Politik

Clement legt Berufung ein Ausschluss spaltet SPD

Der drohende Parteiausschluss von Ex-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement führt zu heftigem Streit in der SPD und reißt die Gräben zwischen linkem und rechtem Flügel aufs Neue auf. Während linke Vertreter der Sozialdemokraten den Schritt als berechtigt begrüßten sprang der konservative Parteiflügel der Symbolfigur der rot-grünen Agenda-2010-Politik zur Seite. "Ich hoffe, dass Clement in Berufung geht und die Bundesschiedskommission anruft", sagte der Sprecher des Seeheimer Kreises, Klaas Hübner.

Genau das werde er auch tun, teilte der ehemalige Innenminister Otto Schily mit, der Clement als Rechtsbeistand in dem Verfahren zur Seite steht. Gegen die Entscheidung der Landesschiedskommission der SPD in Nordrhein-Westfalen "werde ich fristgerecht im Auftrag von Wolfgang Clement Berufung bei der Bundesschiedskommission der SPD einlegen", erklärte Schily. Er fügte wörtlich hinzu: "Ihn aus der SPD zu verbannen, hat suizidalen Charakter."

Überraschender Rauswurf

Die Schiedskommission der SPD in Nordrhein-Westfalen hatte am Donnerstag überraschend Clements Parteiausschluss beschlossen. Er ist seit 38 Jahren Mitglied der Sozialdemokraten. Der heutige Aufsichtsrat der RWE-Kraftwerkstochter RWE-Power hatte massiven Unmut in der SPD ausgelöst, weil er im Januar dazu aufgerufen hatte, die hessische Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti wegen ihrer Energiepolitik nicht zu wählen. Der Vorwurf, der nun zum Parteiausschluss führte, lautete auf "Verletzung der innerparteilichen Solidarität".

Bundes- und Landes-Politiker der SPD betonten, die Schiedsleute seien nicht Weisungsgebunden. Die Kommission sei kein politisches Gremium, sondern unabhängig, sagte die nordrhein-westfälische SPD-Chefin Hannelore Kraft. Das ZDF berichtete unter Berufung auf ein Telefonat mit Clement an dessen Urlaubsort, dieser sei von der Nachricht "wie vom Donner gerührt" gewesen. Bereits im Vorfeld hatte Clement angekündigt, sich gegen einen Parteiausschluss zu wehren. In der Bundes-SPD hieß es, von dem Ausschluss sei man überrascht worden, man habe lediglich noch eine Rüge erwartet.

Steinmeier gegen Ausschluss

Wie brisant der mögliche Rauswurf Clements ist, zeigten erste Reaktionen prominenter Parteivertreter. Mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat sich erstmals ein Mitglied der engsten SPD-Führung gegen einen Parteiausschluss gewandt. Der stellvertretende Parteichef sprach sich indirekt für einen Verbleib Clements in der SPD aus. "Ich bin froh, dass es in der Volkspartei SPD viele Meinungen gibt - von Wolfgang Clement bis Erhard Eppler", erklärte Steinmeier in Berlin. "Das macht die SPD gelegentlich kompliziert, aber stark."

Steinmeier verwies ausdrücklich auf Clements Verdienste. Die Entscheidung der Schiedskommission der SPD in Nordrhein-Westfalen, Clement wegen seiner Äußerungen im Hessen-Wahlkampf aus der Partei auszuschließen, müsse nicht das letzte Wort sein. "Die Bundesschiedskommission wird nun die Argumente überprüfen", sagte Steinmeier. Clements Äußerungen im Wahlkampf seien alles andere als hilfreich gewesen. "Allerdings wird die Kommission auch die politische Biografie eines Sozialdemokraten zu würdigen haben, der SPD-Landesvorsitzender war, der Ministerpräsident war und der nicht gezögert hat, dem Ruf nach Berlin als Bundesminister zu folgen."

Gabriel und Müntefering warnen

Auch Umweltminister Sigmar Gabriel und Ex-Parteichef Franz Müntefering warnten vor einem Ausschluss. "Die in demokratischer Streitkultur geübte Sozialdemokratie muss solche Auseinandersetzungen anders als mit Ausschluss beantworten", sagte Müntefering. "Wolfgang Clement gehört zur SPD dazu. Besonnenheit ist angesagt." Er hoffe, dass Clement die Bundesschiedskommission anrufe und in der SPD bleibe. Müntefering hatte sich voriges Jahr wegen der Krankheit seiner Frau zurückgezogen. Er meldete sich nur in Ausnahmefällen zu Wort, verfügt in der Partei aber noch über große Autorität.

Gabriel, der auch Mitglied des SPD-Bundesvorstands ist, kritisierte das Verfahren ebenfalls deutlich. "Natürlich war der verkappte Wahlaufruf von Wolfgang Clement gegen die hessische SPD vor der hessischen Landtagswahl eine Riesendummheit und auch parteischädigend. Aber wenn wir jeden, der bei uns mal Blödsinn erzählt oder uns Probleme macht, ausschließen, dann wird's auf die Dauer einsam."

"Volkspartei muss das aushalten"

Er erinnerte an die innerparteilichen Auseinandersetzungen in der Regierungszeit Gerhard Schröders. "Auch nach dem Verlust der Regierungsmehrheit von Helmut Schmidt hat es ehemalige Regierungsmitglieder gegeben, die in ihrem Frust der SPD mangelnde Regierungsfähigkeit vorgehalten haben. Wir haben so etwas immer ausgehalten und politisch ausgetragen und nicht aufgrund von Parteiausschlussverfahren." Eine Volkspartei wie die SPD sei stark genug, eine derartige Meinungsvielfalt auszuhalten. Zugleich warnte Gabriel vor den politischen Folgen. "Wenn wir anfangen, so den innerparteilichen Meinungsstreit zu beenden - uns gegenseitig auszuschließen - gibt es nur einen Gewinner: die politische Konkurrenz von CDU und Linkspartei."

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil äußerte sich zurückhaltender zu dem Ausschlussverfahren. Die Entscheidung der Schiedskommission muss "nicht das letzte Wort sein", aber jetzt sei Besonnenheit angesagt. Als Beteiligte des Verfahrens habe die Spitze der Bundespartei die Düsseldorfer Entscheidung nicht zu kommentieren.

Das linke SPD-Vorstandsmitglied Hermann Scheer sagte dagegen dem "Tagesspiegel", nicht Clements Atomkurs sondern dass er in der heißen Phase des Wahlkampfes öffentlich dazu aufgerufen habe, die SPD nicht zu wählen, sei entscheidend. Der SPD-Landeschef von Schleswig-Holstein, Ralf Stegner, hält den Ausschluss deshalb für berechtigt. Clement habe "aufs eigene Tor geschossen", sagte er der Berliner Zeitung "B.Z.".

"Ideologische Säuberungsaktion"

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Reinhard Schultz sprach von einem lächerlichen und beängstigenden Vorgang. Damit griffen "ideologische Säuberungsaktionen" in der SPD Platz, "die an die Praxis in kommunistischen Kaderparteien erinnern". Fraktionschef Peter Struck nannte in der "Sächsischen Zeitung" Clements Äußerungen im Hessen-Wahlkampf "ohne Zweifel ärgerlich", verwies aber auch auf dessen Verdienste.

Mit Clement würde eine der Symbolfiguren der Agenda 2010 aus der SPD gedrängt. Er war eine treibende Kraft der rot-grünen Reformpolitik, mit der Ex-Kanzler Gerhard Schröder das Wirtschaftswachstum ankurbeln und die Massenarbeitslosigkeit bekämpfen wollte. Die Einschnitte in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik wurden vom linken Parteiflügel teils heftig bekämpft und sind in Teilen bereits abgeschwächt worden. Clement war von 2002 bis 2005 Minister für Wirtschaft und Arbeit.

Häme bei der Konkurrenz

Die anderen Parteien reagierten mit Häme und Kritik auf das Ausschlussverfahren. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger", aus der SPD werde "alles gnadenlos aussortiert, was mit den Reformen der Agenda 2010 zu tun hat, nicht nur programmatisch, sondern auch personell". Die Linke bezeichnete den geplanten Rauswurf als überfällig bezeichnet und riet der SPD auch zum Ausschluss von Alt-Kanzler Gerhard Schröder und Ex-Arbeitsminister Franz Müntefering. "Diese beiden sind die Hauptverantwortlichen für den Niedergang der SPD", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Partei Die Linke und frühere SPD-Anhänger Klaus Ernst.

Nach Darstellung des Chefs des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, wird der drohende Clement-Rauswurf die SPD weitere Sympathien bei den Wählern kosten. "Das ist für die SPD katastrophal", sagte Güllner der "Saarbrücker Zeitung".


Rauswurf nach 38 Jahren Mitgliedschaft

Clement ist seit 1970 Parteimitglied. 1987 legte er wegen mangelnder Unterstützung der SPD für ihren Kanzlerkandidaten Johannes Rau seine Ämter als Sprecher des SPD-Vorstandes und Vize-Bundesgeschäftsführer der SPD nieder. Als NRW-Wirtschafts- und Verkehrsminister lieferte sich Clement heftige Auseinandersetzungen mit Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) um den Braunkohlentagebau Garzweiler II. Von 1998 bis 2002 war Clement Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen.

Als Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit (2002 bis 2005) in der rot-grünen Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder setzte er die Hartz-Arbeitsmarktreformen durch und stritt mit Finanzminister Hans Eichel (SPD) um eine Unternehmenssteuerreform, mit Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) um die Verteilung von Verschmutzungsrechten beim Emissionshandel. Seit 2006 sitzt Clement in mehreren Aufsichtsräten, unter anderem beim Energiekonzern RWE Power AG.

Quelle: ntv.de

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