Diplomatie "einziger Weg" Baerbock verweigert Waffen für die Ukraine
17.01.2022, 15:41 UhrBei ihrem Besuch in Kiew spricht Baerbock von einer "hochgefährlichen Situation" an der Grenze zu Russland und sichert der Ukraine deutsche Unterstützung im Falle einer weiteren Eskalation zu. Der Forderung der Ukraine nach Waffenlieferungen will sie jedoch nicht nachkommen.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat Russland bei ihrem Besuch in Kiew vor einer Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine gewarnt. Deutschland und die westlichen Verbündeten seien angesichts der russischen Militärpräsenz und der damit einhergehenden "bedrohlichen Rhetorik" solidarisch mit dem ukrainischen Bedürfnis nach Souveränität und territorialer Integrität, sagte Baerbock. Sie drohte mit Konsequenzen, sollte Moskau dies unterlaufen. Die Lieferung von Defensivwaffen an die Ukraine lehnte sie erneut ab.
"Jede erneute Aggression hätte, das haben wir zum wiederholten Male unterstrichen, einen hohen Preis", sagte Baerbock auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ihrem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba an die Adresse von Moskau. Gleichzeitig bekräftigte sie den Willen Deutschlands zu einem "ernsthaften Dialog mit Russland", denn Diplomatie sei der "einzig gangbare Weg, um die derzeitige hochgefährliche Situation zu entschärfen".
Normandie-Format soll wiederbelebt werden
"Wir werden alles versuchen, um das Normandie-Format wieder gemeinsam mit Leben zu füllen", sagte Baerbock mit Blick auf die derzeit auf Eis liegenden Verhandlungen zwischen Russland, der Ukraine, Frankreich und Deutschland. Mit ihrem französischen Kollegen Jean-Yves Le Drian werde sie demnächst wieder die Ukraine besuchen und dann "zu den Menschen an der Kontaktlinie" im Osten des Landes fahren.
Bei dem Treffen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow am Dienstag in Moskau werde man alles dafür tun, die Sicherheit der Ukraine zu garantieren, sagte die Außenministerin. Dies soll aber nicht die von der Ukraine geforderte Lieferung von Defensivwaffen von Deutschland beinhalten. Die Bundesregierung stehe zu ihrer Haltung einer defensiven Rüstungsexportpolitik. Diese besagt, dass SPD, Grüne und FDP die Lieferung von Waffen in Krisengebiete ablehnt.
"Abschreckungspotenzial"
Aus der Opposition kamen deutliche Worte zur außenpolitischen Strategie der neuen Regierung. Der CDU-Politiker und Außenpolitikexperte Norbert Röttgen warnte davor, das "Abschreckungspotenzial" gegenüber Russland herunterzufahren. "Ich rate allen politischen Akteuren dringend davon ab, in dieser kritischen Phase Abschreckungspotenzial gegenüber Russland vom Tisch zu nehmen. Nur wenn Putin mit für ihn unkalkulierbaren Folgen rechnen muss, kann der Westen ihn vielleicht von gewaltsamen Aktionen abhalten", sagte Röttgen gegenüber RTL/ntv.
Baerbock müsse dabei auf ihrer Reise in die Ukraine auch "gegen Widerstände im eigenen Land klarmachen, dass eine stabile Friedensordnung in Europa die wichtigste Voraussetzung für unsere Interessen ist - deutsche Wirtschaftsinteressen eingeschlossen", so Röttgen. Der russische Präsident Wladimir Putin wolle "die europäische Ordnung, wie sie nach dem Zerfall der UdSSR entstanden ist, revidieren", warnte der CDU-Politiker. Deswegen seien Stärke und eine "effektive Abschreckung" jetzt entscheidend gegenüber Russland. Deutschland dürfe dabei keinen "Sonderweg" gehen, so Röttgen.
Geopolitische Bedeutung von Nord Stream 2
Ein weiteres Thema der Gespräche war die Gaspipeline Nord Stream 2, die Gas direkt von Russland über die Ostsee nach Deutschland bringen soll. Die Ukraine, die bislang ein wichtiges Transferland für den Gastransport ist, soll umgangen werden. Die Ukraine fordert den Stopp der Pipeline.
Baerbock betonte, dass es sich bei Nord Stream 2 nicht um ein rein privatwirtschaftliches Projekt handle. Vielmehr hätte die Gaspipeline auch geostrategische Implikationen. Sie deutete an, dass eine russische Aggression Folgen für Nord Stream 2 haben könnte.
Für die neue Bundesregierung sei klar, dass für energiepolitische Projekte das europäische Energierecht gelte. "Das gilt dann natürlich auch für Nord Stream 2. Gegenwärtig wird das im europäischen Energierecht mit Blick auf dieses Projekt nicht voll umgesetzt, und deswegen ist der Zertifizierungsprozess derzeit ausgesetzt. Und zugleich haben wir mit Blick auf dieses Projekt auch geostrategische Implikationen", sagte Baerbock. "Von daher stehen wir als deutsche Bundesregierung zur gemeinsamen Erklärung mit den USA und werden, sollte es zu weiteren Eskalationen von russischer Seite kommen, mit unseren Partnern gemeinsam geeignete Maßnahmen dann entsprechend auch ergreifen."
Gazprom erhält keine Zertifizierung
Aktuell stehen noch die Zertifizierungen der Gasröhre durch die Bundesnetzagentur und durch die Europäische Kommission aus. Die Regelungen sehen vor, dass es bei Nord Stream 2 eine Trennung von Netz und Betrieb geben muss sowie einen unabhängigen Transportnetzbetreiber mit unabhängiger Geschäftsführung und einen Aufsichtsrat. Die Bundesnetzagentur hat eine Form nach deutschem Recht gefordert. Die Betreiberfirma Nord Stream 2 gehört dem russischen Gaskonzern Gazprom.
Baerbock betonte zudem, dass Deutschland und die EU auch zur eigenen Sicherheit unabhängiger werden müssten von Energieimporten. Die Frage nach Energiepartnerschaften sei nicht nur eine klimapolitische und energiepolitische, sondern eine sicherheitspolitische Frage.
Russland war im ersten Halbjahr 2021 der größte Lieferant von Erdgas und Erdöl an die Europäische Union. Erdgas aus Russland machte laut Eurostat 46,8 Prozent der europäischen Importe aus Ländern außerhalb der EU aus.
Quelle: ntv.de, cls/DJ/AFP