Politik

Justizministerin geht auf Distanz Ärger um Swift-Abkommen

Das EU-Abkommen mit den USA zum Austausch von Bankdaten droht zum neuen Streitthema in der Koalition zu werden. Die FDP kritisierte die Enthaltung von CDU-Innenminister de Maizière scharf, Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger betonte gar, die Entscheidung sei gegen ihren Widerstand getroffen worden.

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(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die US-Sicherheitsbehörden dürfen auch in Zukunft Geldüberweisungen zwischen der EU und Drittstaaten kontrollieren, um den Terrorismus zu bekämpfen. Die Innenminister der Europäischen Union billigten in Brüssel ein monatelang umstrittenes Abkommen mit Washington über den US-Zugriff auf Daten des globalen Finanzdienstleisters Swift in Europa. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) stimmte nicht zu, ermöglichte aber durch Enthaltung die Beschlussfassung.

"Wir halten insbesondere den individuellen Rechtsschutz, Löschungsvorschriften und den Umgang mit den Daten für nicht vollständig befriedigend", sagte de Maizière nach den Beratungen. Trotz dieser Kritikpunkte sei es jedoch richtig gewesen, die Regelung hinzunehmen: "Ein nicht vollständig befriedigendes Abkommen (...) ist besser als kein Abkommen." Die österreichische Innenministerin Maria Fekter sagte: "Ein verminderter Rechtsschutz ist allemal besser als gar keiner." Auch Ungarn und Griechenland enthielten sich.

Das Abkommen ist auf neun Monate befristet. Es soll so rasch wie möglich durch einen dauerhaften Vertrag ersetzt werden, an dessen Ausarbeitung dann auch das Europaparlament teilhaben kann. Das Parlament hat mit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages am 01. Dezember einen Anspruch auf Mitwirkung.

100 Hinweise aus den USA

Die USA hatten schon bisher Überweisungen zwischen EU-Staaten und Drittländern kontrolliert, um Terroraktivitäten aufzuspüren. Sie gaben bisher 1450 Hinweise an europäische Sicherheitsbehörden weiter, 800 an nichteuropäische. Alleine in diesem Jahr erhielten die EU-Länder rund 100 Hinweise auf mögliche Terrorfinanzierungen. Zu den bisherigen Erfolgen gehörten unter anderem die Zerschlagung eines Terrornetzwerkes in Großbritannien und die Verhaftung von vier Mitgliedern der sogenannten "Sauerland-Gruppe" der Islamischen Dschihad-Union im September 2007. "Es ist wichtig, dass wir das Geld von Terroristen verfolgen. Und darum geht es", sagte die schwedische Justizministerin und derzeitige EU-Ratsvorsitzende Beatrice Ask.

Das neue Abkommen war jedoch nötig geworden, weil Swift ab Jahreswechsel die Daten aus der EU nicht mehr über ein in den USA liegendes Rechenzentrum laufen lassen will, sondern nur noch in den Niederlanden und der Schweiz speichert.

Nicht in ihrem Namen: Die Justizministerin hält mir ihrer Ablehnung des Abkommens nicht hinter dem Berg.

Nicht in ihrem Namen: Die Justizministerin hält mir ihrer Ablehnung des Abkommens nicht hinter dem Berg.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

In dem Übergangs-Abkommen wird vereinbart, dass die Abfrage von Kontobewegungen nur erlaubt ist, wenn es konkrete Verdachtsmomente dafür gibt, dass die Zahlungen mit dem Terrorismus in Verbindung stehen. Andere Straftaten reichen für einen Zugriff auf die Daten nicht aus. Die USA verpflichten sich, keine Daten an Drittstaaten weiterzureichen. Auch ein großräumiges Abfischen der Kontodaten ist nicht erlaubt. Außerdem dürfen die Kontobewegungen grundsätzlich nur zur Terrorismusbekämpfung und nicht zu anderen Zwecken benutzt werden. Die Daten müssen im Normalfall nach fünf Jahren wieder gelöscht werden.

Neues Streitthema für die Koalition

Die FDP reagierte empört auf die Enthaltung de Mazières. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger kritisierte die Verabschiedung des umstrittenen Bankdatenabkommens durch die EU-Innenminister vehement und betonte, die Entscheidung sei gegen den Widerstand ihres Hauses zustande gekommen. Der Vorsitzende der Jungliberalen, Johannes Vogel, warf de Maizière vor, den "unkontrollierten Austausch sensibler Bankdaten mit den USA" zu verlängern. Niemand wisse mit Sicherheit, welche Daten genau übermittelt und wozu sie in den USA genutzt würden.

Das Vorgehen des EU-Ministerrats sei auch unter demokratischen Gesichtspunkten "katastrophal", da der Vertrag über die Datenweitergabe keinerlei parlamentarische Beteiligung erfahren habe, erklärte Vogel weiter. "Diese Hauruckaktion einen Tag vor Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages ist unwürdig, hier wird das Europäische Parlament bewusst ausgebremst."

Die Grünen beantragten wegen der SWIFT-Entscheidung eine Aktuelle Stunde im Bundestag. "Die Bundesregierung brüskiert sowohl den Bundesrat wie auch das Europäische Parlament, die sich klar gegen das Abkommen ausgesprochen hatten", erklärte Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck. Er warf der FDP vor, das Inkrafttreten nicht verhindert zu haben. "Der Schutz unserer Grundrechte ist der FDP nichts wert", erklärte Beck "Vollmundige Wahlkampfversprechen sind schon wenige Wochen nach Regierungsantritt hinfällig." Die Fraktionsvorsitzende Künast warf Schwarz-Gelb vor, sich "schuldig gemacht" zu haben und den Geheimdiensten persönliche Bankdaten auszuliefern.

Quelle: ntv.de, cba/dpa/AFP

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