Föderalismusreform II Arme gegen reiche Länder
08.03.2007, 17:22 UhrMit Warnungen vor neuen Verteilungskämpfen zwischen "armen" und "reichen" Bundesländern haben die Verhandlungen über die zweite Stufe der Föderalismusreform begonnen.
Die Bund-Länder-Kommission nahm am Nachmittag in Berlin ihre Beratungen über die Neuordnung der Finanzbeziehungen auf. Bis spätestens Herbst 2009 soll das Gremium unter Leitung von SPD-Fraktionschef Peter Struck und Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) vor allem schärfere Schuldenregeln vereinbaren.
Konfliktträchtige Themen wie der Milliarden-Länderfinanzausgleich wurden weitgehend ausgeklammert. Auf der Tagesordnung stehen auch Steuerkompetenzen von Bund und Ländern, Bürokratieabbau sowie Anreize für spätere Länderfusionen.
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sprach von einer der schwierigsten Reformen seit der deutschen Wiedervereinigung. Es gebe heikle Themen, die kontroverse Debatten erwarten ließen. Die Neuordnung der Finanzbeziehungen sei mit Sicherheit eines der schwierigsten Themen. Es sei aber möglich, die Interessengegensätze auszugleichen. Die Öffentlichkeit begleite die Arbeit der Kommission mit hohen Erwartungen, aber auch mit viel Skepsis. "Das muss keine schlechte Startvoraussetzung sein".
Nach den Worten des amtierenden Bundesratspräsidenten, Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidenten Harald Ringstorff (SPD), soll sich die Kommission vor allem um die Vorbeugung von Haushaltskrisen kümmern. Das Solidaritätsprinzip zwischen strukturstarken und -schwächeren Ländern müsse beibehalten werden.
Der 32-köpfigen Kommission gehören alle Ministerpräsidenten an. Lediglich der rheinland-pfälzische Ministerpräsident, SPD-Chef Kurt Beck, lässt sich von seinem Finanzminister Ingolf Deubel (SPD) vertreten. Für den Bundestag sitzen neben Abgeordneten aller Parteien auch Steinbrück, Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sowie Kanzleramtsminister Thomas de Maizire (CDU) in dem Gremium.
Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) warnte davor, den Steuerwettbewerb zwischen Ländern zu verschärfen. Dieser Punkt stehe für ihn nicht im Mittelpunkt, sagte er der "Frankfurter Rundschau". Steinbrück rief dazu auf, die Interessen wirtschaftsschwacher Länder zu berücksichtigen. Die Sprecherin der Ost-SPD-Abgeordneten, Iris Gleicke, warb für ein abgestimmtes Vorgehen der neuen Länder.
Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) lehnte ein komplettes Verschuldungsverbot für Länder ab. Eine strikte Grenze sei "eher nicht zutreffend, nicht sinnvoll und nicht zielführend", sagte er im Deutschlandradio unter Hinweis auf Konjunkturschwankungen. "Wir brauchen Verschuldungsregeln, aber die müssen flexibel sein."
Sachsen-Anhalts Finanzminister und SPD-Parteivize Jens Bullerjahn sprach sich für ein Verschuldungsverbot aus und erntete damit Kritik aus den eigenen Reihen. "Die Forderung Bullerjahns nach Neuverschuldungsverboten in den Länderverfassungen ignoriert ökonomische Notwendigkeiten", sagte SPD-Fraktionsvize Joachim Poß. Die Bundesländer litten ebenfalls in konjunkturellen Schwächephasen und Stagnationen unter erheblichen Steuermindereinnahmen. Bullerjahn forderte in der Tageszeitung "Die Welt" zugleich einen Fahrplan für die Reduzierung der Bundesländer von 16 auf neun.
Der Präsident des Städtetags, Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD), lehnte Verschuldungsverbote für Städte und Gemeinden ab. Er frage sich, wie viel Unglück dies anrichten würde, "wenn in ganzen Regionen tatsächlich die öffentlichen Gehälter nicht mehr gezahlt würden oder die Schulgebäude verrotten", sagte er im Deutschlandfunk. Die finanziellen Sorgen der Kommunen müssen nach Ansicht des Thüringer Ministerpräsidenten Dieter Althaus (CDU) einbezogen werden.
Aus Sicht der FDP "helfen keine Denkverbote und auch keine überzogenen Forderungen". Zunächst müsse alles auf den Tisch. Die Linkspartei forderte, eine auf einen Steuersenkungswettbewerb gerichtete Finanzpolitik müsse beendet werden. Sie unterstützt Steinbrücks Forderung nach einer zentralen Bundessteuerverwaltung.
Quelle: ntv.de