Politik

Gewalt gegen Journalisten Ban für freie Presse

Journalisten, Verleger und Politiker haben zum Welttag der Pressefreiheit auf Gefahren für eine freie Berichterstattung in Deutschland und der Welt hingewiesen. Sie kritisierten vor allem die Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung und die gezielte Überwachung von Journalisten in der Bundesrepublik. Im Zentrum der weltweiten Kritik steht Olympia-Ausrichter China.

Nach Angaben der Organisation Reporter ohne Grenzen sind weltweit 130 Berichterstatter aus politischen Gründen hinter Gittern, die meisten von ihnen in China. Seit Jahresbeginn seien neun Journalisten umgebracht worden. Der Welttag der Pressefreiheit wurde 1993 von den Vereinten Nationen ausgerufen und erinnert seitdem jährlich am 3. Mai an den hohen Wert der Informations- und Freiheitsrechte.

Subtile Eingriffe

In Deutschland müssten Journalisten zwar nicht um ihr Leben oder ihre Freiheit fürchten, wohl aber um die freie Recherche und Berichterstattung, kritisierte der Deutsche Journalisten-Verband (DJV). Unter dem Deckmantel des Anti-Terror-Kampfes schränke die Politik den Informantenschutz und das Redaktionsgeheimnis immer weiter ein, sagte der DJV-Vorsitzende Michael Konken.

Durch eine Vorratsdatenspeicherung oder die heimliche Online- Durchsuchung privater PCs entstehe ein gefährliches Klima, warnte der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), Helmut Heinen. Gefahr für die Meinungsvielfalt gehe auch von den Pläne der Deutschen Post für kostenlose Anzeigenblätter und der "Online-Expansion" der gebührenfinanzierten Sender ARD und ZDF aus, kritisierte der Verband der Deutschen Zeitschriftenverleger (VDZ).

Europa nicht die Insel der Seligen

Die Organisation Reporter ohne Grenzen weist auf Gewaltmaßnahmen auch gegen Journalisten in Europa hin. Zwar gebe es in der EU echte Pressefreiheit, erklärte die Organisation in Paris. Offizielle Zensur sei eine Sache der Vergangenheit. "Die Situation ist aber auch nicht perfekt." Drohungen gegen Journalisten, Mordversuche, Angriffe und die Einschüchterung von Angehörigen zählten zu den "sehr ernsten Risiken", die es auch heute noch in Europa gebe.

In Frankreich beispielsweise seien Journalisten physischen Vergeltungsschlägen ausgesetzt, wenn sie über Vorstadtunruhen berichteten. Seit den Aufständen vom November 2005 hätten sich die Ereignisse vor allem im Großraum Paris noch zugespitzt. "In zweieinhalb Jahren sind Scharen von Fotografen, Kameraleuten und Reportern physisch misshandelt worden", heißt es.

In Italien komme die Gefahr von den Mafia-Gruppen im Süden des Landes. Ein gutes Dutzend Journalisten könne nur unter Polizeischutz arbeiten. Es habe Hunderte von Fällen der Einschüchterung, anonymer Drohbriefe, zerschnittener Reifen oder zerkratzter Autos gegeben. "Jeder Journalist, der über die Mafia schreibt, erhält früher oder später eine Botschaft, dass er überwacht wird." Der Palermo-Korrespondent der italienischen Nachrichtenagentur ANSA, Lirio Abbate (38), lebe unter permanentem Polizeischutz. Im spanischen Baskenland würden Journalisten von der Terrororganisation ETA eingeschüchtert und auch Opfer von Mord oder Mordversuchen. Auch in Nordirland erhielten Journalisten trotz des Friedensprozesses Morddrohungen.

In Dänemark hätten die Sicherheitsbehörden am 11. Februar einen Mordversuch gegen Kurt Westergaard aufgedeckt, der für die Zeitung "Jyllands-Posten" eine umstrittene Karikatur des Propheten Mohammed gezeichnet hatte. Er müsse seitdem unter Polizeischutz leben und alle zwei Wochen umziehen. Auch in Schweden, Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Tschechien und Zypern habe es in den vergangenen Jahren Gewalt gegen Journalisten gegeben.

Nach Angaben von Reporter ohne Grenzen muss auch die zunehmende Konzentration im Mediensektor aufmerksam beobachtet werden, also das Eigentum beispielsweise an immer mehr Zeitungen durch wenige Verleger. Diese sei in einigen Ländern "exzessiv". Auch die Frage des Quellenschutzes zeige die Lücken, die es in der Gesetzgebung in einigen europäischen Ländern noch gebe. "Journalisten können immer noch gezwungen werden, ihre Quellen offen zu legen, durch Ermittlungen oder Haft."

Blick auf China

Die Verbände betonten zugleich, dass es Journalisten in Deutschland nach wie vor deutlich bessergehe als ihren Kollegen in zahlreichen anderen Ländern. Vor allem die Situation in China sei besorgniserregend, besonders mit Blick auf die Berichterstattung von den Olympischen Spielen im Sommer.

Für eine unliebsame Berichterstattung drohten Journalisten in der Volksrepublik jahrelange Haftstrafen oder Zwangsarbeit in Umerziehungslagern, kritisierte die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte. 30 000 bis 40 000 Beamte der Volksrepublik seien nur damit beschäftigt, das Internet zu kontrollieren und den Zugriff auf Seiten von Menschenrechtsorganisationen und westlichen Medien zu sperren.

Der Weltverband der Zeitungen bezeichnete China als "das weltweit größte Gefängnis für Journalisten". Die Organisation Reporter ohne Grenzen stellte in Berlin symbolisch eine Gefängniszelle auf. Aktivisten verteilten durch die Gitterstäbe Informationen über inhaftierte Journalisten.

Ungeliebte Wahrheiten

Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) äußerte sich besorgt, dass immer mehr Staaten eine unliebsame Berichterstattung mit Zwang unterbinden wollten. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief dazu auf, Anschläge auf Journalisten nachdrücklich zu verfolgen und entschieden zu bestrafen. "Freie, sichere und unabhängige Medien sind eine der Grundlagen für Frieden und Demokratie", sagte Ban.

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) mahnte einen wirksamen Schutz von Interviewpartnern vor Verfolgung an. In einigen Ländern würden Menschen drangsaliert und misshandelt, wenn sie ausländischen Journalisten kritische Interviews über Vorgänge in ihrem Land gäben.

Quelle: ntv.de

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