Streit um Anti-Islam-Film BKA befürchtet Terror
28.03.2008, 13:48 UhrDie Veröffentlichung des radikal anti-islamischen Films des niederländischen Politikers Geert Wilders erhöht nach Einschätzung des Bundeskriminalamts auch in Deutschland die Terrorgefahr.
Ebenso wie die jüngsten Drohbotschaften von El-Kaida-Chef Osama bin Laden könne das Video potenzielle Täter anregen, vermutet der für Staatsschutz zuständige Abteilungspräsident Klaus Wittling. BKA-Chef Jörg Ziercke betonte allerdings, dass es derzeit keine konkreten Hinweise auf Anschläge gebe.
Der Rechtspopulist Wilders hatte seinen 15-minütigen Film am Donnerstag im Internet veröffentlicht. Der Streifen trägt den Titel "Fitna" (Zwietracht). Er stellt Verse aus dem Koran in direkten Zusammenhang mit muslimischem Extremismus, setzt den Islam mit dem Faschismus gleich und verlangt ein Verbot des Korans.
"Gemein und verletzend"
Die niederländische Regierung distanzierte sich von Wilders' Video. "Wir sehen nicht, dass damit etwas anderes bezweckt wird als das Verletzen von Gefühlen", erklärte Ministerpräsident Jan Peter Balkenende und machte deutlich, dass er Wilders' Auffassung widerspreche.
Der Fraktionsvorsitzende der regierenden Christdemokraten, Pieter van Geel, nannte den Film "gemein und verletzend". Eine Sprecherin der mitregierenden Sozialdemokraten sagte, Wilders stelle bereits bekannte Szenen so zusammen, dass sie "angsteinflößend" wirken.
"Gemeinsam Probleme lösen"
Aus Furcht vor gewalttätigen Protesten hat die Polizei den Parlaments- und Regierungssitz in Den Haag abgeriegelt. Die Niederlande hatten bereits vor einigen Wochen ihre Botschaften zu erhöhter Aufmerksamkeit aufgerufen. Balkenende dankte islamischen Organisationen, die vor dem Erscheinen des Films zur Besonnenheit aufgerufen hatten und ihre Moscheen für Nicht-Muslime öffnen wollen, um Spannungen abzubauen.
"Lassen Sie uns gemeinsam die Probleme lösen", bat Balkenende in seiner live ausgestrahlten und in Niederländisch und Englisch abgegebenen Stellungnahme. Die Niederlande stünden für eine Gesellschaft der Freiheit und des Respekts.
Die EU unterstützte Balkenende. "Derartiges dient keinem anderen Zweck als den Hass anzustacheln", erklärte die derzeitige slowenische EU-Präsidentschaft. "Freie Meinungsäußerung gehört zu unseren Werten und Traditionen. Sie sollte jedoch im Geiste des Respekts vor der Religion und anderen Überzeugungen ausgeübt werden."
Krawalle blieben bislang aus
Seit dem Erscheinen von "Zwietracht" ist noch nicht zu Krawallen gekommen - ganz im Gegensatz zu den landesweiten Ausschreitungen nach der Ermordung des Filmregisseurs Theo van Gogh durch einen Islamisten im Jahr 2004. In den Niederlanden mit ihren 16 Millionen Einwohnern leben fast eine Million Muslime. Die Regierung bemüht sich bereits seit Monaten darum, Spannungen abzubauen. Diese Politik hat sich offenbar ausgezahlt.
Niederländische Fernsehsender hatten sich geweigert, Wilders' Film zu zeigen, woraufhin der Politiker auf das Internet auswich. Im Zuge ihrer Berichterstattung zeigen Fernsehanstalten den Film inzwischen jedoch in Auszügen und sogar in voller Länge.
"Islam muss besiegt werden"
Im ersten Teil des Films zitiert Wilders Verse aus dem Koran über das Töten von Ungläubigen. Dies kombiniert er mit Bildern von den Anschlägen muslimischer Extremisten in New York und Madrid sowie mit Bildern von Hinrichtungen.
Im zweiten Teil sind zahlreiche niederländische Zeitungsüberschriften über den angeblich immer stärker werdenden Einfluss des Islam in der Gesellschaft zu sehen. Schließlich fordert Wilders, so wie 1945 der Nationalsozialismus und 1989 der Kommunismus besiegt worden seien, müsse jetzt auch der Islam besiegt werden. Es handele sich um eine faschistische Ideologie zur Zerstörung der westlichen Zivilisation.
Die niederländische Zeitung "de Volkskrant" erklärte, Wilders Film arbeite mit den gleichen Propagandamethoden, mit denen totalitäre Regime versuchen, Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufzuhetzen. Auch die dänische Zeitung "Jyllands-Posten", in der 2005 die umstrittenen Mohammed-Karikaturen erschienen waren, distanzierte sich von Wilders anti-islamischer Haltung.
Mohammed-Karikaturist fordert Verbot
Die Aufruhr stiftenden Mohammed-Karikaturen spielen nämlich auch hier wieder eine Rolle: Wilders' Film beginnt und endet mit einer der Zeichnungen des dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard, die den Propheten Mohammed mit einer Bombe im Turban zeigt. 2006 hatten die Karikaturen zum Teil gewaltsame Proteste in der islamischen Welt ausgelöst. Auch der Nachdruck der Zeichnungen führte im Februar zu Demonstrationen.
Westergaard protestiert gegen die Verwendung der Zeichnungen und kündigte juristische Schritte gegen den Film an. Im dänischen Rundfunk sagte Westergaard, er betrachte die Verwendung seiner Zeichnungen in Wilders Films als Missbrauch.
Der Karikaturist teilt mit Wilders das Schicksal, auf der Flucht zu leben: Seit der erneuten Veröffentlichung seiner Zeichnung lebt er wegen Morddrohungen an wechselnden Adressen.
Internationale Reaktionen und Terrorgefahr
Schon vor der Ausstrahlung des Videos hatten Demonstranten von Afghanistan bis Indonesien niederländische und dänische Fahnen verbrannt. Der Iran appellierte an europäische Regierungen, die weitere Ausstrahlung des Films zu verhindern.
Vor diesem Hintergrund warnt auch das Bundeskriminalamt. BKA-Präsident Ziercke erinnerte, dass in Deutschland weiter intakte Netze islamistischer Terroristen existierten. Die Festnahme der Kofferbomber 2006 und der Sauerland-Gruppe im vergangenen Jahr habe lediglich "die Gefahrenspitze gekappt". El Kaida werbe gezielt zum Islam übergetretene Deutsche an, weil sie sich wegen ihres westlichen Aussehens und ihrer Staatsangehörigkeit unauffälliger bewegen könnten. Derzeit seien sieben solche Konvertiten als Gefährder eingestuft.
Um Bombenbau und Tarnung zu trainieren, müssten potenzielle Täter keine Ausbildungscamps mehr besuchen, sagte Ziercke. Anwerbung und Ausbildung liefen ebenso über das Internet: "Wir sprechen mittlerweile von Fernuniversitäten des Terrorismus."
Quelle: ntv.de