Bewegung im Fall Timoschenko Ärzte und Diplomaten reisen nach Kiew
04.05.2012, 12:17 Uhr
Der Fall Timoschenko wird zunehmend zur Belastung für die Regierung in Kiew.
(Foto: dpa)
Deutsche Diplomaten und der Chef der Berliner Charité, Einhäupl, sind auf dem Weg nach Kiew. Möglicherweise wollen sie die ukrainische Regierung ersuchen, die kranke Oppositionspolitikerin zur ärztlichen Behandlung nach Deutschland ausreisen zu lassen. Der Fall Timoschenko wird vor allem im Vorfeld der Fußball-EM zur Belastung für die Regierung in Kiew.

Karl Max Einhäupl, Vorstandschef der Charité soll offenbar Timoschenko nach Berlin holen.
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In den Fall der früheren ukrainischen Regierungschefin Julia Timoschenko kommt neue Bewegung. Der Chef der Berliner Charité-Klinik, Karl Max Einhäupl, reiste erneut in die Ukraine, um die inhaftierte Politikerin im Krankenhaus zu besuchen. Einhäupl wird auch von deutschen Diplomaten begleitet. Die Bundesregierung hat mehrfach angeboten, Timoschenko in Deutschland behandeln zu lassen. Das Angebot einer Behandlung in Deutschland stehe, sagte ein Sprecher des Außenamtes in Berlin. Hier Lösungen zu erreichen, sei aber kompliziert und werde sicherlich noch einige Zeit in Anspruch nehmen. "Wir hoffen aber, dass wir Fortschritte erzielen können", sagte der Sprecher.
Die 51-Jährige leidet nach Angaben der deutschen Ärzte an einem Bandscheibenvorfall, aus dem sich chronische Schmerzen entwickelt haben. Aus Protest gegen ihre Behandlung durch die ukrainische Justiz befindet sie sich seit zwei Wochen im Hungerstreik.
Timoschenko will weiter hungern
Derweil teilte Timoschenkos Tochter, Jewgenija Timoschenko, mit, dass sich der Gesundheitszustand ihrer Mutter täglich verschlechtere. Sie habe ihre Mutter am Donnerstag besucht, und diese sei "viel schwächer, als sie noch vor ein paar Tagen war", sagte Jewgenija Timoschenko im ZDF. Ihre Mutter müsse liegen und könne sich zurzeit "praktisch gar nicht bewegen".
Die Bitten der Familie, ihren Hungerstreik zu beenden, seien bisher erfolglos gewesen. "Sie hat aus verschiedensten Gründen ein Interesse an diesem Hungerstreik", sagte die 32-jährige Jewgenija Timoschenko. Ihre Mutter wolle "weiter für die Demokratie in der Ukraine" kämpfen.
Amnesty gegen Spiele-Boykott
Das Thema beschäftigt vor allem die internationale Politik, die uneins darüber ist, ob man wegen Unterdrückung Oppositioneller in der Ukraine der anstehenden Fußball-Europameisterschaft fernbleiben sollte. So hält die Menschenrechtsorganisation Amnesty International den von der EU-Kommission angekündigten Boykott der EM in der Ukraine für falsch. Seine Organisation rufe generell nicht zum Boykott solcher Veranstaltungen auf, sagte der Generalsekretär von Amnesty-Deutschland, Wolfgang Grenz, dem "Handelsblatt". "Aber Politiker und Sportfunktionäre, die in die Ukraine reisen, müssen die Gelegenheit nutzen, um auf die schweren Menschenrechtsverletzungen aufmerksam zu machen und von der ukrainischen Regierung einen besseren Menschenrechtsschutz fordern."
Dabei dürfe es nicht nur um Timoschenko gehen. "Es gibt Berichte über Folter zur Erpressung von Geständnissen", wer Polizeiübergriffe oder Korruption anprangere, werde teils mit konstruierten Anschuldigungen überzogen und mit Gewalt bedroht, sagte Grenz weiter.
Die EU-Kommission hatte angekündigt, dass ihre 27 Mitglieder den Spielen in der Ukraine fernbleiben werden. FIFA-Präsident Joseph Blatter hatte das scharf kritisiert. "Bevor sie von Boykott sprechen, sollte man sich überlegen, was das nach sich zieht", sagte der Chef des Fußball-Weltverbandes. "Die EM muss durchgeführt werden, wo sie ist."
Eine Verlegung der EM-Fußballspiele aus der Ukraine wäre auch aus Sicht der Bundesregierung nicht sinnvoll. Regierungssprecher Steffen Seibert: "Der Ukraine die Spiele wegzunehmen, ist keine Lösung." Die Entscheidung, ob deutsche Regierungsmitglieder Spiele boykottieren, hängt auch von der weiteren Entwicklung ab, wie Seibert deutlich machte.
Sport und Politik nicht trennen
Dem widersprach Grünen-Chefin Claudia Roth, die sich für einen politischen Boykott der Spiele einsetzt. "Sport und Politik sind nicht zu trennen", sagte Roth der "Passauer Neuen Presse". Westliche Politiker sollten sich nicht für eine Kulisse missbrauchen lassen, die am Ende nur "dem diktatorischen Regime in Kiew" helfe. Die Vergabe der Eishockey-WM an Weißrussland bezeichnete Roth auch als "Riesenfehler". Machthaber Alexander Lukaschenko sei "ein brutaler Diktator", der auch vor willkürlichen Hinrichtungen nicht zurückschrecke und die Menschenrechte mit Füßen trete.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP