Politik

Moskau spielt Milliardenkarte Auch Süd- und Ostukrainer fordern Referendum

Demonstranten in Donezk.

Demonstranten in Donezk.

(Foto: AP)

Die Welt verfolgt gebannt die Ereignisse auf der Krim. Doch auch in anderen russisch geprägten Regionen der Ukraine spitzt sich die Lage zu. Außenminister Steinmeier rechnet mit einer baldigen Entscheidung über neue Sanktionen. Russland setzt auf finanzielle Argumente.

In mehreren Großstädten der Süd- und Ostukraine haben Tausende prorussische Demonstranten ein Referendum wie auf der Krim verlangt. Im östlichsten Verwaltungsgebiet Lugansk stürmten Aktivisten den Sitz der Regionalregierung und erklärten den Gouverneur für abgesetzt. Demonstranten seien in Bussen aus Russland über die nahe Grenze zu der Kundgebung gefahren, berichteten örtliche Medien. Auch in Donezk und Odessa protestierten Tausende gegen die prowestliche neue Staatsführung. Aus Sicht von Außenminister Frank-Walter Steinmeier rückt eine Verschärfung der EU-Sanktionen gegen Russland näher.

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Die zweite Stufe der EU-Sanktionen gegen Russland sieht Reisebeschränkungen sowie Kontensperrungen für bestimmte im Ukraine-Konflikt verantwortliche Personen vor. "Wenn es in den Gesprächen, die morgen oder übermorgen vielleicht noch anstehen, wenn es dann nicht zu entsprechender Bereitschaft kommt, sich auf der russischen Seite zu bewegen, dann wird man die nächste Stufe der Sanktionen erreichen müssen", sagte der SPD-Politiker im ZDF.

Die zweite Stufe werde notwendig, "wenn es nicht zu einem internationalen Format kommt, in dem die Deeskalation in der Ukraine vorbereitet wird", so Steinmeier. Die EU hatte am vergangenen Donnerstag erste Sanktionen aus Protest gegen Russlands Vorgehen auf der Krim verhängt und weitere angedroht, falls Moskau nicht von seinem Kurs abrückt. Im Extremfall will Brüssel in einer dritten Stufe auch wirtschaftliche Sanktionen beschließen.

US-Präsident Barack Obama drohte Russland mit weiteren Sanktionen, sollte Moskau in der Krise nicht einlenken. Mitten in der Krim-Krise trifft der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk am 12. März in Washington mit Obama zusammen.

1,1 Milliarden Dollar aus Moskau

Eine Woche vor dem geplanten Referendum über einen Anschluss der Krim an Russland verschärft sich der Konflikt zwischen Moskau und Kiew. Die Regierung der Ukraine drehte der moskautreuen Führung der Krim den Geldhahn zu. Prorussische Bewaffnete hatten zuvor OSZE-Beobachtern mit Warnschüssen den Zutritt zur Krim verweigert. Dafür stellte Russland der Schwarzmeer-Halbinsel umfangreiche Finanzhilfen in Aussicht. Moskau wolle der Krim für Infrastrukturmaßnahmen 1,1 Milliarden Dollar (rund 790 Millionen Euro) zur Verfügung stellen, sagte der Vizevorsitzende des Industrieausschusses im Parlament in Moskau, Pawel Dorochin, nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax in Simferopol. Die russische Regierung habe 40 Milliarden Rubel für die Krim zurückgestellt, sagte er mit Bezug auf die entsprechende Summe.

Das Geld sei "in erster Linie" für Unternehmen aus dem Rüstungsbereich vorgesehen, darunter für die Wartung von Schiffen der russischen Schwarzmeerflotte, sagte Dorochin. In Sewastopol liegt die russische Schwarzmeerflotte. Ein Abkommen mit der Ukraine sichert Russland den Standort bis 2035.

Krim-Vizeregierungschef Rustam Temirgalijew sagte in Simferopol, wegen einer Sperrung der Bankkonten könne das Autonome Gebiet laufende Geschäfte nicht mehr finanzieren. Die Führung habe sich bereits an Moskau gewandt, um bei russischen Banken Konten zu eröffnen. Die Halbinsel werde sowieso die russische Währung Rubel einführen, sollte die Mehrheit der Krim-Bevölkerung am 16. März für einen Beitritt zu Russland stimmen, sagte Temirgalijew.

Territoriale Integrität in Gefahr

Die Bewohner der Halbinsel sollen in einem Referendum am nächsten Sonntag darüber entscheiden, ob sich die Krim der Russischen Föderation anschließt. Eine Mehrheit dafür gilt als wahrscheinlich. Die über Jahrhunderte russische Halbinsel gehört völkerrechtlich zur Ukraine. Die Regierung in Kiew und der Westen werfen Russland vor, die Halbinsel vor etwa einer Woche völkerrechtswidrig unter Kontrolle gebracht zu haben. Am Montag werden die Außenminister der Benelux-Staaten Belgien, Niederlande und Luxemburg in Kiew erwartet.

In der Industriemetropole Donezk, der Heimat des gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch, verlangten etwa 1500 Demonstranten unter russischen Fahnen die Loslösung von Kiew, wie die Agentur Itar-Tass berichtete. Auch in der wichtigsten Hafenstadt des Landes, Odessa, forderten einige Tausend Demonstranten mehr Rechte für die Regionen und ein Referendum über den außenpolitischen Kurs des Landes. Im ostukrainischen Charkow, der zweitgrößten Stadt des Landes, demonstrierten dagegen etwa 10 000 Menschen mit einer riesigen ukrainischen Fahne für die Einheit des Landes.

Die neue politische Führung der Krim will den Beitritt zu Russland schnell unter Dach und Fach bringen. "Der Übergangsprozess in eine neue Rechtsprechung ist kompliziert. Aber wir gehen davon aus, dass alles noch im März gelingt", sagte der Vorsitzende des prorussischen Regionalparlaments, Wladimir Konstantinow.

Positionen unversöhnlich

Russlands Präsident Wladimir Putin nahm in einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel die Krim-Regierung in Schutz. Die "legitime" Führung handele in Übereinstimmung mit internationalem Recht und schütze die Interessen der Bewohner auf der Halbinsel. Wie Regierungssprecher Steffen Seibert mitteilte, bedauerte die Kanzlerin, dass es keine Fortschritte bei der Einrichtung einer internationalen Kontaktgruppe gebe. Merkel habe hier rasche substanzielle Ergebnisse angemahnt.

Die Kanzlerin ließ dagegen nach einem Telefonat mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan erklären, die Souveränität, territoriale Integrität und politische Einheit der Ukraine müssten unbedingt geschützt werden. Sie stimme mit Erdogan auch darin überein, dass das Referendum äußerst bedenklich und unrechtmäßig sei. Die Kanzlerin sprach auch mit Chinas Staatspräsident Xi Jinping über die Lage auf der Krim. China hatte Russland zuvor demonstrativ den Rücken gestärkt.

Quelle: ntv.de, sba/dpa

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