ESC hat nichts verändert Aserbaidschan sperrt Bürgerrechtler ein
27.08.2014, 15:55 UhrDen Eurovision Song Contest 2012 nutzte Aserbaidschan, um ausführlich für sich zu werben. Seit Mai hat das Land den Vorsitz im Europarat inne. Beides hat der Freiheit in Aserbaidschan nicht geholfen - im Gegenteil.

Der spanische Erstligist Atlético Madrid macht Werbung für Aserbaidschan - auch Mario Mandzukic.
(Foto: picture alliance / dpa)
Zwei Jahre nach dem Eurovision Song Contest in Aserbaidschan ist die Situation für Bürgerrechtler in der ehemaligen Sowjetrepublik noch schlechter als damals. "Seit Ende Juli erleben wir eine weitere - und nach meinem Eindruck systematische - Beschneidung des Spielraums für die unabhängige Zivilgesellschaft in Aserbaidschan", sagt der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer, n-tv.de.
In Aserbaidschan liefen eine ganze Reihe von Ermittlungen gegen Nichtregierungsorganisationen, die praktisch dazu geführt hätten, dass diese ihre Arbeit einstellen mussten, sagte Strässer, der für die SPD im Bundestag sitzt. "Die betroffenen Organisationen sind uns aus langjähriger Zusammenarbeit als seriöse und engagierte Partner bekannt, die gegen sie erhobenen Vorwürfe erscheinen daher sehr fragwürdig."
Obwohl Aserbaidschan derzeit den Vorsitz des Europarats innehat, wurden in den vergangenen Wochen vier prominente Menschenrechtler verhaftet, darunter der Rechtsanwalt Intigam Aliyev sowie die Menschenrechtlerin Leyla Yunus und ihr Mann Arif Yunus. Leyla Yunus leidet unter Diabetes; nach Angaben ihres Anwalts hat sich ihr Gesundheitszustand in der Haft bedeutend verschlechtert. Strässer zeigte sich erleichtert, dass die aserbaidschanischen Behörden vor einigen Tagen immerhin zugestimmt hätten, dass Leyla Yunus ihre aus Deutschland gelieferten Spezialmedikamente erhalten darf.
Bereits am 2. August wurde einer der Initiatoren einer Menschenrechtskampagne verhaftet, die am Rande des Eurovision Song Contest für Demokratie in Aserbaidschan geworben hatte. Rasul Jafarov ist Vorsitzender des 2010 gegründeten aserbaidschanischen Human Rights Club. Vor zwei Jahren war er Koordinator von "Sing for Democracy", einem Zusammenschluss aserbaidschanischer Bürgerrechtsgruppen. Für n-tv.de stand er damals für Interviews über die Menschenrechtssituation in seinem Heimatland zur Verfügung - einmal in Berlin, vor dem European Song Contest, das zweite Mal per Telefon aus Baku.
Trikotwerbung statt Demokratie
Allen vier Bürgerrechtlern werfen die Behörden Steuerbetrug vor - neben Drogenbesitz ist dies ein beliebter Anklagepunkt der aserbaidschanischen Behörden, um Oppositionelle mundtot zu machen. Konstruiert werden die Vorwürfe vor dem Hintergrund, dass die betroffenen NGOs nicht staatlich registriert seien. Sein Verein habe mehrfach die Registrierung beantragt, sei jedoch immer wieder widerrechtlich abgewiesen worden, schreibt Jafarov in einer Botschaft aus dem Gefängnis, die sein Bruder an internationale Medien weiterleitete. Eine Beschwerde des Human Rights Club beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist bislang nicht entschieden.
Im Juli zählte Amnesty International 19 politische Gefangene in Aserbaidschan. Der aserbaidschanische Präsident Ilcham Alijew, der einen regelrechten Personenkult um sich betreiben lässt, wird von der Organisation Reporter ohne Grenzen als "Feind der Pressefreiheit" bezeichnet. Aus Sicht des Westens ist Aserbaidschan vor allem ein Energielieferant. Das Land betreibt intensive PR-Arbeit: Auf den Trikots des spanischen Erstligisten Atlético Madrid etwa prangt der Schriftzug "Azerbaijan". Im Januar 2013 schaffte das Land es, eine Mehrheit im Europarat zu organisieren, um einen kritischen Bericht zu verhindern, den Strässer verfasst hatte. Nach der Abstimmung wurden mehrere Dissidenten in Aserbaidschan verhaftet.
Aufgabe des Europarats ist der Einsatz für Demokratie und Menschenrechte. Als derzeitiger Inhaber des Vorsitzes hat Aserbaidschan die Aufgabe, die Einhaltung demokratischer Prinzipien in den 47 Mitgliedsländern zu überwachen. Strässer sagte, er bedaure sehr, dass die aserbaidschanische Regierung dies offenbar nicht zum Anlass nehme, "um die Standards und Werte des Europarats hinsichtlich Rechtsstaatlichkeit, Meinungs- und Vereinigungsfreiheit im eigenen Land glaubwürdig zu stärken".
Quelle: ntv.de, hvo