"Das Netz vergisst nichts" Baum für Datenschutzreform
03.06.2008, 08:53 UhrAngesichts der Bespitzelungsaffäre bei der Telekom hat der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) eine grundlegende Reform des Datenschutzes gefordert. "Der Datenschutz muss der rasanten Entwicklung in der Telekommunikation angepasst werden", sagte Baum der "Passauer Neuen Presse".
"Durch die erhebliche Ausweitung elektronischer Datensammlungen" ergebe sich Handlungsbedarf für den Gesetzgeber. Gemeinsam mit der früheren Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin vertritt Baum juristisch die Gewerkschaftsvertreter im Telekom-Aufsichtsrat.
"Wer im Internet unterwegs ist oder telefoniert, hinterlässt Spuren. Das Netz vergisst nichts. Es geht darum, den Datenschutz auf den neuesten Stand zu bringen", sagte Baum. Der FDP-Politiker warf der Bundesregierung vor, den Datenschutz zuletzt "weitgehend verschlafen" zu haben. Das betreffe insbesondere den Schutz von Informationen im privaten Bereich.
Vorratsdatenspeicherung kippen
Auch der FDP-Innenpolitiker Max Stadler verlangt, dass vor allem im privatrechtlichen Bereich der Schutz im Umgang mit Daten verbessert wird. "Das muss der Bundesinnenminister jetzt angehen", forderte er in der "Berliner Zeitung".
Stadler appellierte zudem erneut an die Regierung, auf die seit Januar geltende Vorratsdatenspeicherung zu verzichten. "Die Bundesregierung sollte nicht mehr auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts warten, sondern vielmehr diese völlig unverhältnismäßige Regelung aufheben", sagte Stadler. Die Affäre müsse genutzt werden, damit wieder das richtige Bewusstsein für den Wert des Datenschutzes geschaffen werde.
Zuvor hatten bereits die Grünen gefordert, die bereits beschlossene Vorratsdatenspeicherung wieder zurückzunehmen. "Der Abhörskandal bei der Telekom zeigt: Der beste Datenschutz ist immer noch die Datenarmut", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Volker Beck. Außerdem soll sich nach dem Willen der Grünen auch den Bundestag mit der T-Affäre beschäftigten. Die Fraktion beantragte inzwischen eine Aktuelle Stunde, um über "Maßnahmen der Bundesregierung zum Schutz vor Datenmissbrauch in der Telekommunikation" zu diskutieren. Mit der Spitzelaffäre wird sich am Mittwoch auch der Innenausschuss des Bundestages befassen.
Polizei fordert harte Strafen
Vor dem Hintergrund der Bespitzelungsaffäre forderte der Chef der Polizeigewerkschaft GdP, Konrad Freiberg, harte Strafen und mehr staatliche Kontrollen für die freie Wirtschaft. Die Vorgänge bei der Telekom müssten mit aller Konsequenz aufgeklärt und verfolgt werden. "Es geht hier um Rechtsbrüche, und die gilt es hart zu bestrafen", sagte Freiberg der "Neuen Presse" in Hannover.
Eine Überlegung wäre, "den staatlichen Datenschutzbeauftragten mehr Zuständigkeiten für die freie Wirtschaft zu übertragen". Laut Freiberg muss geprüft werden, ob gesetzgeberische Defizite bestehen. "Konzernherren benehmen sich so, als ob sie sich über den Rechtsstaat stellen wollen. Dieses Bewusstsein in den Unternehmen muss sich ändern."
Gesetze reichen aus
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) jedoch lehnt den von der Opposition geforderten Stopp der Vorratsdatenspeicherung ab. Auch sieht er keinen Bedarf für schärfere Gesetze. "Die Gesetze reichen aus. Wir haben verabredet, dass in den Verbänden jetzt diskutiert wird, welche zusätzlichen institutionellen Vorkehrungen sich in Unternehmen anbieten", sagte er nach einem Treffen mit Branchenvertretern. Die Branche selbst sprach von einem "krassen Einzelfall".
Quelle: ntv.de