Aufstand in Syrien Beobachter werden "getäuscht"
28.12.2011, 15:38 Uhr
Ein Pro-Assad-Demonstration in Damaskus.
(Foto: dpa)
Die Lage in Syrien ist auch nach der Ankunft von Beobachtern der Arabischen Liga weiter unübersichtlich. Während sich die Beobachter mit dem Auftakt ihrer Mission zufrieden zeigen, beklagen Menschenrechtler, dass sie von Assads Regime in die Irre geführt werden. Nach Angaben von Human Rights Watch soll die Regierung mehrere hundert Gefangene in militärischen Einrichtungen versteckt halten.
Die Beobachtermission der Arabischen Liga in Syrien wird nach Ansicht von Menschenrechtlern gezielt getäuscht. Die Organisation Human Rights Watch warf dem Regime von Präsident Baschar al-Assad vor, Gefangene verlegt und Soldaten als Polizisten verkleidet zu haben. Die arabischen Diplomaten beurteilen ihre Aufgabe jedoch trotz der anhaltenden Gewalt optimistisch. Nach der Protesthochburg Homs wollten sie im Laufe des Tages noch die Unruheregionen Idlib, Hama und Daraa besichtigen.
Nach dem Besuch in der seit Wochen umkämpften Stadt Homs zeigte sich der Chef der Mission, Mustafa al-Dabi, zuversichtlich, dass ein Ende der Gewalt erreicht werden könnte. Der sudanesische General sagte der panarabischen Zeitung "Al-Hayat", die syrischen Behörden seien bisher kooperativ gewesen. Am Vormittag kam es jedoch erneut zu heftigen Kämpfen. In Daraa nahe der jordanischen Grenze überfielen Deserteure aus der syrischen Armee nach Angaben von Aktivisten Regierungssoldaten und töteten vier von ihnen.
Frankreich kritisierte den bisherigen Verlauf der Mission. Der Besuch der Beobachter in Homs habe die Fortsetzung der blutigen Unterdrückung dort nicht verhindern können, hieß es in einer Mitteilung des Pariser Außenministeriums. Die Kürze des Aufenthalts habe es der Delegation nicht einmal ermöglichen können, die tatsächliche Situation in der seit Wochen umkämpften Stadt einzuschätzen.
Laut Human Rights Watch soll die Regierung derweil mehrere Hundert Gefangene in militärische Einrichtungen umgesiedelt haben, zu denen die Beobachter keinen Zugang hätten. Ein syrischer Sicherheitsoffizier schätzte die Zahl der Gefangenen demnach auf mindestens 400 bis 600. Syrien hatte sich lange gegen die Mission gesträubt. Kurz nach der Zustimmung aber habe der Offizier die Anordnung zu einem außerplanmäßig Transfer der "wichtigen Gefangenen" erhalten.
Soldaten verkleiden sich als Polizisten
Ein Gefangener berichtet der Organisation, es seien keine einfachen Kriminelle weggebracht worden, "sondern Menschen, die mit Journalisten zusammengearbeitet haben, Überläufer oder solche, die bei den Protesten mitgemacht haben."
Außerdem berichtet die Menschenrechtsgruppe, syrische Soldaten würden sich als Polizisten verkleiden. Damit werde die Forderung der Arabischen Liga, das Militär abzuziehen, umgangen. Die Organisation sei im Besitz von Dokumenten, die belegten, dass Personal vom Verteidigungs- zum Innenministerium verlegt worden sei.
TV zeigt Freilassung
Die syrischen Behörden ließen derweil einem Fernsehbericht zufolge 755 Häftlinge frei, die in die Proteste gegen Staatschef Baschar el Assad "verwickelt" gewesen sein sollen. Die Freigelassenen hätten aber "kein Blut an den Händen", hieß es in dem Bericht des Staatsfernsehens. Die Freilassung politischer Gefangener ist einer der Schlüsselpunkte im Friedensplan der Arabischen Liga, mit dem der Konflikt in Syrien beigelegt werden soll.
Warnung aus Washington
Die USA und Russland forderten Syrien auf, die Beobachter nicht zu behindern. Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte nach Angaben des arabischen Senders "Al-Dschasira", die Delegation müsse sich bei dem geplanten Besuch von mehr als 100 Krisenherden so frei wie möglich bewegen können. Aus dem US-Außenministerium hieß es: "Wenn das syrische Regime weiter die Anstrengungen der Arabischen Liga missachtet und sich widerspenstig zeigt, wird die Weltgemeinschaft andere Mittel in Erwägung ziehen, um syrische Zivilisten zu schützen." Welche Maßnahmen das genau sind, ließen die Diplomaten offen.
In Berlin kam es derweil zu einem Angriff auf einen syrischen Menschenrechtsaktivisten. Der Grünen-Politiker Ferhad Ahma wurde nach Angaben seiner Bundestagsfraktion seiner Partei vom Dienstag in seiner Wohnung überfallen und mit Knüppeln misshandelt. Der Politiker ist Mitglied eines Übergangsrats der syrischen Opposition. Die Grünen in Berlin-Mitte vermuten hinter dem Überfall den syrischen Geheimdienst.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP