Bahn bricht Flüchtlingsprojekt ab Asylbewerber sollen keine Koffer tragen
24.07.2013, 19:46 Uhr
Ein Asylbewerber trägt am Bahnhof in Schwäbisch Gmünd einen Koffer von Bahnreisenden die Treppen hinauf.
(Foto: picture alliance / dpa)
Schon nach drei Tagen steigt die Bahn aus. Die Befürchtung: Das Bild von koffertragenden afrikanischen Flüchtlingen könnte einigen Menschen aufstoßen. Die Aktion an einem Bahnhof in Baden-Württemberg ist den Verantwortlichen zu heikel.
So hatte sich Richard Arnold das nicht vorgestellt mit den Kofferträgern. "Ich bin enttäuscht und auch traurig für die Menschen, denn es handelt sich um hochmotivierte junge Leute", sagt der Oberbürgermeister von Schwäbisch Gmünd. Was war passiert? Der Bahnhof der kleinen Stadt im Osten Baden-Württembergs wird gerade für die Landesgartenschau 2014 umgebaut. Viele Reisende können die Treppen einer provisorischen Brücke mit Gepäck nicht leicht überqueren.
Zwei Fliegen mit einer Klappe wollte Deutschlands älteste Stauferstadt eigentlich schlagen. Einerseits sollte den Bahnreisenden geholfen werden. Andererseits wollte man interessierte Flüchtlinge mit der Bürgerschaft in Kontakt bringen. Also verabredeten Stadt und Bahn ein gemeinsame Projekt: Asylbewerber helfen beim Koffertragen. Die Aktion, die testweise bis Ende August laufen sollte, war erst in dieser Woche gestartet. Doch nun endet sie abrupt - schon nach drei Tagen.
Denn die Deutsche Bahn zieht die Notbremse. "Die konkreten Beschäftigungsbedingungen sind der Deutschen Bahn erst jetzt bekanntgeworden", teilte die Bahn mit. Arbeitsverhältnisse zu solchen Konditionen könne man nicht unterstützen. 1,05 Euro pro Stunde sollten die Flüchtlinge bekommen - mehr erlaubt das Asylbewerberleistungsgesetz nicht. Nach eigenen Angaben will die Bahn im Gmünder Bahnhof von nun an selbst Mitarbeiter einsetzen, die den Fahrgästen beim Gepäcktransport helfen. Die neuen Helfer sollen nach den Tarifen der Bahn bezahlt werden.
"Schamloses Ausnutzen der Lebenssituation"
Das Projekt mit koffertragenden Asylbewerbern hatte schon im Vorfeld für viel Aufregung gesorgt. Wenig Verständnis für diese Art der sozialen Einbindung hat etwa die Linken-Bundestagabgeordnete Ulla Jelpke: "Flüchtlinge als Kofferträger zu engagieren, ist kein Beitrag zur Integration, sondern ein schamloses Ausnutzen ihrer Lebenssituation." Das sei "Kolonialherrenart".
In Schwäbisch-Gmünd sorgt der Abbruch der Aktion hingegen für Kritik "Wir haben ganz viel Zustimmung bekommen", sagte Stadtsprecher Markus Herrmann. Neben den kritischen Wortmeldungen in sozialen Netzwerken gabe es "viele, die das für eine tolle Idee halten". Auch würden viele Fahrgäste die Hilfe begrüßen. "Ich finde die Aktion durchweg positiv", sagt auch Bernd Sattler von der Flüchtlingsinitiative. "Wir haben schon lange überlegt, wie wir den Flüchtlingen helfen können, dass sie sich in Schwäbisch Gmünd besser ins soziale Leben integrieren können."
Auch Oberbürgermeister Arnold ist enttäuscht über den Abbruch des Projekts. "Dringend müssen wir darüber nachdenken, eine sinnvolle Einwanderungspolitik zu machen für Menschen, die mit Talenten und Fähigkeiten hierherkommen."
Quelle: ntv.de, cro/dpa