Was geschah in Kundus? Ausschuss wird zum Zankapfel
21.01.2010, 18:00 Uhr
Akten des Anwalts der Hinterbliebenen des Luftangriffs.
(Foto: dpa)
100 Beweisanträge liegen vor, 40 Zeugen aus Politik und Bundeswehr sollen geladen werden: Der Untersuchungsausschuss zum umstrittenen Luftschlag in Kundus nimmt seine Arbeit auf. Und wird gleich überschattet von politischem Gezänk.

Wann wusste wer was? Auch der aktuelle Verteidigungsminister Guttenberg soll gehört werden.
(Foto: dpa)
Mit Streit zwischen Regierung und Opposition hat der Untersuchungsausschuss zum verheerenden Luftangriff bei Kundus in Afghanistan seine Arbeit aufgenommen. Grüne, Linke und SPD wollen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) noch vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai hören. Nach der nun erzielten Einigung könnte dies frühestens Mitte März der Fall sein. Bis dahin wollen Union und FDP vor allem die Fakten rund um die Vorgänge des Luftangriffs vom 4. September klären.
Die SPD stellte derweil Bedingungen für ein neues Afghanistan-Mandat. Die Partei verlangt von der Regierung eine Verdoppelung der Zahl der deutschen Polizeiausbilder sowie eine "konkrete Perspektive" für eine schrittweise Verringerung der ISAF-Truppen von Sommer 2011 an, heißt es in einem der "Frankfurter Rundschau" vorliegenden Positionspapier.

Die Sozialdemokratin Susanne Kastner leitet den Ausschuss.
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Der verteidigungspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Ernst- Reinhard Beck (CDU) sprach im Vorfeld des Kundus-Ausschusses von "politischem Klamauk" und warf SPD, Grünen und Linken vor, nicht an sachlicher Aufklärung interessiert zu sein. Der Verteidigungsausschuss des Bundestages hatte sich zur Aufklärung des bisher schwersten Zwischenfalls im Auslandseinsatz der Bundeswehr im Dezember in einen Untersuchungsausschuss umgewandelt. Weitgehend Einigkeit bestand aber darin, in den ersten Sitzungen als ersten Themenblock die Vorgänge um den Angriff vom 4. September 2009 zu thematisieren.
Damals waren nahe Kundus beim Bombardement zweier von Taliban entführter Tankwagen bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt worden - darunter Zivilisten. Als weiterer Komplex sollen im Ausschuss die Kommando-, Informations- und Befehlsstränge und die Rolle der Ministerien betrachtet werden, sagte Beck. Aufklärung sei auch das Ziel der Union.
Merkel erhält Vorladung
Guttenberg steht in der Kritik, weil er den Luftschlag zunächst als "militärisch angemessen" bezeichnet hatte, obwohl ein NATO-Bericht der Bundeswehr viele Fehler vorwirft. Später korrigierte sich Guttenberg. Dem Ausschuss liegen rund 100 Beweisanträge vor, 40 Zeugen sollen geladen werden. Der FDP-Politiker Hellmut Königshaus bestätigte, dass es beim dritten Untersuchungskomplex - der politischen Aufarbeitung - noch keine Einigung über die Reihenfolge der Zeugenbefragung gebe. Daher müsse der "Notnagel des Gesetzes", das Reißverschlussverfahren, greifen. Dabei können Opposition und Regierung im Wechsel Zeugen laden, was aber eine strukturierte Arbeit erschwert.

Vor allem die Informationspannen im Zusammenhang mit dem Luftanschlag sollen aufgeklärt werden.
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Die Ausschussvorsitzende Susanne Kastner (SPD) sagte, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) solle geladen werden. CDU-Mann Beck betonte: "Wir haben nichts zu verbergen." Linken-Verteidigungsexperte Paul Schäfer mahnte eine "umfassende Aufklärung" der Vorgänge an. Grünen-Chefin Claudia Roth kritisierte, Guttenberg habe Aufklärung versprochen, hülle sich aber nun seit Wochen in Schweigen.
SPD will raus
Das Bundeswehr-Kontingent in Afghanistan soll unterdessen zugunsten von mehr Heeressoldaten umgeschichtet werden. Nach derzeitigen Planungen wäre es denkbar, dass von März 2011 an insgesamt 2500 Heeressoldaten in Afghanistan eingesetzt werden, rund 500 mehr als zurzeit, teilte ein Heeressprecher am Rande des Jahresempfanges der Bundeswehr in Hannover mit. Die Obergrenze soll bei 4500 Soldaten bleiben.
Unterdessen bekräftigte die SPD ihre Forderung nach einem klaren Abzugsplan. "Jeder sagt inzwischen, dass dieser Konflikt durch weitere militärische Präsenz nicht zu gewinnen ist", sagte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel in der ARD. Der SPD- Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier hatte zuvor den Zeitraum 2013 bis 2015 genannt.
Quelle: ntv.de, dpa