Politik

FDP bestätigt Rösler als Nummer Eins Auferstehung eines Totgesagten

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(Foto: dpa)

Philipp Rösler hält auf dem Bundesparteitag der FDP eine seiner kämpferischsten Reden. Die Delegierten bestätigen ihn mit einem beflügelnden, wenn auch nicht überragenden Ergebnis im Amt des Parteivorsitzenden. Ein Minister wird hingegen abgestraft. In Berlin geschieht, was von wenigen Monaten noch niemand für möglich gehalten hätte. Rösler erstarkt.

Es ist kein überragendes Ergebnis, aber ein starkes. Die Delegierten der FDP haben Philipp Rösler auf dem Bundesparteitag in Berlin mit 85,71 Prozent der Stimmen wieder zum Vorsitzenden gewählt. Im Mai 2011 waren es noch rund zehn Prozent mehr. Doch nach dem Führungsstreit in den vergangenen Monaten gilt jedes Ergebnis jenseits der 80-Prozent-Marke schon als Triumph.

Die Personalquerelen schimmerten schließlich noch in Röslers Rede zum Auftakt des Parteitages durch. Als der Parteivorsitzende Dirk Niebel für seine Arbeit als Entwicklungsminister dankte, konnte er sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Er wirkte, als traue er seinen eigenen Worten nicht.

Niebel hatte Rösler wiederholt als Parteichef infrage gestellt, er gilt als sein größter Kritiker. "Es zerreißt mich innerlich, wenn ich den Zustand der FDP sehe", sagte Niebel noch beim Dreikönigstreffen der Liberalen in Stuttgart. Dann machte er Rösler ziemlich deutlich, dass er nicht daran glaubt, dass der Parteichef die FDP durch den Wahlkampf, geschweige denn aus der Krise führen könnte.

Doch die Zeiten der Personalquerelen sind vorüber. Diesen Eindruck wollte Rösler erwecken. Und die Delegierten sahen das offensichtlich genauso, das zeigte nicht nur das Ergebnis Röslers.

Hoffnungsträger Lindner reiht sich ein

Philipp Rösler, kämpferisch.

Philipp Rösler, kämpferisch.

(Foto: dpa)

Die Delegierten setzten darauf, sicherzustellen, dass Rösler als die unangefochtene Nummer Eins in der Partei gilt. Den Hoffnungsträger der Liberalen, der nordrhein-westfälische Landeschef Christian Lindner, wählten sie zu Röslers erstem Stellvertreter. Sein Wahlergebnis reichte an Röslers entsprechend nicht heran. Er bekam 77,81 Prozent der Stimmen. Auch die in der Partei äußerst geschätzte Justizministerin, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ließen sie Rösler mit ihren 83,7 Prozent als zweite Stellvertreterin nur nahe kommen.

Für den dritten Stellvertreterposten mussten sich die Baden-Württembergerin Birgit Homburger und der Sachse Holger Zastrow duellieren. Nach dem ersten Wahlgang war das Ergebnis denkbar knapp. Zastrow bekam 49,92 Prozent der Stimmen, Homburger 45,57. Im zweiten Wahlgang hatte dann Zastrow erneut die Nase vorn und gewann damit. Homburger wurde lediglich als Beisitzerin ins Präsidium gewählt. Generalsekretär Patrick Döring wurde mit 65,6 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt.

Abgestraft wurde Entwicklungsminister Dirk Niebel. Die Delegierten wollten ihn als Beisitzer nicht mehr haben. Auch Gesundheitsminister Daniel Bahr aus dem mächtigen Landesverband Nordrhein-Westfalen scheiterte mit dem Versuch, in das Führungsgremium zu kommen. Überraschend setzte sich der Kieler Fraktionschef Wolfgang Kubicki in zwei Wahlgängen gegen die Minister durch. Nach einer starken Bewerbungsrede holte Kubicki 63,7 Prozent. Bahr bekam nur 33,3 Prozent. Niebel war schon im ersten Wahlgang mit 25,3 Prozent gescheitert.

Schon vor der Bekanntgabe der Wahlergebnisse hatte sich Rösler selbstbewusst gezeigt. Mit durchgedrücktem Kreuz stand Rösler bei seiner Auftaktrede auf der Bühne. An seinem Pult prangte der Schriftzug: "Damit Deutschland vorn bleibt." Der Vorsitzende sagte: "Wir halten Deutschland auf Kurs, wir lassen uns nie beirren." Er machte den Liberalen Mut. "Wir haben im September alle Chancen". Und er ermahnte seine Parteikollegen, sich nicht beim Wähler anzubiedern: "Wir machen keine Kuschelpolitik, wir tanzen nicht im Kirschblütenregen."

Rösler hat verbal in den Wahlkampfmodus geschaltet. Eine derart klare Rede wie in Berlin hat er selten zuvor gehalten. Vor allem punktete er mit einem: Mit Kritik am politischen Gegner.

Kampf gegen Birkenstocksandalen

"Früher ist der Obrigkeitsstaat mit Pickelmütze gekommen, heute kommt er mit Birkenstocksandalen angeschlichen", sagte er und zielt damit auf die angebliche Bevormundungspolitik der Grünen ab. Rösler wetterte über Fett- und Tütensteuern. "Die Grünen träumen von Verboten und wenn sie aufwachen zumindest von Steuererhöhungen."

Mit Blick auf die Haushaltspolitik der Sozialdemokraten sagte er: "Die Schulden in Deutschland haben zwei Farben: rot und grün. Und stabile Haushalte haben auch zwei Farben, nämlich blau und gelb." SPD und Grüne wollten Verbote und "Steuererhöhungsorgien". Das sei nicht seriös.

Rösler zieht Grenzen

Vehement versuchte er sich zudem von der Union abzugrenzen. "Ich würde mir wünschen, auch unser Koalitionspartner hätte die Kraft, sich unsere Lebenswirklichkeit anzusehen", sagte er in Anspielung auf die Hemmungen von CDU und CSU, sich der Homo-Ehe zu öffnen. Er hob hervor, dass die FDP nicht bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Sommer warten wolle, um gleiche Rechte durchzusetzen.

Auch beim Thema Zuwanderung versuchte er deutlich zu machen, dass es gute Gründe gebe, die FDP, nicht die Union zu wählen. Er setze sich für eine schnellere Einbürgerung ein "und natürlich für eine doppelte Staatsbürgerschaft."

Das Wort "Kampf" war eine zentrale Größe in Röslers Rede. Er zeigte sich ungewohnt martialisch, sprach vom Kampf gegen "den Grünen Wandel", vom Kampf für stabiles Geld und von der Kämpfernatur Rainer Brüderle, den die Delegierten noch am Wochenende zum Spitzenkandidat für die Bundestagswahl wählen sollen.

Mindestlohn treibt Liberale um

Nur als die Zwänge der Regierungsverantwortung den demonstrierten Wahlkampfmodus Röslers, der FDP, unterbrachen, musste Rösler einen Rückschlag verkraften.

"Ein Grundprinzip der sozialen Marktwirtschaft ist: Leistung soll sich lohnen", sagte er. "Darum kämpfen wir für das Thema faire Löhne." Ein vereinzelter Bravo-Ruf unterbrach seine Rede, sonst erntete er hier keinen Applaus.

Die FDP-Führung will sich auf dem Parteitag des Rückhalts der Delegierten bei ihrem Kompromisskurs in Sachen Mindestlohn versichern. Die liberalen lehnen einen flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn, wie ihn die Opposition fordert ab, die Führung will aber in weiteren Branchen, regional differenzierte Lohnuntergrenzen ermöglichen.

"Es gibt Regionen, in denen nützt es nichts, wenn sie auf die Tarifautonomie pochen", versuchte der Parteivorsitzende zu erklären. Der Applaus war verhalten, genauso wie bei dem Satz: "Wir haben kein Patentrezept. Deswegen auf alten Positionen zu beharren, fände ich nicht klug." Vor allem der harte wirtschaftsliberale Kern hält von dem Kompromiss nichts.

Am Ende aber quittierten die Delegierten Röslers Rede mit minutenlangen stehenden Ovationen - ein Vorgeschmack auf sein späteres gutes Wahlergebnis. Wie real Röslers Status als unumstrittene Nummer eins zumindest im FDP-Wahlkampf wirklich ist, zeigte sich dann bei der Abwahl seines Kritikers Dirk Niebel.

Quelle: ntv.de

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