Politik

Randale in Belgrad Ärzte: Mladic verhandlungsfähig

Für viele seiner Landsleute ist der mutmaßliche Kriegsverbrecher Mladic ein "Held".

Für viele seiner Landsleute ist der mutmaßliche Kriegsverbrecher Mladic ein "Held".

(Foto: dpa)

Serbische Rechtsextremisten liefern sich in Belgrad Straßenschlachten mit der Polizei bei einer Demonstration gegen die Festnahme des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Mladic, dem die Weltöffentlichkeit tausendfachen Mord vorwirft. Die Auslieferung des Ex-Generals an das Haager Tribunal wird wohl noch ein paar Tage dauern.

Die Auslieferung des serbischen Ex-Generals Ratko Mladic an das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag wird noch ein paar Tage auf sich warten lassen. "Das ganze Verfahren kann von heute an gerechnet wenigstens zwei und maximal vier Tage dauern", sagte der Staatssekretär im serbischen Justizministerium, Slobodan Homen, dem Belgrader TV-Sender B92. Mladic selbst verlangt in seiner Zelle immer neue Gesprächspartner und will noch das Grab seiner Tochter besuchen, die sich 1994 angeblich aus Gram über den Vater umgebracht hatte.

Mladic ist verhandlungsfähig

Dem Ex-General der bosnischen Serben wird u.a. der Mord am 8000 muslimischen Jungen und Männern in Srebrenica angelastet.

Dem Ex-General der bosnischen Serben wird u.a. der Mord am 8000 muslimischen Jungen und Männern in Srebrenica angelastet.

(Foto: dpa)

Mladic ist aus ärztlicher Sicht gesundheitlich in der Lage, seinen Prozess vor dem UN-Tribunal in Den Haag durchzustehen. "Der Patient Mladic ist in der Lage, den Gerichtsprozess zu verfolgen", heißt es in der Diagnose eines fünfköpfigen Ärzteteams, die von den Zeitungen in Belgrad veröffentlicht wurde. "Der aktuelle Krankheitszustand erfordert keine Behandlung im Krankenhaus, zusätzliche Diagnosen können ambulant gemacht werden".

Mladic leidet nach Darstellung der Ärzte dauerhaft unter den Folgen eines früheren Schlaganfalls und eines Herzinfarktes. Nach dem Schlaganfall sei der rechte Arm nur eingeschränkt einsatzfähig, das rechte Bein mache Schwierigkeiten beim Gehen. Schließlich leide der 69-Jährige an Bluthochdruck, der jedoch gut mit Medikamenten eingestellt sei. Diagnostiziert wurden "chronische Erkrankungen ohne akute Verschlechterungen".

Extremisten randalieren in Belgrad

Die Polizei hatte nach eigener Darstellung die Krawalle schnell unter Kontrolle.

Die Polizei hatte nach eigener Darstellung die Krawalle schnell unter Kontrolle.

(Foto: AP)

Die Polizei zog eine Bilanz der schweren Ausschreitungen am Rande einer Demonstration von Mladic-Anhängern am Sonntag vor dem Parlament in Belgrad. Rund 180 meist junge Randalierer wurden festgenommen, 34 von ihnen seien minderjährig. Zehn Polizisten und 20 Demonstranten seien verletzt worden. Innenminister Ivica Dacic hat erklärt, dass Angehörige bekannter rechtsextremistischer Organisationen für die Straßenschlachten mit der Polizei verantwortlich seien.

Nach Angaben der Polizei hatten sich fast 10.000 Mladic-Anhänger zu der Demonstration versammelt. "Wir sind hier um diesen Verrätern zu zeigen, wie echte Serben einen serbischen Helden verteidigen", sagte ein Teilnehmer. Auf Plakaten war zu lesen: "Heuchler und Verräter haben unseren Helden festgenommen." Auf Grund der Straßenschlachten brach die extrem nationalistische oppositionelle Radikale Partei (SRS) die Demonstration ab. 

Den Angaben zufolge bewarfen überwiegend junge Demonstranten die mit Schutzschilden und Schlagstöcken ausgerüsteten Polizisten mit Steinen. Sie warfen Rauchbomben und sangen nationalistische Lieder.

