"Dümmliche Arroganz" Beck tritt nach
24.09.2008, 14:19 UhrEinen Tag vor der Veröffentlichung seines Buches hat der zurückgetretene SPD-Vorsitzende Kurt Beck noch einmal die Umgangsformen innerhalb seiner Partei kritisiert und auch Vorwürfe in Richtung seiner Nachfolger erhoben. "Wir duzen uns, wir nennen uns Genossen, aber wir verhalten uns nicht so", sagte Beck dem Magazin "Stern". Er warf den Parteimitgliedern erneut mangelnde Loyalität während seiner Amtszeit vor. Manche Parteifreunde hätten ihm "Backsteine statt Brot in den Rucksack gepackt". Am Ende habe er als Parteivorsitzender eine "unerfüllbare Mission" gehabt. Er hoffe, "dass die nächsten Parteiführungen die Chance haben, vernünftig zu arbeiten und Konflikte offen auszutragen". Die Arbeit dürfe nicht von "Halbverrückten kaputt gemacht werden".
In dem Interview gibt Beck seinem designierten Nachfolger Franz Müntefering und Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier indirekt eine Mitschuld an seinem Sturz. "Ich weiß nicht, ob mein Rücktritt beabsichtigt war oder nur in Kauf genommen wurde", sagte Beck. Bei ihrem Treffen zu dritt wenige Tage zuvor, sei das Entscheidende möglicherweise nicht ausgesprochen worden. Einem Teil seiner Kritiker in Politik und Publizistik warf er "Maßlosigkeit" und "dümmliche Arroganz" vor. Zum Spott über sein Äußeres sagte der SPD-Politiker: "Wenn das über eine Frau gesagt oder geschrieben worden wäre, wäre es blanker Sexismus gewesen."
Verhältnis schwer beschädigt
Das Verhältnis zu seinem designierten Nachfolger Müntefering sieht Beck auch nach ihrem Treffen am vergangenen Freitag schwer beschädigt. "Mehr als dass man miteinander anständig und ordentlich reden kann, hat es nicht gebracht." Beck bestätigte, dass er nicht am SPD-Sonderparteitag am 18. Oktober in Berlin teilnehmen werde, auf dem Müntefering erneut zum SPD-Vorsitzenden gewählt werden soll. "Ich will vor allem nicht für irgendwelche geheuchelten Bilder herhalten. Dafür ist mir alles noch zu nah."
Beck war bereits am Montag mit Müntefering hart ins Gericht gegangen. In vorab veröffentlichten Auszügen seiner Autobiografie "Ein Sozialdemokrat" hatte er Müntefering unzureichende Kooperation und Mangel an sozialdemokratischem Profilierungswillen als Vizekanzler vorgeworfen.
Müntefering zeigte Verständnis für die Buchdarstellung. Die Vorgänge um den Rücktritt Becks trügen zu respektierende "menschliche Seiten". Deshalb sei er "voller Gelassenheit". Das SPD-Präsidium war am Montag ohne Aussprache über die Kritik von Beck hinweggegangen.
Schröder weist Intrigen zurück
Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder bestritt unterdessen, zum Amtsverzicht von Beck beigetragen zu haben. "Intrige? Das ist Quatsch", sagte Schröder der Wochenzeitung "Die Zeit". Am Tag des Führungswechsels habe er die Ereignisse mit seiner Frau im Fernsehen verfolgt. "Und wir wussten nicht, was los ist."
In seinem Buch "Ein Sozialdemokrat", das Beck am Donnerstag in Berlin zusammen mit n-tv-Redakteur Heiner Bremer vorstellt, schreibt er, über die "Kandidatenfrage" sei im Vorfeld der offiziellen Verkündung in Einzelheiten berichtet worden, "die neben Beteiligten auch auf Gerhard Schröder verwiesen". Im Gespräch mit der "Zeit" wunderte sich Schröder über diese Darstellung und verwies auf einen an ihn gerichteten Brief Becks vom 10. September. Von einer Spur, die auf ihn verweise, sei darin nicht die Rede. Vielmehr dankte Beck "für die Unterstützung und den Rat".
Kein Comeback des Altkanzlers
Auch Vermutungen über ein bevorstehendes Comeback widersprach der Altkanzler. "Die operative Politik ist vorbei, für alle Zeiten definitiv." In den Bundestagswahlkampf werde er nur sehr zurückhaltend eingreifen. Er stehe für Ratschläge bereit, "aber ich dränge mich keinem auf".
Quelle: ntv.de