Jubel, aber keine Mehrheit Ärzte-Aufstand fällt vorerst aus
22.12.2010, 20:56 Uhr
Wolfgang Hoppenthaller kämpft gegen die Kassenärztlichen Vereinigungen.
(Foto: dpa)
Der Chef des Bayerischen Hausärzteverbands scheitert mit dem von ihm geforderten Ausstieg aus dem Kassensystem. Vorerst - bis zum 18. Februar will er weiter für sein Vorhaben werben. Von seinen Kollegen fordert er ein "Aufbäumen gegen das kunstvoll konstruierte Unrechtssystem" der Kassenärztlichen Vereinigungen.
Die einen gaben sich verbittert, andere reagierten mit Galgenhumor auf ihre Lage. Gut zu sprechen auf die Krankenkassen war an diesem frühen Mittwochabend in der Nürnberger Arena auf jeden Fall keiner der dort versammelten Hausärzte, als dort über einen kollektiven Ausstieg entschieden wurde - in einer sich über Stunden hinziehenden Abstimmung.
Entsprechend viel Jubel erntete der Chef des Bayerischen Hausärzteverbandes, als er seine 6000 bis 7000 Standeskollegen zu einem "Aufbäumen gegen das kunstvoll konstruierte Unrechtssystem" der Kassenärztlichen Vereinigungen aufrief.
Für viele Ärzte traf Hoppenthaller damit den Kern des Problems. Sie fühlten sich gegängelt von der ausufernden Bürokratie der Kassenärztlichen Vereinigung, die das Geld der Kassen an die Ärzte verteilt. Und von den Spardiktaten der Krankenkassen fühlten sie sich in ihrer Existenz bedroht.
"Das macht bald keiner mehr"
Vor allem die Landärzte waren nicht besonders gut auf Politik und Kassen zu sprechen. "Wenn die Hausärzte keine Garantie erhalten, macht das auf dem Land bald keiner mehr", schimpfte etwa der aus dem unterfränkischen Maßbach stammende Hausarzt Uwe Born.
So wie Born hatte auch sein Kollege Ottmar Dettner aus dem unterfränkischen Hammelburg schon zu Beginn der Hausärzte-Vollversammlung seine schriftliche Austrittserklärung in eine der neun grauen Urnen gesteckt. Noch vor Ort wurden die mit Barcode versehenen Erklärungen eingescannt, die Ergebnisse an eine Großbildleinwand projiziert.

Die Hausärzte wollen die "Ketten" der Kassenärztlichen Vereinigung sprengen. Austreten will vorerst nur eine Minderheit.
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Über die Verbindlichkeit der Erklärungen herrschte derweil auch bei den Ärzten am Mittwochabend Unklarheit. Da Hoppenthaller sie ursprünglich erst beim Erreichen eines 60-Prozent-Quorums dem Kassenzulassungsausschuss übergeben wollte, und das auch erst im Januar, sahen darin etliche Ärzte erst einmal kaum mehr als eine Absichtserklärung.
"Ich kann tapezieren"
Der Unterfranke Dettner reagierte auf die Frage nach dem damit verbundenen Risiko für sich und seine Familie mit Galgenhumor. "Ich kann tapezieren und holzhacken - mir wird schon fast einfallen". Etwas ernster setzt er dann hinzu: "Ich kann etwa zwei Jahre von meinen Rücklagen leben - danach sehe ich weiter."
Vielen Teilnehmern aus der Seele sprach derweil der Augsburger Hausarzt Thomas Blumrich, der mit der Rückgabe seiner Kassenzulassung noch zögerte: "Im Moment bin ich noch unschlüssig. Ich warte mal ab, wie das heute läuft. Vielleicht werde ich im Laufe der Veranstaltung umgestimmt", sagte der Mediziner.
Diese Haltung teilten wohl viele. Das führte letztlich dazu, dass bis zum Ende der Veranstaltung nur knapp 40 Prozent der rund 7000 bayerischen Hausärzte für einen Kassenausstieg stimmten. Hoppenthaller entschied daraufhin, seinen Standeskollegen Bedenkzeit bis zum 18. Februar zu geben. Bis dahin könnten sie ihre Stimmen noch auf dem Postweg einreichen.
Quelle: ntv.de, Klaus Tscharnke, dpa