Auch in Mladics Geburtsstadt Kalinovik in Bosnien-Herzegowina versammelten sich etwa 3000 Sympathisanten, um gegen die Festnahme des Ex-Generals zu protestieren. Viele der Demonstranten waren ehemalige Soldaten der bosnisch-serbischen Armee, deren Kommandeur Mladic während des Bosnien-Krieges war.

Mladic hat noch ein paar Wünsche

Der serbische "Held" wird auch "Schlächter von Srebrenica" genannt.

Der serbische "Held" wird auch "Schlächter von Srebrenica" genannt.

(Foto: REUTERS)

Mladic hat noch vor seiner Abreise nach Den Haag Treffen mit dem früheren serbischen Präsidenten Milan Milutinovic, einem engen Vertrauten des früheren serbischen Machthabers Slobodan Milosevic, und dem bekanntesten serbischen Schriftsteller Dobrica Cosic verlangt. Cosic unterstützte in einem Interview mit der Zeitung "Politika" die Sicht von Mladic im Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina. Es habe sich nicht um einen Eroberungskrieg zur Schaffung eines Großserbien gehandelt. Vielmehr sei das "ein internationaler Glaubenskrieg gewesen, den politisch die USA in Zusammenarbeit mit der EU angeführt haben".

Einspruchsfrist endet

Mladic war nach 16 Jahren auf der Flucht am Donnerstag festgenommen worden. Im Auslieferungsverfahren endet heute die Einspruchsfrist für seine Verteidigung. Ein Belgrader Gericht hatte bereits am Freitag prinzipiell grünes Licht für die Überstellung des 69-Jährigen an das Haager UN-Kriegsverbrechertribunal gegeben. "Spätestens in sieben Tagen" werde der Ex-General ausgeliefert, so die Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung kündigte an, ihren Einspruch am Montagabend auf den Postweg bringen zu wollen. Die Richter müssen dann binnen drei Tagen entscheiden.

In Den Haag trifft Mladic auf ein Richterteam unter deutscher Führung. Der frühere Berliner Justizstaatssekretär Christoph Flügge wurde vom Präsidenten des UN-Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (ICTY), Mehmet Güney, zum Vorsitzenden Richter bestellt. Der 63-Jährige wird in dem Prozess von einem niederländischen und einem südafrikanischen Richterkollegen unterstützt.

Grab für Mladic war schon fertig

Der bereits 1995 wegen Völkermords, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagte Mladic war am vergangenen Donnerstag in dem etwa eine Autostunde von Belgrad entfernten Dorf Lazarevo bei Zrenjanin verhaftet worden. Dem früheren Militärchef der bosnischen Serben wird tausendfacher Mord vorgeworfen. Neben dem Massaker von Srebrenica, bei dem im Sommer 1995 in der UN-Schutzzone rund 8000 muslimische Männer und Jungen ermordet wurden, wird der 69-Jährige auch für die jahrelange Belagerung und den Beschuss von Sarajevo verantwortlich gemacht.

Nach einem Zeitungsbericht versteckte sich Mladic im Oktober 2006 nach einem Herzinfarkt zwischenzeitlich auch in einem Kloster. Die Schwestern des Klosters der Heiligen Melanie bei der nordserbischen Stadt Zrenjanin hätten den mit dem Tod ringenden Ex-General abgeschirmt und mit ärztlicher Hilfe versorgt, berichtete die gewöhnlich gut informierte Zeitung "Blic" in Belgrad. Da man mit seinem Tod gerechnet habe, sei die Kirchenkrypta bereits als Grab hergerichtet worden.

Nach Berichten der kroatischen Zeitung "Jutarnji list" hat der frühere serbische Regierungschef Vojislav Kostunica jahrelang die Ergreifung Mladics verhindert. Seit 2006 habe die Regierung genau gewusst, wo sich Mladic versteckt hielt, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Depeschen der US-Botschaft in Belgrad, die von der Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlicht wurden.

Quelle: ntv.de, dpa/rts

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