betonte: "Ich fordere die Wahlforschungsinstitute, die Exit polls durchführen, auf, mit den Ergebnissen der Nachwahlbefragungen äußerst restriktiv umzugehen." Er wolle dies den Instituten in einem Gespräch vor der Bundestagswahl noch einmal klarmachen.

"Das schadet der Demokratie"

Die Vorabveröffentlichung der Ergebnisse von Exit polls stelle in den drei Ländern wie auch auf Bundesebene eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 Euro geahndet werden könne. Wenn bei der Bundestagswahl Ergebnisse von Exit polls vorab veröffentlicht werden sollten, werde der Bundeswahlleiter als zuständige Behörde ein entsprechendes Verfahren durchführen, hieß es.

Im Bundestag stieß die Veröffentlichung der Nachwahlbefragung über Twitter auf Kritik. "Das schadet der Demokratie", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Wolfgang Bosbach. Er schlug vor, die Ergebnisse erst später an Journalisten und Parteien  weiterzugeben. Wenn man die Weitergabe von 16.00 Uhr auf 17.00 Uhr verlege, dann "würden die Manipulationsmöglichkeiten erheblich reduziert", sagte Bosbach.

Für die Exit polls um 18 Uhr befragen private Meinungsforschungsinstitute die Wähler anonym nach ihrer Stimmenabgabe vor den Wahllokalen. Die hieraus entstehenden Ergebnisprognosen werden zwar vor der Schließung der Wahllokale an Parteien und Journalisten  weitergegeben, dürfen aber bis 18 Uhr nicht veröffentlicht werden. So soll verhindert werden, dass Wähler durch die veröffentlichten Trends in ihrer Stimmabgabe beeinflusst werden.

Quelle: ntv.de, AFP/dpa

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