Auch Verfassungsschutz testet BND überwacht mit XKeyscore
02.08.2013, 07:14 Uhr
Vor der Baustelle des neuen BND-Hauptquartiers in Berlin demonstrieren Bürger gegen die Spähpraxis.
(Foto: AP)
Die Welt staunt darüber, wie allumfassend der US-Geheimdienst mit XKeyscore die weltweite Kommunikation überwacht. Klar ist: Auch die deutschen Dienste nutzen das Programm. Allerdings nicht mit Zugriff auf die immense Datenmenge der Amerikaner, heißt es - aber mit Echtzeit-Filtern an eigenen Quellen.
Die Enthüllungen über den immensen Funktionsumfang des US-Ausspähprogramms XKeyscore bringt auch die deutschen Dienste in die Bredouille: Der Verfassungsschutz hatte bereits vor einigen Tagen eingeräumt, die Software ebenfalls zu besitzen. Bislang hieß es, sie befinde sich lediglich in einer Testphase. Nun werden genauere Angaben über den Einsatz von XKeyscore durch den deutschen Geheimdienst bekannt.
Aus Kreisen des Verfassungsschutzes heißt es laut "Welt", der Bundesnachrichtendienst setze die Software schon seit 2007 im Rahmen der Satellitenaufklärung ein. Die Version, die genutzt wird, könne während des laufenden Kommunikationsverkehrs Datenpakete auf verdächtige Inhalte prüfen und etwa auffällige E-Mails herausfiltern.
Beim Verfassungsschutz selbst sei XKeyscore erst seit Frühsommer in Betrieb. Zudem werde es lediglich an einem einzelnen Computer getestet, der nicht ans Internet angeschlossen sei. Das Modul biete nur einen Bruchteil der Einsatzmöglichkeiten, die der US-Auslandsgeheimdienst NSA mit XKeyscore habe.
Angeblich nur legale Datensätze
Dem Bericht zufolge will der Verfassungsschutz mit der Software keine zusätzlichen Daten in Deutschland erfassen, sondern bloß Datensätze in das System einspeisen, die zuvor schon bei genehmigungspflichtigen Telekommunikationsüberwachungen gesammelt wurden. Das IT-Werkzeug analysiere diese Daten dann auf mögliche Verknüpfungen, um zum Beispiel rasch Hinweise auf andere Verdächtige zu bekommen.
Die britische Zeitung "The Guardian" hatte diese Woche neue Dokumente zu XKeyscore veröffentlicht, die das Blatt vom ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden erhielt. Demnach können NSA-Mitarbeiter in Echtzeit die E-Mails von Nutzern lesen sowie ihre Suchen im Internet, Einträge in sozialen Netzwerken und faktisch alle sonstigen Tätigkeiten im Netz verfolgen. Nutzer könnten dabei nicht nur über ihre E-Mail-Adresse, sondern mittels einer detaillierten Suchmaske auch über zahlreiche weitere Kriterien gefunden werden.
Schaar tadelt Bundesregierung
In der NSA-Affäre greift der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Peter Schaar, die eigene Regierung indessen ungewöhnlich scharf an. In der "Berliner Zeitung" kritisierte Schaar die jüngsten Beschwichtigungen von Kanzleramtsminister Ronald Pofalla: "Wie Herr Pofalla zu sagen, die deutschen Nachrichtendienste hielten zu 100 Prozent den Datenschutz ein, ist sehr mutig. […] Wenn Sie meine Tätigkeitsberichte lesen, werden Sie feststellen, dass da auch nicht alles zu 100 Prozent datenschutzkonform gelaufen ist."
Da in- und ausländische Nachrichtendienste ihre Informationen offenbar austauschten, bestehe der begründete Verdacht, "dass auf diese Weise unsere Grundrechte ausgehebelt werden, selbst wenn es bei uns eine gesetzliche Begrenzung auf 20 Prozent der Übertragungskapazität gibt". Klärungsbedarf sieht Schaar nach wie vor, da nicht nur das Parlamentarische Kontrollgremium - in dem Pofalla jüngst vorgesprochen hatte - Anspruch auf Informationen habe. "Wir brauchen mehr Transparenz", sagte er, "nicht nur gegenüber Geheimgremien, sondern in der Öffentlichkeit". Eine Kontrolle im Geheimen sei nur "sehr begrenzt wirksam".
Tadelnde Worte richtete Schaar auch an Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, der im Zusammenhang mit den aufgedeckten Überwachungsprogrammen von einem "Supergrundrecht" auf Sicherheit gesprochen hatte. "Ich habe diese Äußerung nicht verstanden", sagte der zum Jahresende aus dem Amt scheidende Datenschutzbeauftragte der "Berliner Zeitung". "Es gibt im Grundgesetz ein einziges Supergrundrecht, und das ist die Menschenwürde." Sicherheit sei wichtig, dürfe aber nicht über allem stehen.
Schaar zufolge muss eine Demokratie den Anspruch haben, "hier steuernd einzugreifen und die Überwachung zurückzufahren". Von der Bundesregierung erwartet er offensichtlich selbstbewussteres Auftreten gegenüber der US-Regierung und deren Auslandsgeheimdienst NSA: "Auch die Tätigkeit von ausländischen Nachrichtendiensten auf deutschem Boden, etwa im Rhein-Main-Gebiet, wo sich die wichtigsten Internetknoten befinden, muss geklärt werden."
Quelle: ntv.de, dpa/AFP