Politik

Politik hadert mit Verfassungsschutz Auch Sippel muss gehen

Manch einer würde den Verfassungsschutz gleich ganz abschaffen.

Manch einer würde den Verfassungsschutz gleich ganz abschaffen.

(Foto: dapd)

Die Affäre um Pannen der Verfassungsschutzämter zieht immer weitere Kreise. Weil er bei den Vorgängen um die Neonazi-Zelle NSU das Vertrauen der Thüringer Parlamentarier verloren hat, muss Landeschef Sippel abtreten. Indessen sucht die Politik weiter Antworten auf die Frage, wie es mit dem Inlandsgeheimdienst weiter gehen soll.

Nach den Ermittlungspannen im Fall der Neonazi-Zelle werden die Rufe nach einer umfassenden Reform der Geheimdienste immer lauter. "Wir brauchen einen Philosophiewechsel, damit wichtige Informationen zur Aufklärung von Straftaten nicht nur im Panzerschrank landen", sagte der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann von der CDU der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Dafür sei es notwendig, dass der Verfassungsschutz stärker als bisher an der konkreten Gefahrenabwehr und Strafverfolgung mitwirke.

Schünemann kündigte an, mit anderen Ländern auf eine Reform der Verfassungsschutzämter hinarbeiten zu wollen. Er forderte zudem eine Verbesserung der Ausbildung zum Verfassungsschützer. "Wir müssen eine neue verzahnte Ausbildung auf Bundesebene auf den Weg bringen, gemeinsam für Verfassungsschützer des Bundes und der Länder."

Der Vorsitzende der türkischen Gemeinde, Kenan Kolat, brachte dagegen eine Abschaffung der Verfassungsschutzämter ins Gespräch. Darüber müsse nachgedacht werden, sagte er den Dortmunder "Ruhr Nachrichten". Die Fehler bei den Ermittlungen zu den Morden der Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" - kurz NSU - seien unverzeihlich. "Die Verfassungsschutzämter führen ein Eigenleben", kritisierte Kolat. "Hier wird getrickst, getäuscht und vertuscht." Wer Akten schreddere, wolle etwas verbergen. Diese Verschleierungstaktik sei ein Schlag ins Gesicht der Angehörigen der NSU-Opfer.

Sippel nach 12 Jahren raus

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Hans-Peter Uhl, warnte vor der Abschaffung des Verfassungsschutzes. "Den Verfassungsschutz abzuschaffen bedeutet, den wachsamen Blick auf die Extremisten gleich welcher Couleur aufzugeben", sagte er den "Ruhr Nachrichten". Neonazis, Islamisten, Autonome und Spione würden sich darüber freuen. Nötig sei vielmehr die konsequente Umsetzung notwendiger Reformen.

Am Dienstag kostete die Affäre um die Aufklärung der NSU-Morde einen weiteren Verfassungsschützer das Amt. Der Chef der Thüringer Behörde, Thomas Sippel, wurde von Innenminister Jörg Geibert in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Der Schritt erfolgt einen Tag nach dem Amtsverzicht von Bundesverfassungsschutz-Chef Heinz Fromm.

Sippel habe "nicht mehr das Vertrauen" des thüringischen Landtags, begründete Geibert die Personalentscheidung. Mit Sippel sei er sich in einem Gespräch einig gewesen, dass "dieser Schritt richtig und notwendig" sei, da Vertrauen für die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste wesentlich sei. Sippel war seit 2000 Landesverfassungsschutzchef.

Bundestag nimmt "Rennsteig"-Akten in Augenschein

Sippel war im thüringischen Landtag zuletzt wegen seiner Informationspolitik zur "Operation Rennsteig" unter Druck geraten - jener Operation also, die auch bei Fromms Amtsverzicht eine Rolle spielte. Der thüringische Verfassungsschutz hatte dabei gemeinsam mit dem Bundesverfassungsschutz und dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) zwischen 1997 und 2003 versucht, Informanten bei thüringischen Rechtsextremen anzuwerben.

Einige der Akten waren vergangenes Jahr kurz nach Enttarnung der NSU vom Bundesverfassungsschutz vernichtet worden. Dies hatte der Bundesbehörde scharfe Kritik und den Vorwurf der Vertuschung eingetragen, woraufhin Fromm am Montag seinen Amtsverzicht erklärte.

Wenige Stunden vor der Bekanntgabe von Sippels Abgang berichtete der MDR, dass der thüringische Landesverfassungsschutz doch mehr Akten zur "Operation Rennsteig" habe als zugegeben. Es handle sich um zwei Ordner, die umgehend dem Untersuchungsausschuss des Landtags in Erfurt zur Verfügung gestellt werden sollten. Das Parlamentarische Kontrollgremium des Landtags erwarte einen umfassenden Bericht zu der Geheimdienstaktion.

Zudem sollen die Obleute des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag Einsicht in geheime "Rennsteig"-Akten des Bundesverfassungsschutzes nehmen dürfen. In den Reihen des Ausschusses war die Frage aufgeworfen worden, ob Verfassungsschützer im Rahmen der "Operation Rennsteig" versucht haben könnten, unter NSU-Mitgliedern Spitzel anzuwerben, und dass ein Teil der Akten deshalb vernichtet worden sei.

Quelle: ntv.de, jog/AFP

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