Machtlose Gewerkschaften Auslaufmodell Flächentarif
14.06.2007, 16:16 UhrNur noch die Hälfte der Arbeitnehmer in Deutschland steht unter dem Schutz eines Flächentarifvertrags. Ein weiteres Fünftel der Beschäftigten arbeitet nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg in Betrieben, die sich an einem Flächentarifvertrag orientieren. Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung geht jedoch davon aus, dass der seit Jahren vor allem im Westen anhaltende Trend der Tarifflucht auf Grund der positiven wirtschaftlichen Entwicklung zumindest gestoppt wird.
Nach Angaben des IAB arbeiteten im vergangenen Jahr in Westdeutschland nur noch 57 Prozent der Beschäftigten in Betrieben, die dem Flächentarifvertrag unterliegen. Im Jahr 1996 waren es noch 69 Prozent. In Ostdeutschland ergab sich in den vergangenen zehn Jahren ein Rückgang von 56 auf 41 Prozent. Die Daten stammen aus einer jährlichen Befragung von 16.000 Betrieben und Verwaltungen, dem so genannten IAB-Betriebspanel. Die Erosion der Flächentarifverträge sei zumindest im Westen bislang nicht gestoppt, bilanzierte das IAB. In Ostdeutschland deuteten die Zahlen der letzten Jahre dagegen eher auf eine Stabilisierung hin - allerdings auf deutlich niedrigerem Niveau.
"Diese Entwicklung ist aus unserer Sicht nicht zufrieden stellend", sagte Reinhard Bispinck von der Hans-Böckler-Stiftung. "Angesichts der guten Konjunktur besteht die Chance, den Abwärtstrend zu stoppen oder vielleicht sogar wieder umzudrehen." Ansatzpunkte sieht Bispinck in der Diskussion über Mindestlöhne und das Entsendegesetz. Die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen bietet aus seiner Sicht die Möglichkeit, Lohndumping zu begrenzen.
Nach den Zahlen des IAB arbeiten weitere 8 Prozent der Beschäftigten im Westen und 13 Prozent im Osten in Unternehmen, in denen ein Firmentarifvertrag zwischen Betrieb und Gewerkschaft abgeschlossen wurden.
Fast jeder achte Beschäftigte arbeitet mittlerweile unter den Bedingungen eines betrieblichen Bündnisses zur Wettbewerbs- und Standortsicherung. Im verarbeitenden Gewerbe ist dies sogar bei mehr als jedem Vierten der Fall. Nach Angaben des IAB wurden weniger als 25 Prozent der betrieblichen Bündnisse als Reaktion auf eine aktuelle Krise abgeschlossen. Die Mehrheit der Betriebe nutze Mittel wie Verlängerung der Arbeitszeit und niedrigere Entlohnung zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Dabei gehe es den Unternehmen zum einen darum, ihre Konkurrenzfähigkeit zu verbessern und zum anderen, eine mögliche Krise von vorneherein abzuwenden.
Quelle: ntv.de