Syrien: Foltervorwürfe von Demonstranten Assad setzt neue Regierung ein
14.04.2011, 22:51 Uhr
Tausende Frauen hatten gegen die Verhaftung ihrer Männer protestiert.
(Foto: REUTERS)
Mit der angeordneten Freilassung von Demonstranten und der Bildung einer neuen Regierung will Syriens Präsident Assad seine Gegner besänftigen. Die Freigelassenen werfen der Polizei Folter vor. Am Freitag will die Opposition erneut gegen das Regime auf die Straße gehen.
Unter dem Druck der Protestbewegung hat der syrische Präsident Baschar al-Assad eine neue Regierung ernannt. Zuvor waren hunderte Oppositionelle freigelassen worden, die bei Demonstrationen gegen die Führung Syriens festgenommen worden waren. Viele von ihnen berichteten, sie seien während der Gefangenschaft gefoltert worden. Assad wolle den Zusammenhalt zwischen den Menschen stärken und habe sich daher dazu entschlossen, die während der seit einem Monat anhaltenden Proteste Festgenommenen wieder auf freien Fuß zu setzen, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Sana. Diejenigen, die "Verbrechen gegen die Nation und die Bürger" verübt hätten, müssten aber in Haft bleiben.
Die Botschafter Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Italiens und Spaniens äußerten sich am Donnerstag bei einem Treffen mit dem syrischen Außenminister Walid al-Muallim besorgt über die sich zuspitzende Lage in Syrien.
Neuer Ministerpräsident wurde der frühere Landwirtschaftsminister Adel Safar. Der Geheimdienstler Mohamed Ibrahim Schaar wurde zum Innenminister ernannt. Daneben wurden die Ressorts Finanzen und Information neu besetzt; Walid al-Muallim blieb Außenminister. Das Verteidigungministerium verblieb bei Ali Habib. Allerdings hat die Regierung in Syrien de facto nicht viel zu sagen. Die Macht ist seit Jahrzehnten fest in Händen der Assad-Familie und des Sicherheitsapparats. Seit 1963 gilt in Syrien das Notstandsrecht.
Die Opposition rief zu neuen Protesten am Freitag auf. "Morgen ist der Tag unseres Sieges, wir werden uns friedlich vereinigen bis wir unsere Freiheit erhalten", hieß es auf der Seite einer Gruppe "Syrische Revolution 2011" im sozialen Netzwerk Facebook.
Westliche Botschafter besorgt
Die westlichen Botschafter brachten bei dem Treffen mit Al-Muallim in Damaskus die große Sorge ihrer Regierungen über die steigenden Opferzahlen und die anhaltende Gewalt im ganzen Land zum Ausdruck. Im Namen ihrer Regierungen forderten sie die syrische Regierung auf, den legitimen Forderungen der Bevölkerung nachzukommen und glaubwürdige politische Reformen zu vollziehen. Alle politischen Gefangenen und Menschenrechtsverteidiger müssten umgehend freigelassen werden, verlangten die Diplomaten, wie das Auswärtige Amt mitteilte.
Menschenrechtler berichten über Folter

Amateurbilder zeigen syrische Polizisten, die angeblich einen Regimegegner die Straßen entlangschleifen.
(Foto: Reuters)
Menschenrechtler warfen der syrischen Polizei vor, sie habe Dutzende Männer und Jugendliche ohne Grund festgenommen und schwer misshandelt. Die Organisation syrischer Menschenrechtsbeobachter erklärte, sie habe Fotos und andere Beweise dafür, dass in der Region Banias einige Festgenommene gefoltert worden seien.
Die syrischen Sicherheitskräfte hatten in den vergangenen Tagen in Banias und Umgebung hunderte Menschen festgenommen, die an Protestaktionen gegen das Regime von Präsident Assad teilgenommen haben sollen. Ein Teil der Inhaftierten wurde am Mittwochabend wieder freigelassen, nachdem tausende Frauen aus Banias und umliegenden Dörfern gegen die Festnahme protestiert hatten.
Baschar al-Assad, der die Macht nach dem Tod seines Vaters Hafis 2000 übernommen hatte, empfängt inzwischen fast täglich Delegationen aus den Provinzen, in denen es in den vergangenen Tagen Proteste gegeben hatte. Zuletzt hatte es Demonstrationen an mehreren Universitäten gegeben.
Quelle: ntv.de, dpa