Politik

Küng attackiert Papst "Benedikt auf Bush-Linie"

Der kritische Theologe Hans Küng hat Papst Benedikt XVI. mit dem ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush verglichen. "Er ist im Grunde auf der Bush-Linie - mit dem er ja auch noch den Geburtstag im Weißen Haus gefeiert hat", sagte Küng bei n-tv. Benedikt hatte an seinem 81. Geburtstag eine Rede im Garten des Weißen Hauses gehalten.

"Wir brauchen einen Papst wie Obama, der die Probleme sieht, der sie benennt, der die Krisenherde aufzeigt und der dann ein Hoffnungsspiel uns gibt und Taten der Erneuerung einleitet", forderte Küng. Papst Benedikt XVI. hatte im Januar die Exkommunizierung von vier Abweichler-Bischöfen rückgängig gemacht, darunter auch der Holocaust-Leugner Richard Williamson. Dieser "Scherbenhaufen" könne nicht einfach gekittet werden, so Küng.

Der Papst habe es geschafft, "das Vertrauen, das ihm entgegen gebracht wurde, zu enttäuschen in einem Ausmaß, wie man es gar nicht für möglich gehalten hätte". Benedikt XVI. müsse "dringend eine Kurs-Korrektur vornehmen". Küng war 1979 die Lehrerlaubnis entzogen worden. Kurz nach seiner Wahl zum Papst hatte Joseph Ratzinger Küng überraschend zu einem Gespräch eingeladen. Dies war als Zeichen der Erneuerung gewertet worden. Die Begegnung blieb allerdings folgenlos.

"Nach rechts abgedriftet"

Benedikt XVI. habe "das Schiff der katholischen Kirche nach rechts abdriften" lassen, kritisierte Küng. "Es muss wieder in die Mitte gelenkt werden." Verändert habe sich Ratzinger als Papst nicht. In der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils sei er "aufgeschlossen" gewesen. Nach den "68er Ereignissen" sei er jedoch "ganz konservativ" geworden. Heute lebe er "in einer künstlichen vatikanischen Welt, und sieht nicht mehr, wie die Welt draußen aussieht".

Williamson und die drei anderen Mitglieder der reaktionären Bruderschaft Pius X. waren 1988 ohne päpstliche Genehmigung vom früheren Erzbischof Marcel Lefebvre zu Bischöfen geweiht worden. Die Piusbruderschaft erkennt die innerkirchlichen Reformen nicht an, die 1965 mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil eingeleitet worden waren.

"Einheit nicht um jeden Preis"

Auch innerhalb der katholischen Kirche wird die Kritik an Benedikt XVI. schärfer. Am Wochenende distanzierte sich der Bischof von Rottenburg-Stuttgart öffentlich von der Entscheidung des Papstes. "Die Einheit der Kirche ist ein hohes Gut, dem zu dienen eine herausragende Aufgabe des Papstes und der Bischöfe ist", erklärte Bischof Gebhard Fürst. "Aber diese Einheit ist nicht mit einer Leugnung grundlegender Aussagen des Konzils zu vereinbaren. Sonst wird sie um den Preis erkauft, dass viele Gläubige sich innerlich oder äußerlich abwenden."

Die Piusbruderschaft fordert eine Rückkehr zur lateinischen Messe und ein Ende des ökumenischen Dialogs mit anderen Konfessionen und Religionen. Demgegenüber betonte Fürst, Religionsfreiheit, Ökumene, Dialog mit dem Judentum und die Liturgiereform gehörten zum unverzichtbaren Erbe des Konzils.

Am Freitag hatten bereits fast alle katholischen Theologie-Professoren der Universitäten Tübingen, Freiburg und Münster Alarm geschlagen und von einem "Wendepunkt der Kirchengeschichte" gesprochen. Am Wochenende sorgte eine kirchliche Personalentscheidung für neue Kritik: Benedikt XVI. ernannte den ultrakonservativen österreichischen Priester Gerhard Wagner zum Weihbischof der Diözese Linz.

Auch der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) hat die umstrittenen Personalentscheidungen des Papstes bedauert. "Die Rehabilitierung eines Holocaust-Leugners und die Bischofs-Ernennung eines Priesters, der den Tod von Menschen als Strafe Gottes bezeichnet, sind für die meisten Jugendlichen unverständlich", sagte BDKJ-Bundesvorsitzender Dirk Tänzler in Düsseldorf. Darunter litte "das Image von Kirche in Deutschland und somit auch die katholische Jugendarbeit".

"Wohlüberdachte Strategie"

Beide Entscheidungen, die Ernennung Wagners und die Rehabilitierung Williamsons, seien Teil einer "wohlüberdachten Strategie" des Papstes, sagte der Grazer Kirchenhistoriker Maximilian Liebmann. Im Falle Wagners wolle Benedikt XVI. offenbar "die etwa 30 Prozent konservative Katholiken" in Österreich zufriedenzustellen, die sich in den vergangenen Jahren ins Abseits gedrängt fühlten.

Liebmann bezweifelte Äußerungen aus dem Vatikan, wonach die Rehabilitation des Holocaust-Leugners ein "Versehen" und das Ergebnis mangelnder Information aufseiten Benedikts gewesen sei. "Dieser Mann ist einer der intelligentesten Päpste der vergangenen Jahrhunderte, und er war 20 Jahre selbst Kurienkardinal. Der kennt sich ganz genau aus. Ein Unfall aufgrund mangelnder Information war das nicht."

"Der Vatikan muss nacharbeiten"

Der Hamburger Erzbischof Werner Thissen schloss sich dem Protest gegen die Rücknahme der Exkommunikation der vier Lefebvre-Bischöfe an. "Einen Holocaust-Leugner zu rehabilitieren, ist immer eine schlechte Entscheidung", sagte er dem "Hamburger Abendblatt".

Der Papst habe die Kluft zu den Traditionalisten überbrücken wollen. Dass dieses Bemühen mit den unsäglichen Äußerungen Williamsons zusammenfiel, sei "furchtbar". Das Verhältnis zu den Juden und zur Ökumene habe durch die Entscheidung des Papstes "faktisch Schaden erlitten". "Dass in Hinblick auf Williamson nachgearbeitet werden muss, halte ich für sicher", sagte Thissen.

Quelle: ntv.de

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