Anfragen nur vor 8 und nach 20 Uhr Ärzte wollen Kassen foppen
07.09.2012, 11:42 Uhr
Für die Ärzte ist klar: Verursacher von zu viel Bürokratie sind die Krankenkassen.
(Foto: dapd)
Die Kassenärzte greifen im Honorarstreit zu ungewöhnlichen Maßnahmen. Dabei bleibt die Patientenversorgung unangetastet, die Krankenkassen dagegen müssen sich auf allerhand Schikanen einrichten. So können die Kassen zwar gerne weiter die üblichen Nachfragen an die Mediziner richten - aber bitte nur außerhalb der üblichen Arbeitszeiten.
Im Honorarstreit mit den Kassen hat die Ärzteschaft ihre ab Montag geplanten Protestaktionen konkretisiert. So sollen formlose Anfragen der Kassen etwa zu Krankschreibungen oder zu Reha-Maßnahmen vorerst nicht mehr schriftlich beantwortet werden, erklärte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, kurz KBV, Andreas Köhler. Täglich würden die Praxen von den 145 Kassen mit solchen Anfragen überschüttet. Geplant sei auch, Bonushefte nicht mehr abzustempeln.
Zudem sollen die Mitarbeiter der Kassen ihre Anfragen und Gesprächswünsche entweder auf die Zeit vor 8.00 Uhr morgens oder nach 20.00 Uhr abends beschränken. "Die Zeit dazwischen brauchen die Kollegen für die Versorgung ihrer Patienten", erklärte Köhler. Diese Maßnahmen träfen "den größten Verursacher von Bürokratie in den Praxen, nämlich die Krankenkassen".
Insgesamt haben die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten laut Köhler "ein breites Potpourri an gestaffelten Aktionen in den Praxen geplant". Woche für Woche werde es gezielte Maßnahmen geben. "Das Maß ist voll. Der Ärger bei den Kolleginnen und Kollegen über das Gebaren der Krankenkassen ist groß", erklärte der KBV-Chef.
Montgomery wettert gegen Kassen
Die Mitglieder der freien Ärzteverbände entscheiden derzeit in einer Urabstimmung über Warnstreiks und Praxisschließungen. Zunächst sollen sich die Proteste vorrangig gegen die Kassen richten. "Wir werden den Kassen direkt und plastisch deutlich machen, wie aufgeheizt die Stimmung der Ärzte ist", erklärte Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender des NAV-Virchow-Bundes. Die Auswirkungen auf die Patienten sollten zunächst "so gering wie möglich" gehalten werden. Der NAV-Virchow-Bund koordiniert die Proteste, die von mehr als 30 Berufsverbänden unterstützt werden.
Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery warf dem Spitzenverband der gesetzlichen Kassen erneut Machtmissbrauch vor und forderte, dessen Befugnisse zu beschneiden. Der Gesetzgeber müsse die Machtfülle des Verbandes brechen und wieder wie früher Verhandlungen der Ärzte mit einzelnen Krankenkassen zulassen, sagte er der "Stuttgarter Zeitung". Der Kassenverband sei ein Monopolist, der seine "Macht verantwortungslos ausübt". Statt immer mehr Geld zu horten, sollten die Kassenfunktionäre dies für die Versorgung der Patienten verwenden oder den Beitragszahlern zurückerstatten, forderte Montgomery.
Die KBV hatte die Honorarverhandlungen mit den Kassen zum Wochenbeginn abgebrochen und Warnstreiks und Praxisschließungen angedroht. Die Ärzte lehnen einen Schlichterspruch ab, der den Kassenärzten für das nächste Jahr eine Honorarerhöhung von 270 Millionen Euro oder 0,9 Prozent zugestanden hat. Die KBV klagte gegen den Beschluss. Sie fordert für die rund 150.000 niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten stattdessen insgesamt 3,5 Milliarden Euro, was ein Plus von rund elf Prozent wäre.
Quelle: ntv.de, AFP