Minister und Generäle fliehen Assad verliert Getreue
06.08.2012, 12:08 Uhr
Hidschab war erst seit Juni im Amt.
(Foto: REUTERS)
In Syrien nehmen die Auflösungserscheinungen des Regimes zu. Ministerpräsident Hidschab flieht mitsamt seiner Familie nach Jordanien und schließt sich der Opposition an. Das Staatsfernsehen berichtet, er sei aus seinem Amt entlassen worden. Die Kämpfe im Land gehen weiter.
Nach dem syrischen Regierungschef haben sich der Opposition zufolge auch zwei Minister und drei weitere Generäle von Präsident Baschar al-Assad losgesagt. Die Gruppe habe sich nach Jordanien abgesetzt, teilte der vom Exil aus agierende Syrische Nationalrat mit.
Zuvor hatte Ministerpräsident Rijad Hidschab über einen Sprecher erklären lassen, er habe mit Assads "mörderischem und terroristischem Regime" gebrochen. Auch er soll sich nach Jordanien abgesetzt haben. "Ich erkläre, dass ich von heute an ein Soldat in dieser gesegneten Revolution bin", heißt es in einer Erklärung Hidschabs, die ein Sprecher in seinem Namen im arabischen Fernsehsender Al/Dschasira verlas. Hidschab ist der bislang ranghöchste Politiker in Syrien, der sich der Opposition angeschlossen hat. Zuvor hatte das syrische Staatsfernsehen berichtet, Hidschab sei entlassen worden.
Der syrische Nationalrat begrüßte die Entwicklung. "Diese mutige Aktion des Ministerpräsidenten zeigt die Originalität der syrischen Bevölkerung. Weiterhin zeigt sie, dass die Untaten des Regimes nicht hinnehmbar sind", sagte der Sprecher des Nationalrates, Sadiqu Al-Mousllie, n-tv.de. Und weiter: "Wir begrüßen Rijad Hidschab in den Reihen der syrischen Bevölkerung. Alle, die noch das Regime unterstützen, sollen wissen, dass sie einem kriminellen Regime dienen."
Nach Ansicht von Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) zeige die aktuelle Entwicklung, "wie weit der Erosionsprozess" der Assad-Führung fortgeschritten ist. Westerwelle erklärte in Berlin, die Ereignisse belegten auch, wie notwendig ein sofortiges Ende der Gewalt und die Bildung einer Übergangsregierung ohne Assad seien.
Vor seiner Ernennung zum Regierungschef am 6. Juni war Hidschab Landwirtschaftsminister gewesen. Zu seinem Nachfolger wurde der bisherige Vize-Ministerpräsident Omar Galawandschi bestimmt. Syrien hat ein autoritäres Präsidialsystem. Die Regierung hat eher technischen als politischen Charakter. Der bislang Assad-treue Politiker ist seit 1989 Mitglied der Führung der herrschenden Baath-Partei. Als im Frühjahr 2011 die Proteste gegen Assad begannen, war er Gouverneur der Mittelmeer-Provinz Latakia, aus der die Assad-Familie stammt.
Neues Massaker?
Die syrische Opposition warf unterdessen den Regierungstruppen vor, in der zentralen Provinz Hama erneut zahlreiche Zivilisten getötet zu haben. Bei dem "Massaker" am Sonntag seien rund 40 Menschen getötet worden, teilte der Syrische Nationalrat (SNC) mit. Demnach nahmen zunächst Panzer den Ort Harbnafsa mehr als fünf Stunden lang unter Beschuss, bevor das Dorf eingenommen wurde. Dabei seien rund 40 Menschen getötet und 120 weitere verletzt worden.
Anschließend seien regierungstreue Soldaten und Milizionäre aus benachbarten Dörfern gekommen, um fliehende Einwohner mit Schusswaffen und Messern zu verfolgen. Der Einsatz dauerte nach Angaben des SNC noch an und weitete sich auf andere Ortschaften in der sunnitischen Provinz aus.
Kämpfe und Explosionen
Derweil beschoss die syrische Luftwaffe erneut mehrere Viertel der Wirtschaftsmetropole Aleppo mit Artillerie und automatischen Waffen, wie die im Ausland ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete. Mindestens acht Zivilisten und ein Anführer der Rebellen seien getötet worden. Unter Beschuss waren demnach der Justizpalast im Zentrum von Aleppo sowie die Viertel Schaar und Mardsche im Osten. Schüsse waren auch aus Salaheddin im Westen und Bab al-Nairab im Zentrum zu hören.
Auf das Gebäude des syrischen Rundfunks in Damaskus wurde nach Angaben der Regierung ein Bombenanschlag verübt. In der dritten Etage des Sitzes in einem schwer gesicherten Stadtteil der syrischen Hauptstadt sei eine Bombe explodiert, "mehrere Mitarbeiter" seien verletzt worden, sagte Informationsminister Omran al-Soabi. Schwerverletzte und Tote habe es aber nicht gegeben und das Programm sei nicht unterbrochen worden, fügte er hinzu.
Das Gebäude liegt im Bezirk Omajjad, einer streng gesicherten Zone der Stadt mit zahlreichen Sicherheitskontrollen. Auch für den Eintritt in das Rundfunkgebäude sind mehrere Kontrollen nötig. Am 18. Juli war in Damaskus ein Anschlag auf den innersten Zirkel der Regierung unter Staatschef Baschar al-Assad verübt worden. Dabei waren vier ranghohe Sicherheitsvertreter getötet worden. Die vor allem aus Deserteuren gebildete Freie Syrische Armee hatte die Verantwortung für den Angriff übernommen. Der blutige Konflikt in dem arabischen Land dauert seit nunmehr anderthalb Jahren an.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts