Politik

Raimund Brichta Banker im Beichtstuhl

Banker beichten, und die Anleger vergeben ihnen sofort. Das war ein herausragendes Ereignis in der vergangenen Börsenwoche. Ob in der Schweiz die UBS, hierzulande die Deutsche Bank oder in Amerika die Citigroup, Bear Stearns und Merrill Lynch - alle legten sie Geständnisse darüber ab, wieviel Geld sie die Kreditkrise im 3. Quartal gekostet hat. Es sind jeweils Milliarden. Aber die Anleger zucken nur mit den Schultern und kaufen Bankaktien.

Spinnen die jetzt vollends? Nein. Sie erkennen einfach, dass die Bankgeschäfte außerhalb der Problemzonen weiterhin gut laufen, dass die Not(en)banken im Notfall sowieso als Retter einspringen und dass die Bankaktien ohnehin schon stark gefallen sind. Damit sind die Milliarden-Geständnisse keine böse Überraschung mehr.

Im übrigen gilt für Bankaktien das gleiche wie für die Börsen insgesamt: Sie sind die besten Indikatoren für das, was bevorsteht, und nicht für das, was hinter uns liegt. Deshalb begannen die Bankaktien schon im Frühjahr zu fallen - lange bevor der breite Markt ins Rutschen kam. Jetzt signalisieren sie uns: Das Schlimmste ist überstanden.

Damit sind selbst die Bankaktien kein Bremsklotz mehr für die Märkte, so dass zuerst der Dow Jones und am Freitag sogar der S&P 500 ihre Rekordmarken knacken konnten. Letzterer ist - ich betone es immer wieder - gemessen am weltweiten Anlagevolumen viel bedeutender als der Dow. Sollte also der S&P dieses Mal sein Rekordniveau halten (und nicht wie im Sommer danach wieder abtauchen), dann wäre jetzt endlich auch der breite amerikanische Aktienmarkt auf Rekordkurs - zum ersten Mal seit mehr als 7 Jahren. Der 30er Club des Dow macht dies ja schon seit einem Jahr vor.

Kommt nun also auch die Ü30-Party nachhaltig in Rekordstimmung? Die Chancen dafür, meine ich, stehen gut, auf jeden Fall besser als beim ersten Partyhöhepunkt im Sommer!

Bleibt die Frage, was aus der Oktober-Korrektur wird, die ich an dieser Stelle noch vor einer Woche für möglich hielt. Möglich ist sie immer noch, ohne Frage, vor allem in der zweiten Monatshälfte. Aber sie ist weniger wahrscheinlich geworden (mit etwas anderem als mit Wahrscheinlichkeiten können wir hier ohnehin nicht arbeiten). Oder sie kommt, aber von einem höheren Kursniveau aus. Auf jeden Fall würde es nicht mehr als eine Korrektur werden und damit die Chance eröffnen, noch einmal günstiger nachzufassen.

Wahrscheinlich werden in nächster Zeit immer mehr Bären ihr Fell abgeben und gegen Bullenhörner eintauschen. So wie ich das gemacht habe vor drei Wochen. Es war am 17. September, einen Tag vor der Leitzinsentscheidung der US-Notenbanker. Der DAX war bei knapp 7.500. Ich hatte das Kölner Studio wieder mal mit dem Frankfurter Parkett getauscht und stieß bei meinen Recherchen fast nur auf Leute, die meinten: "Wahrscheinlich geht's bald nochmal runter, und dann steige ich ein." Hallo? Alle warten auf einen Einbruch, um einzusteigen? Dann kommt dieser mit großer Wahrscheinlichkeit nicht! Meine Börsen-Kommentare an diesem Tag waren deshalb, glaube ich, ziemlich optimistisch, was bei Händlern auf großes Unverständnis stieß.

Mit einem von ihnen habe ich seitdem eine Schampus-Wette laufen: Dass der DAX dieses Jahr nicht mehr unter 7.000 fällt. Ob ich das Fläschchen wohl bekommen werde?

Herzlichst Ihr Ü30-Moderator

Raimund Brichta

Quelle: ntv.de

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