Finanzmarkt- und Mehrwertsteuer Barroso für EU-eigene Abgaben
29.06.2011, 22:16 Uhr
Er wills wissen: Barroso prescht mit Forderungen nach eigenen Steuern vor.
(Foto: dpa)
Kommissionpräsident Barroso will trotz des Widerstands der Mitgliedsstaaten eigene EU-Steuern einführen. Eine europaweite Finanzmarktsteuer sowie eine EU-Mehrwertsteuer sollen direkt in den Haushalt fließen. Dafür würden die Beiträge der Mitgliedsstaaten sinken. Insgesamt sollen die EU-Ausgaben auf fast eine Billion Euro leicht steigen.
Die Europäische Union soll nach dem Willen der EU-Kommission zwischen 2014 und 2020 knapp eine Billion Euro ausgeben. Kommissionspräsident José Manuel Barroso legte in Brüssel einen Haushaltsvorschlag für den nächsten Sieben-Jahres-Zeitraum vor. Dieser sieht einen Anstieg der Ausgaben um fünf Prozent von bisher 925 auf 972 Milliarden Euro vor. Außerdem sollen EU-eigene Steuern eingeführt werden. "Wir schlagen ein ehrgeiziges und zugleich verantwortungsvolles Budget vor", sagte Barroso.
Die Kommission schlug trotz des absehbaren Widerstands der Mitgliedsländer eine Steuer auf Finanztransaktionen sowie eine EU-Mehrwertsteuer vor. Das gesamte Budget der Europäischen Union solle aber nicht erhöht werden, denn die Beiträge der Mitgliedstaaten würden sinken. Deutschland und viele andere EU-Staaten sind gegen spezielle Steuern zur Finanzierung der Gemeinschaft. "Ich erwarte ziemlich harte Diskussionen in den kommenden Monaten", sagte Barroso.
Quote für Staaten sinkt
Der Vorschlag zum Finanzrahmen für die Jahre 2014 bis 2020 sieht einen Haushalt von insgesamt 971,5 Milliarden Euro an Zahlungsermächtigungen vor. Absolut gesehen ist das eine leichte Erhöhung gegenüber der Finanzperiode von 2007 bis 2013, in der 925,5 Milliarden Euro ausgegeben werden können. Im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen ist es allerdings ein leichter Rückgang. Die Quote sinkt auf 1,0 Prozent von 1,06 Prozent.
Damit würde der Vorschlag Barrosos vergleichsweise nahe an Forderungen der großen Nettozahler Deutschland und Frankreich liegen, die eine Begrenzung auf 1 Prozent gefordert hatten. Maßgeblich bei den Äußerungen der Mitgliedstaaten sind die tatsächlichen Zahlungen.
Der Agrarhaushalt bleibt unverändert bei 371,7 Milliarden Euro. Neben den Kohäsionsfonds mit insgesamt 376 Milliarden Euro machen die Subventionen für die Landwirtschaft die größten Haushaltsposten aus. Zur Finanzierung wichtiger grenzüberschreitender Infrastrukturprojekte in den Sektoren Verkehr, Energie und Informationstechnologie will die Kommission 50 Milliarden Euro ausgeben. Die Ausgaben für Forschung und Innovation sollen auf 80 Milliarden Euro steigen.
Streit um EU-Steuern
Die EU-Kommission rechnet nach Informationen aus EU-Kreisen mit jährlichen Einnahmen von bis zu 50 Milliarden Euro von einer europaweiten Finanztransaktionssteuer. Je nach Szenario lägen die Einnahmen bei 30, 50 oder sogar 70 Milliarden Euro. "Das Szenario mit 70 Milliarden Euro ist wohl zu ehrgeizig, aber wir können davon ausgehen, jährlich 30 bis 50 Milliarden Euro zu erheben", hieß es in Kreisen der EU-Kommission. Kommissionspräsident Barroso hatte einen Gesetzentwurf zu einer Finanzsektorsteuer für Herbst angekündigt. Dagegen ist mit Widerstand der 27 EU-Mitgliedstaaten zu rechnen, die alle zustimmen müssten. Nach dem Plan der Kommission wäre ein Satz von 0,01 Prozent des Umsatzes mit Derivaten und von 0,1 Prozent von Staatsanleihen vorgesehen.
Deutschland, Frankreich, Österreich und Luxemburg fordern schon länger eine Finanztransaktionssteuer. Das Geld soll allerdings in die nationalen Haushalte fließen. Zu den prinzipiellen Gegnern einer solchen Steuer gehören Großbritannien und Schweden mit dem Argument, ohne weltweite Steuer drohten Finanzmarktgeschäfte aus Europa abzuwandern. Auf Ebene der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer war ein Vorstoß der Europäer für eine solche globale Steuer im vergangenen Jahr gescheitert.
Der bisherige Finanzrahmen der EU läuft 2013 aus, die neue Finanzplanung bedarf der Zustimmung aller Regierungen der Mitgliedsländer sowie des EU-Parlaments. Diplomaten erwarten deshalb langwierige und erbitterte Auseinandersetzungen um die Haushaltsvorschläge.
Weniger Beamte, die länger arbeiten
Die EU-Kommission legte aber auch Einsparungsvorschläge vor. So sollen die etwa 50.000 Beamten mehr arbeiten. Außerdem soll ihre Zahl bis 2018 um fünf Prozent sinken. Nach Angaben des deutschen Europaabgeordneten Klaus-Heiner Lehne hat die EU-Kommission ihre Vorstellungen von der Änderung des sogenannten Beamtenstatuts dem Parlament mitgeteilt. "Wir begrüßen die Einfrierung der Verwaltungskosten für aktives Personal", sagte Lehne.
Mit den Sparmaßnahmen für die EU-Beamten reagiert die Kommission auch auf starken Druck der Regierungen von Mitgliedsstaaten, die mit Blick auf eigene Sparmaßnahmen auch in Brüssel Einschnitte forderten. Kommission und Ministerrat müssen aber mit erheblichem Widerstand der Beamten-Gewerkschaften rechnen, die bereits vor Veröffentlichung der Kommissionsvorschläge mit Streik drohten.
Staaten machen Druck
Die Wochenarbeitszeit der Beamten soll nach den Vorschlägen der Kommission von bisher 37,5 auf 40 Stunden erhöht werden. Das Pensionsalter soll von 63 auf 65 Jahre angehoben werden. An einer Zusatzsteuer für EU-Beamte in Höhe von 5,5 Prozent soll festgehalten werden. Die Gehälter sollen auch künftig jährlich erhöht werden. Allerdings steht der genaue Mechanismus noch nicht fest. Bisher wurden die Gehälter mit zeitlicher Verzögerung der Gehaltsentwicklung in acht ausgewählten EU-Staaten angepasst. Die EU-Regierungen wollen dieses Verfahren nicht einfach fortsetzen.
Kurz vor den Beratungen der EU-Kommission über das Ende 2012 auslaufende Beamtenstatut war in Brüssel ein Brief von acht Regierungen an die EU-Behörde bekanntgeworden. Die Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, hatten Einsparungen bei den Gehältern, Pensionen und Zuschlägen der EU-Beamten gefordert. Die Personalausgaben der EU "können nicht von den erheblichen Bemühungen der Mitgliedstaaten um Verringerung der Verwaltungsausgaben ausgenommen werden".
Quelle: ntv.de, tis/dpa/rts