Politik

Staatsbesuch mit Krise im Rücken Belgiens Zerfall kein Tabu mehr

Belgien droht der Zerfall. Immer wieder scheitern Vermittlungsversuche zwischen den Parteien, und so ist das Land seit einem Jahr ohne richtige Regierung. Eines der letzten Einheitssymbole ist Belgiens König Albert II.

Albert II.: Der König ist müde.

Albert II.: Der König ist müde.

(Foto: REUTERS)

Wenn Belgiens König Albert II. am Dienstag in Berlin zum Staatsbesuch eintrifft, könnte er auch die Sorge über ein Auseinanderfallen seines Landes im Gepäck haben. Dieses Szenario ist kein Tabu mehr, denn Brüssel hat seit bald einem Jahr keine richtige Regierung mehr. Der Monarch, der neben Comics und Pommes Frites eines der wenigen verbliebenen Einheitsymbole für Flamen, Wallonen und Brüsseler darstellt, kann nur kraft seiner Persönlichkeit gegensteuern.

Allerdings "ist er wirklich müde", sagt Martin Buxant, ein Kenner des belgischen Königshauses, der gerade ein Buch über Alberts Familie abschließt. Dies ist nicht verwunderlich, denn eine Szene hat sich in den vergangenen Monaten so oft wiederholt, dass sie sich wohl ins kollektive Gedächtnis eingebrannt hat: Der hochgewachsene 76-jährige Monarch zwischen den Säulen von Schloss Laeken, wie er Spitzenpolitikern die Hand reicht. Immer wieder hat er seine Sondierer und Vermittler in die Brüsseler Parteien-Arena geschickt, nur um sich hinterher von ihrem Scheitern berichten zu lassen.

Schleppende Verhandlungen

Die Krise begann im April 2010, als die Koalition unter Yves Leterme am Streit über spezielle Rechte von französischsprachigen Belgiern in Flandern zerbrach. Leterme, der Albert neben Königin Paola in Deutschland begleitet, ist seitdem nurmehr kommissarischer Regierungschef. Seit den Neuwahlen im Juni geht es in den schleppenden Verhandlungen um Belgiens Zukunft. Einer der größten Zankäpfel ist der Anteil der politischen Macht, der von der Zentralregierung auf die Gliedstaaten übergehen soll.

Yves Leterme regiert Belgien seit einem jahr kommissarisch.

Yves Leterme regiert Belgien seit einem jahr kommissarisch.

(Foto: REUTERS)

Möglichst viel davon will der flämische Wahlsieger Bart De Wever. Das Ziel seiner Neu-Flämischen Allianz lautet ganz offiziell "eine flämische Republik", die neben oder statt Belgien in Europas Staatenkonzert Platz nähme. Den Belgien verkörpernden König ließ De Wever seinen flämisch-republikanischen Geist auch dadurch spüren, dass er zur Audienz schon mal ohne Krawatte erschien. Die trägt De Wever allerdings auch sonst selten. Davon abgesehen ist der studierte Historiker kein Revolutionär, aber klug und zäh.

"Zuhören, raten und warnen"

Und was kann Albert tun? "Nicht viel", meint der Brüsseler Guy Deneft, der im Cinquantenaire-Park der Hauptstadt den Frühling genießt. Der König werde wohl "die Einheit des Landes bewahren wollen", aber wie, weiß der 60-Jährige nicht. "Er ist einfach da", sagt die junge Joke Smits.

Drei Dinge dürfe Albert, wie jeder "König in einer westeuropäischen Demokratie", zählt der Lütticher Staatsrechtler Christian Behrendt auf: "Zuhören, raten und warnen." Was er daraus mache, hänge von ihm persönlich ab. Der König hat zwar noch mehr Kompetenzen, etwa das Unterzeichnen von Gesetzen, aber verantwortlich ist dabei immer ein Regierungsmitglied. Und auch bei der Beauftragung der Sondierer und Vermittler "sind die Parteien beherrschend", sagt der Antwerpener Sozialwissenschaftler Dave Sinardet.

Symbol der Einheit

Bleibt des Königs persönliche Autorität als Symbol der Einheit. Albert ist vielen Bürgern zumindest sympathisch, und in den mannigfachen Krisen des Landes finden sich immer wieder einige, die nach Schloss Laeken fahren und dort vor dem Tor die belgische Trikolore schwenken. Selbst in der flämischen Bevölkerung, die den republikanischen De Wever zum Wahlsieger gemacht hat, gebe es "große öffentliche Unterstützung" für Albert, führt Sinardet an.

Das Gleiche lässt sich nicht von Thronfolger Prinz Philippe sagen. Er verprellte viele Bürger, als er "mit seiner autoritäreren Art" versuchte, "sich in die Politik einzumischen", urteilt Palast-Kenner Buxant. Philippe hatte namentlich die flämischen Abspaltungsbestrebungen kritisiert. Vielleicht wollte der Prinz verhindern, dass Albert ihm dereinst nur ein halbes Königreich hinterlässt.

Quelle: ntv.de, Phillipp Saure, AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen