Politik

"Sprechen hilft" Bergmann startet Kampagne

(Foto: REUTERS)

Die Gesprächsangebote für Menschen, die als Kinder sexuell missbraucht wurden, reichen bei weitem nicht aus. Das soll sich ändern, verspricht die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Bergmann. Hilfe bekommt sie von Filmregisseur Wim Wenders.

"Sprechen hilft!" - unter diesem Motto hat die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Christine Bergmann, eine Kampagne gegen sexuellen Kindesmissbrauch gestartet. Die Spots sollen Opfern Mut machen, ihr Schweigen zu brechen und über das Erlebte zu reden. "Wenn wir Kinder besser schützen wollen, dann müssen wir auch dafür sorgen, dass Täter nicht geschützt sind", sagte sie in Berlin. Die vom Regisseur Wim Wenders und dessen Frau Donata gestalteten Kinospots, Plakate, Flyer und Postkarten stehen unter dem Slogan: "Wer das Schweigen bricht, bricht die Macht der Täter." Im Mittelpunkt stehen ein Mann und eine Frau mittleren Alters, denen der Mund zugehalten wird. Die Spots sind ab sofort auch auf allen großen Fernsehsendern zu sehen.

Nach zahlreichen bekannt gewordenen Missbrauchsfällen hatte die Bundesregierung Anfang des Jahres das Amt einer Missbrauchsbeauftragten und einen Runden Tisch eingerichtet. Bergmann nahm ihre Arbeit im April auf.

Längere Verjährungsfrist gefordert

Betroffene können sich telefonisch oder schriftlich an die frühere SPD-Familienministerin und ihre Mitarbeiter wenden. Bislang gingen 800 Briefe und 1700 Anrufe ein. 60 Prozent der Opfer sprachen das erste Mal über den zumeist lange zurückliegenden Missbrauch. 91 Prozent der Betroffenen seien mehrfach und wiederkehrend missbraucht worden. 60 Prozent von ihnen hätten sich zuvor niemandem anvertraut.

Der größte Teil - 80 Prozent - fand dem Zwischenbericht Bergmanns zufolge frühestens 20 Jahre nach dem Missbrauch den Mut, von den Erlebnissen zu erzählen, viele sogar erst nach 40 bis 50 Jahren. Der älteste Anrufer sei 80 Jahre alt gewesen, der jüngste Anrufer zehn Jahre, das Durchschnittsalter liege bei 51 Jahren.

Die Opfer forderten mehr Therapie- und Beratungsangebote sowie eine Verlängerung von zumeist zivilrechtlichen Verjährungsfristen, wie Bergmann sagte. Zudem möchten sie erreichen, dass das Thema stärker in der Öffentlichkeit behandelt wird, um Kinder künftig besser zu schützen.

Bei der wissenschaftlichen Auswertung der gemeldeten Fälle stellte sich heraus, dass Frauen häufiger im familiären Umfeld und Männer eher in Institutionen missbraucht wurden.

Entschädigung darf kein Schweigegeld sein

Auch Entschädigungen seien ein Thema. Dabei seien statt einer pauschal festgelegten Höhe von Entschädigungszahlungen je Opfer auch individuelle Zahlungen vorstellbar.

Allerdings sei es dabei "wirklich wichtig", dass Transparenz herrsche, sagte die frühere SPD-Bundesfamilienministerin. "Denn uns sagen die Betroffenen auch immer, Entschädigung darf kein Schweigegeld sein." Unter anderem wird ein Fonds diskutiert, in den Institutionen einzahlen. Bergmann begrüßte die Ankündigung des Jesuitenordens, Missbrauchsopfer zu entschädigen.

60 Prozent aller bei Bergmann gemeldeten Missbrauchsfälle ereigneten sich demnach in Institutionen der katholischen Kirche. Bergmann forderte die derzeit in Fulda tagende katholische Bischofskonferenz auf, Opfer finanziell zu entschädigen. Es müsse darum gehen, Verantwortung zu übernehmen "und zu sagen, wir beteiligen uns selbstverständlich auch an materiellen Entschädigungen."

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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