Politik

"Ein Sozialdemokrat" Becks bittere Stunde

Der zurückgetretene SPD-Chef Kurt Beck hat sich erstmals ausführlich über die näheren Umstände seines Sturzes vor zwei Wochen geäußert. In den Auszügen aus seiner Autobiografie "Kurt Beck. Ein Sozialdemokrat", die die "Bild"-Zeitung vorab veröffentlichte, wird zugleich deutlich, wie schwer das Zerwürfnis zwischen ihm und seinem designierten Nachfolger Franz Müntefering war.

Beck beschreibt das Verhältnis zum ehemaligen Vizekanzler als "nicht unproblematisch". Die Autobiografie kommt am nächsten Donnerstag in die Buchhandlungen.

Wörtlich heißt es darin über Müntefering: "Unser Politikstil, die Art, Machtfragen zu klären, sind schwer vereinbar. In der Zeit, als Franz Müntefering Vizekanzler war und ich die Partei führte, resultierten gewisse Schwierigkeiten daher, dass er sehr darauf bedacht war, sich in der Bandbreite des Koalitionsvertrags zu bewegen. Es war schwierig, mit ihm Perspektiven zu erarbeiten, die darüber hinausreichten."

Über sich selbst schreibt der rheinland-pfälzische Ministerpräsident: "Unsere Politik muss den Menschen dienen, darf sie nicht verletzen. Wo dies geschehen ist, muss man neue Brücken bauen. Genau das gehört zwingend dazu. Und da behaupte ich, dass ich näher an der Realität des Lebens bin, als es manch anderer ist, sodass ich das sehr genau beurteilen kann."

Rätsel um Schröder

Zu den Umständen seines Rücktritts Anfang September heißt es in Becks Buch, wesentlicher Inhalt der Absprachen mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Müntefering sei gewesen, ein kleines "Kanzlerteam" als politisch verantwortliche Wahlkampfleitung zu berufen. Vor der Bekanntgabe von Steinmeiers Kanzlerkandidatur sei die Entscheidung dann aber schon durchgesickert. "Es war also klar, die gezielten Angriffe auf mich und meine Arbeit würden nicht nur fortgesetzt, es kam nun der Verdacht eines Bruchs der Vertraulichkeit hinzu, den ich gegen das unmittelbare Umfeld der Beteiligten hege."

Etwas nebulös erwähnt Beck in diesem Zusammenhang Altkanzler Gerhard Schröder, ohne dass klar wird, welche Rolle Schröder bei den "Angriffen" gegen ihn gespielt hat. Die Rede ist von "Einzelheiten" in der Berichterstattung von ARD und ZDF, "die neben Beteiligten auch auf Gerhard Schröder verwiesen". Beck hatte bereits bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach seinem Rücktritt Schröder erwähnt, auf Nachfrage jedoch ausdrücklich dementiert, in Schröder einen Beteiligten an der Intrige zu sehen.

"Eine bittere Stunde"

Beck beschreibt auch die Zusammenkunft der SPD-Spitze am 7. September, bei der die Einzelheiten der Nachfolge verabredet wurden. Es habe "mehrere, aber nicht überzeugende Versuche" gegeben, ihn umzustimmen. Dann habe er Steinmeier gebeten, "zur Spitzenkandidatur auch den Vorsitz der Partei zu übernehmen". Steinmeier habe abgelehnt. Daraufhin habe Beck einen weiteren Personalvorschlag unterbreitet - gemeint ist Arbeitsminister Olaf Scholz, den Beck hier nicht ausdrücklich nennt. Sein Vorschlag sei aber nicht akzeptiert worden; "auch in diesem Fall sei mit weiteren Querschlägen aus den eigenen Reihen zu rechnen", habe es in der Runde geheißen.

"Schließlich wurde Franz Müntefering vorgeschlagen", schreibt Beck weiter. Und resümiert: "Eine bittere Nacht und eine bittere Stunde für mich. Wenn es dem Erfolg der SPD und damit einem unverzichtbaren Stück Zusammenhalt der ganzen Gesellschaft nützt, will ich mich nicht lange damit aufhalten."

"Richtige Konsequenz zum falschen Zeitpunkt"

Erneut räumt Beck ein, bei der Frage, ob die hessische SPD ihrem Wahlversprechen zum Trotz mit der Linkspartei zusammenarbeiten solle, einen Fehler gemacht zu haben. "Im März 2008 ist mir ein schon oft eingestandener Fehler unterlaufen." Seine Strategie sei dieselbe gewesen, "die Willy Brandt angesichts der zu seiner Zeit neuen und chaotisch auftretenden Partei Die Grünen gezogen hatte: Die SPD darf sich weder durch Selbstbindung noch durch die Forderungen anderer Parteien einmauern und in ihrer Handlungsfähigkeit einschränken lassen".

Er habe "durch die Ankündigung einer richtigen Konsequenz zum falschen Zeitpunkt meine bis dahin vorhandene Chance eingebüßt, selbst als Spitzenkandidat der SPD in den Bundestagswahlkampf zu ziehen". Beck hatte unmittelbar vor der Wahl in Hamburg nicht ausgeschlossen, dass die hessische SPD-Chefin Andrea Ypsilanti sich mit den Stimmen der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen lassen könnte und damit in seiner Partei einen schweren Streit ausgelöst.

Quelle: ntv.de

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