"Der schönste Tag meines Lebens" Aufräumen auf dem Tahrir-Platz
12.02.2011, 07:56 Uhr
Großreinemachen in Kairo.
(Foto: AP)
US-Präsident Obama vergleicht den Umsturz in Ägypten mit dem Fall der Mauer. Man könne nicht anders, als Echos der Geschichte zu hören - etwa das Echo der Deutschen, als sie die Mauer niederrissen oder das von Gandhi, der sein Volk auf den Pfad der Gerechtigkeit geführt habe, so Obama. Die Ägypter selbst feiern die ganze Nacht den Abgang ihres Präsidenten. Die Macht liegt nun beim Militär. Das will den Ausnahmezustand erst aufheben, wenn die Umstände es zuließen.
Mit Triumphgesängen, Feuerwerk, Autokorsos und Hupkonzerten haben die Ägypter die ganze Nacht den Rücktritt von Präsident Husni Mubarak gefeiert. Am frühen Morgen wurde die Stimmung kurzzeitig besinnlicher, als die Demonstranten gemeinsam auf dem Tahrir-Platz in Kairo beteten, der Mittelpunkt der Massenproteste gegen Mubarak gewesen war.
Am Morgen begannen die Soldaten am Tahrir-Platz damit, Stacheldraht zu entfernen. Sie beseitigten auch ausgebrannte Fahrzeuge, die Demonstranten zum Schutz vor Angriffen von Mubarak-Anhängern aufgestellt hatten. Auch die Barrikaden vor dem Ägyptischen Museum an der Nordseite des Platzes wurden abgebaut. Die Panzer, die die Zugänge zum Platz versperrt gehalten hatten, fuhren auf die Seite. Auch viele Demonstranten halfen beim Aufräumen des Platzes. Tausende harren weiter auf dem Tahrir aus.
Nach 18-tägigen Protesten von Millionen Demonstranten hatte Mubarak am Freitag nachgegeben und seinen Rückzug erklären lassen. Das Militär übernahm die Macht, sagte jedoch zu, der Ausnahmezustand werde aufgehoben, wenn die Umstände es zuließen. Der Ausnahmezustand wurde 1981 verhängt. Seither war auch Mubarak an der Macht.
Vizepräsident Omar Suleiman erklärte am Freitag im staatlichen Fernsehen, Mubarak sei zurückgetreten und habe die Führung des Landes in die Hände der Streitkräfte gelegt. Mubarak selbst hatte sich nach Scharm el Scheich auf den Sinai abgesetzt.
Der Oppositionspolitiker und Friedensnobelpreisträger Mohammed el-Baradei sagte laut BBC: "Das ist der schönste Tag meines Lebens."
Obama hört "Echo der Deutschen"
US-Präsident Barack Obama verglich die Vorgänge in Ägypten mit dem Fall der Berliner Mauer. Man könne nicht anders, als Echos der Geschichte zu hören - etwa das Echo der Deutschen, als sie die Mauer niederrissen oder das von Gandhi, der sein Volk auf den Pfad der Gerechtigkeit geführt habe, sagte Obama. "Das ägyptische Volk hat gesprochen." Ägypten werde nie mehr so sein wie zuvor. "Mit seinem Rücktritt hat Präsident Mubarak auf den Hunger des ägyptischen Volks nach Wandel reagiert." Doch dies sei erst der Anfang des Übergangs. "Ich bin mir sicher, dass noch viele schwierige Tage kommen werden". Viele Fragen seien noch nicht gelöst. Er sei jedoch zuversichtlich, dass die Ägypter die Antworten auf friedliche Weise finden könnten.
Obama lobte das Militär für dessen verantwortungsvolles Verhalten. Jetzt müsse es sicherstellen, beim Übergang zur Demokratie sämtliche politischen Kräfte Ägyptens einzubinden. Zugleich versicherte er, dass die USA ein "Freund und Partner Ägyptens bleiben". Sein Land stehe bereit, bei einem glaubhaften Übergang zur Demokratie zu helfen, sagte Obama.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich sehr erfreut. "Wir sind alle Zeugen eines historischen Wandels", sagte sie. Sie wünsche den Ägyptern eine Gesellschaft "ohne Korruption, Zensur, Verhaftung und Folter". Die Entwicklung in Ägypten müsse jetzt unumkehrbar gemacht und friedlich gestaltet werden. "Am Ende der Entwicklung müssen freie Wahlen stehen."
Armee will "Willen des Volkes erfüllen"
Nach Mubaraks Rücktritt übernahm am Freitagabend der Oberste Militärrat unter dem bisherigen Verteidigungsminister Mohammed Hussein Tantawi die Macht. Tantawi grüßte am Abend vor dem Präsidentenpalast in Kairo feiernde Demonstranten. Das Oberkommando der Streitkräfte werde Regierung und Parlament entlassen, berichtete der arabische Nachrichtensender Al-Arabija.

Ein Armeesprecher salutiert, nachdem er eine Erklärung der Armeeführung mit dem Titel "Kommuniqué Nr. 3" verlesen hat.
(Foto: REUTERS)
In einer Erklärung versicherte ein Sprecher des Obersten Militärrats im Fernsehen, dass das Militär den Willen des Volkes erfüllen wolle. Er dankte dem zurückgetretenen Präsidenten. Den Menschen, die bei den Protesten getötet wurden, bezeugte er mit einem militärischen Gruß Respekt. Sie hätten ihr Leben für die Freiheit Ägyptens gegeben.
Am Donnerstag hatten die Demonstranten stundenlang hoffnungsvoll auf eine Erklärung Mubaraks gewartet und waren dann enttäuscht worden. Der 82-Jährige hatte nach fast 30 Jahren im Amt einen Rücktritt erneut abgelehnt. Dass Vizepräsident Suleiman einen Teil der Vollmachten Mubaraks übernahm, ging der Opposition nicht weit genug.
Dass es dann doch einen Rücktritt geben würde, zeichnete sich am Freitagmittag ab, als Augenzeugen berichteten, ein Hubschrauber sei vom Präsidentenpalast im Kairoer Stadtteil Heliopolis aus abgeflogen. Wenig später landete Mubarak im Badeort Scharm el Scheich. Mehrfach war in den vergangenen Tagen die Möglichkeit ins Spiel gebracht worden, dass sich Mubarak dorthin zurückziehen könnte.
Schweiz will Konten sperren

Und die Revolution wurde doch vom Fernsehen übertragen - vor dem Gebäude des staatlichen Rundfunks in Kairo dankt ein Ägypter dem Sender al-Dschasira.
(Foto: AP)
Die Schweizer Regierung will mögliche Konten des Mubarak-Clans ausfindig machen und dann sperren. Eine entsprechende Verordnung sei von der Regierung angeordnet worden, sagte Außenministerin Micheline Calmy-Rey. Nach Medienberichten soll der Mubarak-Clan mehr als 40 Milliarden Dollar angesammelt haben. Wie viel davon auf Schweizer Banken gelandet ist, bleibt noch ungewiss.
In Algerien schlugen Sicherheitskräfte eine spontane Kundgebung von Regimegegnern nieder. Nach Angaben der Oppositionspartei RCD wurden dabei am Freitagabend zehn Demonstranten verletzt. RCD-Anhänger hatten sich nach dem Mubarak-Abgang spontan zu einem Protestmarsch entschlossen und auf Arabisch gerufen: "Mubarak ist gestürzt. Wir hoffen, dass Bouteflika der nächste ist!" Für diesen Samstag haben Gegner des autoritären algerischen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika trotz eines Demonstrationsverbots zu einem Protestmarsch aufgerufen.
Quelle: ntv.de, hvo/dpa/rts/AFP